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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: 14 U 223/04
Rechtsgebiete: BGB, StVO
Vorschriften:
BGB § 254 | |
StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1 |
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 12. Mai 2005
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten - das am 20. Oktober 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg in Form des am 8. Dezember 2004 verkündeten Ergänzungsurteils teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.264,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Dezember 2003 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert auch für das Berufungsverfahren: 8.949,02 EUR.
Gründe:
(abgekürzt gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO):
Die Berufung der Klägerin erweist sich als begründet, diejenige der Beklagten hingegen als unbegründet. Demgemäß stehen der Klägerin wegen des Verkehrsunfalles vom 16. November 2003 die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu (welche sie im Berufungsverfahren mit Ausnahme eines geringen Teilbetrages wegen der Verzinsung für weitere 20 Tage weiterverfolgt).
Zu dem Verkehrsunfall kam es, weil der Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin den Beklagten zu 1 überholen wollte, der sein Fahrzeug verlangsamt und nach rechts gelenkt hatte, allerdings um (verbotenerweise unter Überfahren einer schraffierten Sperrfläche in der Straßenmitte) zu wenden. Entgegen der Berufung der Beklagten ist dabei auch von der nachvollziehbaren Feststellung des Landgerichts auszugehen, wonach es nicht als bewiesen anzusehen ist, dass der Beklagte zu 1 vor seinem verbotenen Wendemanöver wenigstens geblinkt hat. Angesichts dieses Geschehens ist, wie die Klägerin mit ihrer Berufung zu Recht geltend macht, der bei der Beklagten zu 2 pflichtversicherte Beklagte zu 1 für die Schäden des Verkehrsunfalles alleine verantwortlich und nicht, wie die Einzelrichterin meint, die Klägerin zu einer Quote von 1/3 mitverpflichtet (geschweige denn, wie die Beklagten mit ihrer eigenen Berufung geltend machen wollen, alleine haftbar).
1. Zu Recht geht das Landgericht zunächst davon aus, dass die Beklagten nicht haben beweisen können, dass der Beklagte zu 1 seinen linken Blinker vor dem Wendemanöver gesetzt hat. Insoweit widersprechen sich die Aussagen der Zeugin R. (der Ehefrau des Beklagten) und des Zeugen L., des Fahrers des Pkw der Klägerin. Dass die Einzelrichterin der Bekundung der Ehefrau des Klägers dabei nicht den Vorzug gegeben hat, begegnet keinen Bedenken, denn die Berufung der Beklagten vermag keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung zu diesem Punkt zu wecken, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Warum die Zeugin (als Ehefrau und Beifahrerin einer der Prozessparteien) glaubwürdiger sein soll als der Fahrer der Klägerin, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil fällt an der Aussage der Zeugin (ebenso wie an der Argumentation der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung zu diesem Punkt) auf, dass die Schilderung der Zeugin, ihr Mann sei ein "pedantischer Fahrer", gerade nicht für die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundung spricht. Wer, wie der Beklagte zu 1, an verbotener Stelle unter Überfahren einer schraffierten Sperrfläche wenden will, hält sich offenbar gerade nicht pedantisch an jede Straßenverkehrsvorschrift.
2. Angesichts dieses vom Landgericht festgestellten Sachverhalts lässt sich ein gravierendes Verschulden des Beklagten zu 1 hinsichtlich des Zustandekommens des Verkehrsunfalles feststellen, der gleich drei verschiedene Verkehrsverstöße begangen hat: Zum einen hat er an einer Stelle wenden wollen, an der dies, wie sich ihm aufdrängen musste, schon deswegen verboten war, weil er dafür unzulässigerweise eine schraffierte Sperrfläche überfahren musste. Hierüber wollte er sich offensichtlich vorsätzlich hinwegsetzen. Zum anderen hat er zumindest seiner zweiten Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Beginn des Wendemanövers ersichtlich nicht Genüge getan, ansonsten hätte er das Fahrzeug der Klägerin nicht übersehen können (immerhin ein Pickup-Geländewagen mit stattlichen Außenmaßen), zumal er dieses Fahrzeug seiner eigenen Schilderung in der Klagerwiderung nach zuvor bereits im Rückspiegel beobachtet hatte (vgl. Bl. 32 d. A.). Zum Dritten hat der Beklagte seiner besonderen Sorgfaltspflicht beim Wenden (wäre dieses überhaupt zulässig gewesen), wie sie sich aus § 9 Abs. 5 StVO ergibt, ebenfalls nicht Genüge getan. Danach hätte er ausschließen müssen, mit seinem Wendemanöver andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Insoweit galt entgegen der Annahme der Einzelrichterin nicht (nur) der Sorgfaltsmaßstab, den ein Verkehrsteilnehmer beim Linksabbiegen trifft, sondern sogar ein noch strengerer.
Den Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin trifft hingegen kein Mitverschuldensvorwurf. Insbesondere bestand für ihn nicht die vom Landgericht angenommene unklare Verkehrslage. Allein, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug relativ langsam fährt und sich nach rechts einordnet, schafft keine unklare Verkehrslage für den nachfolgenden Verkehr dahingehend, dass dessen Führer nach links abzubiegen (oder gar zu wenden) beabsichtigt, vgl. Senatsurteil vom 18. November 2004, 14 U 108/04, Beck-RS 2004, 11821; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, Rn. 35 zu § 5 StVO m. w. N.). Dies gilt natürlich erst recht, wenn der nachfolgende Verkehr, hier der Zeuge L., angesichts der örtlichen Gegebenheiten (Verkehrsinsel mit anschließender schraffierter Sperrfläche und daran anschließender durchgezogener Linie) überhaupt nicht damit rechnen musste, der vor ihm verlangsamende und nach rechts fahrende Beklagte zu 1 werde unter gravierendem vorsätzlichen Verkehrsverstoß zu wenden versuchen, ohne sich über den ohnehin bevorrechtigten rückwärtigen Verkehr zu vergewissern.
Im Übrigen hätte angesichts dieser derart gravierenden Verkehrsverstöße des Beklagten auch ein etwaiges geringes Mitverschulden des Zeugen L. (welches der Senat, wie gesagt, nicht annimmt) zurückzutreten; erst recht eine der Klägerin zuzurechnende Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeugs.
3. Soweit die Beklagten weiter rügen, das Landgericht habe ein Schuldeingeständnis des Zeugen L. unberücksichtigt gelassen bzw. Vortrag hierzu nicht aufgeklärt, ist dies schon deswegen nicht erheblich, weil nicht ersichtlich ist, dass und warum der Zeuge L. (der nicht Geschäftsführer der Klägerin ist) zu deren Lasten eine rechtlich verbindende Erklärung hätte abgeben können. Dass die Abgabe einer solchen behaupteten Erklärung bei einer derartigen Sachlage (offensichtliche gravierende und teils vorsätzliche Verkehrsverstöße des Beklagten zu 1) alles andere als nahe liegend ist, kann dahinstehen.
4. Weil der Klägerin aus den genannten Gründen die geltend gemachten Schadensersatzpositionen (die der Höhe nach im Berufungsverfahren nicht im Streit sind) zustehen, die Hilfsaufrechnung der Beklagten zu 2 mangels eigenem Schadensersatzanspruch jedoch ins Leere geht, war auf die Berufung der Klägerin hin das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage insgesamt stattzugeben (soweit die Klägerin sie nicht hinsichtlich eines geringen Teils des ursprünglich geltend gemachten Zinsanspruches im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.
Ende der Entscheidung
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