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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 15.05.2003
Aktenzeichen: 14 U 240/02
Rechtsgebiete: VVG, PflVG
Vorschriften:
VVG § 152 | |
PflVG § 3 |
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 15. Mai 2003
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Oktober 2002 verkündete Grund- und Teilurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: über 20.000 ?.
Gründe:
(§ 540 Abs. 1 ZPO)
I.
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld sowie Feststellung wegen eines Verkehrsunfalles vom 25. Dezember 1998, bei dem sie als Mitfahrerin eines Pkw verletzt wurde, der von ihrem Ehemann gesteuert wurde. Wegen der näheren Sachdarstellung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Die Einzelrichterin hat der Klage im Wege eines Grund- und Teilurteiles stattgegeben, indem sie den Zahlungsantrag hinsichtlich des Schmerzensgeldes dem Grunde nach uneingeschränkt für gerechtfertigt erklärt hat und Feststellung ausgesprochen hat. Dabei könne es wegen § 3 Ziffer 4 PflVG dahinstehen, ob der Ehemann der Klägerin den Verkehrsunfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei auch nicht sicher festzustellen, ob die Klägerin Kenntnis davon gehabt habe oder hätte haben müssen, dass ihr Ehemann nicht über eine gültige Fahrerlaubnis verfügt habe und alkoholisiert gewesen sei (Ergebnis der Blutuntersuchung: 0,95 g ?).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die die vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt. Wegen § 152 VVG sei die Frage erheblich, ob der Ehemann der Klägerin den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Dass dem so gewesen sei, ergebe sich aus der von verschiedenen Zeugen bestätigten äußerst riskanten Fahrweise des Ehemanns der Klägerin. Genauso habe es im Übrigen der seinerzeit 13-jährige Sohn der Klägerin, der Zeuge ####### #######, in seiner polizeilichen Vernehmung gesehen, weshalb durch Vernehmung dieses Zeugen dieser Widerspruch zu dessen Aussage vor dem Landgericht zu klären sei. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Klägerin sowohl von der Alkoholisierung ihres Ehemannes als auch von dessen fehlender Fahrerlaubnis Kenntnis gehabt habe.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat die Einzelrichterin der Klage im Wege eines Grund- und Teilurteiles ohne Berücksichtigung einer Mithaftung der Klägerin stattgegeben.
1. Zwar stellt die Berufung zutreffend heraus, dass es entgegen der nicht begründeten Auffassung der Einzelrichterin nicht dahinstehen kann, ob der Ehemann der Klägerin den Verkehrsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Nach zutreffender und ganz überwiegender Auffassung ist eine Kfz-Haftpflichtversicherung dann nicht nach § 3 PflVG eintrittspflichtig, wenn der Verkehrsunfall, dessen Regulierung geltend gemacht wird, vorsätzlich herbeigeführt worden ist (vgl. OLG Hamm, OLGR 1997, 163 ff., OLG Oldenburg, VersR 1999, 482 f.). Dies entspricht auch der (bislang nicht veröffentlichten) Rechtsprechung des Senats. Die vom Landgericht herbeigezogene Vorschrift des § 3 Ziffer 4 PflVG steht dem nicht entgegen, weil gemäß § 152 VVG der Versicherer nicht nur, wie es § 3 Ziffer 4 PflVG voraussetzt, gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, sondern in solchen Fällen auch eine Haftung nach Außen nicht eintritt (vgl. zur Abgrenzung auch Landgericht Gera, Schaden-Praxis 2000, 142).
Den ihr obliegenden Beweis (vgl. zur Beweislast OLG Hamm, a. a. O.) für die vorsätzliche Herbeiführung des Verkehrsunfalles durch den Ehemann der Klägerin vermag die Beklagte mit den von ihr angetretenen Beweismitteln jedoch nicht zu führen. Die Frage, ob er den Verkehrsunfall wissentlich oder willentlich (zumindest im Wege sog. bedingten Vorsatzes, der eine "billigende Inkaufnahme" des Unfalles einschließlich der Schadensfolgen voraussetzen würde) herbeigeführt hat, ist eine den Fahrzeugführer ####### ####### betreffende innere Tatsache. Auf dessen Zeugnis selber, der eine vorsätzliche Unfallherbeiführung bereits im Strafverfahren vehement abgestritten hat (und auch dort nicht wegen einer Vorsatztat verurteilt worden ist), hat sich die beweispflichtige Beklagte (wohl angesichts dessen) gar nicht erst berufen.
Allein aus den von ihr geschilderten Indizien, insbesondere der ausgesprochen riskanten und unbeherrschten Fahrweise des Fahrzeugführers, ist jedoch ein sicherer Rückschluss auf einen Vorsatz (in Abgrenzung zur bloßen - auch groben - Fahrlässigkeit) weder für sich gesehen möglich, noch in Zusammenschau mit der Bekundung des Zeugen ####### #######, wie er sie im Ermittlungsverfahren (im Beisein der Klägerin) abgegeben hat.
Denn auch wenn die von verschiedenen Zeugen bestätigte äußerst riskante Fahrweise des Fahrzeugführers im Sinne der Behauptung der Beklagten unterstellt wird und selbst wenn der Zeuge ####### (der im Rahmen seiner voneinander abweichenden Bekundungen zumindest einmal bereits gelogen hat) glaubhaft diejenige Einschätzung wiederholen würde, die er zunächst der Polizei gegenüber abgegeben hat, würden für den Senat zumindest noch nicht auszuräumende restliche Zweifel an einer vorsätzlichen Herbeiführung des Verkehrsunfalles bestehen bleiben. Zwar spricht hier, was der Senat nicht verkennt, einiges dafür, dass der Unfall auf mehr als nur einem (groben) versehentlichen Fahrfehler beruht. Eine nach Maßgabe des § 286 ZPO anzustellende richterliche Überzeugungsbildung setzt jedoch darüber hinaus voraus, dass vernünftige Zweifel nicht mehr bestehen können. Solchen letzten Zweifel würden aber hier auch dann bestehen bleiben, wenn die Beklagte im Übrigen die von ihr behaupteten Hilfstatsachen (Indizien) beweisen könnte.
a) Dies insbesondere deswegen, weil das von der Beklagten bemühte Indiz der mehr als unvernünftigen Fahrweise des Ehemannes der Klägerin im Sinne einer vorsätzlichen Unfallherbeiführung schon deswegen nicht eindeutig ist, weil dieser seinen Fahrstil auch schon vor dem Zusteigen der Klägerin mit ihren Kindern an den Tag gelegt hat (vgl. Aussage des Zeugen ####### im Ermittlungsverfahren, Bl. 60 d. Beiakten 29 Js 305/99 StA Verden). Dass ihr Ehemann bereits derart gefahrgeneigt gefahren ist, bevor die Klägerin überhaupt zugestiegen war, spricht eher dafür, dass er wegen der (im Einzelnen dem landgerichtlichen Urteil zu entnehmenden) vorangegangenen Umstände insgesamt hochgradig erregt gewesen ist und sich am Rande seiner Selbstbeherrschung bzw. jenseits davon befand, nicht aber dafür, dass er es auf die Herbeiführung eines Unfalls angelegt bzw. er eine solche auch nur billigend in Kauf genommen hat.
b) Soweit sich die Beklagte darauf bezieht, dass der damals 13-jährige Sohn der Klägerin bei seiner Vernehmung vor der Polizei angegeben hat, er habe "mit Sicherheit geahnt", dass sein Schwiegervater sich und der Familie "etwas antun würde", wäre dies, selbst wenn der Zeuge es so und in glaubhafter Form entgegen seiner zwischenzeitlichen Bekundung beim Landgericht bestätigen würde, auch nicht geeignet, einen Vorsatz des Ehemanns der Klägerin zu beweisen. Es handelt sich ersichtlich um eine eigene Einschätzung des Sohns der Klägerin, die sich insbesondere nicht an konkrete Äußerungen seines Schwiegervaters anknüpft, der zuvor im Auto nur gesagt haben soll, er wolle die Familie jetzt zum Bahnhof fahren. Hätte der Fahrzeugführer wirklich, wie es der Zeuge seinerzeit angenommen haben will, vorgehabt, sich und seiner Familie "etwas anzutun", dann hätte es nahe gelegen, das Fahrzeug auf der etwa 8 bis 10 km langen Fahrstrecke an "geeigneter" Stelle und mit höherer Geschwindigkeit gegen ein entsprechendes Hindernis zu fahren und nicht etwa bereits unmittelbar nach Fahrtantritt in der ersten Kurve von der Fahrbahn abzugeraten, wo sogar noch Dritte, hier eine Reiterin mit Pferd, gefährdet waren. Die von dem Zeugen ####### seinerzeit angenommene geplante Herbeiführung des Verkehrsunfalles und die von der Beklagten selbst behauptete bloße "billigende Inkaufnahme" im Sinne bedingten Vorsatzes schließen sich dabei sogar aus.
Selbst wenn der Zeuge ####### also nun wieder zu seiner ursprünglichen Bekundung zurückkehren würde und dies auch noch in einer glaubhaft erscheinenden Weise, wäre damit lediglich bewiesen, dass er selber aus seiner damaligen subjektiven Sicht einen entsprechenden Rückschluss gezogen hat, nicht hingegen, dass dieser auch der tatsächlichen inneren Einstellung des Unfallverursachers selber entsprochen hat.
2. Soweit die Beklagte auch im Berufungsverfahren weiter einwendet, der Klägerin habe zumindest die Alkoholisierung ihres Ehemannes nicht entgehen können, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Zum einen wäre eine solche Tatsache allenfalls geeignet, der Klägerin einen gewissen Mitverschuldensvorwurf zu machen, wobei dieses Mitverschulden gegenüber dem Verschulden des bei der Beklagten versicherten Fahrers, der nicht nur alkoholisiert, sondern auch hochgradig unvernünftig und viel zu riskant gefahren ist, verhältnismäßig gering ausfallen dürfte. Zum anderen hat bereits das Landgericht hinsichtlich dieses Punktes zutreffend ausgeführt, dass eine Kenntnis der Klägerin von der Alkoholisierung ihres damaligen Ehemannes nicht nachweisbar ist. Ob die Klägerin von dem Alkoholkonsum ihres damaligen Ehemannes bereits in der Wohnung Kenntnis erlangt hat bzw. hätte erlangen können, ist nicht feststellbar. Dagegen spricht immerhin, dass sowohl sie als auch ihr Mann im Ermittlungsverfahren angegeben haben, man sei sich angesichts des vorangegangenen Streits in der Wohnung anschließend aus dem Weg gegangen.
Ebenso wenig ist es feststellbar, dass die Klägerin bei der verbalen Auseinandersetzung auf der Straße vor ihrem Zusteigen in den Pkw Kenntnis von der Art und dem Grad der Alkoholisierung ihres Mannes erlangt hat bzw. hätte erlangen müssen. Auch wenn, was Zeugen im Ermittlungsverfahren bestätigt haben, dem Einsteigen eine lautstarke Auseinandersetzung vorangegangen ist, lässt sich daraus nicht zwingend der Schluss ableiten, dass die Klägerin aus der Atemluft ihres Mannes dessen Alkoholisierung hätte erkennen können. Dafür spielt nicht nur die Art und die Menge der genossenen Getränke eine Rolle (die Alkoholisierung ihres Ehemannes war mit 0,95 g ? jedenfalls noch nicht als übermäßig zu bezeichnen), sondern beispielsweise auch der Abstand zwischen den Beteiligten, deren Körperausrichtung sowie die (witterungsbedingten) Luftbewegungen. Da sich letztere Gesichtspunkte ohnehin nicht rekonstruieren lassen, liegen auch für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erkennbarkeit der Alkoholisierung nicht genügend Anhaltspunkte vor. Hinzu kommt, wie das Landgericht zutreffend herausgestellt hat, dass insbesondere die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten beide die Alkoholisierung des Schädigers erst im Streifenwagen selber festgestellt haben und nicht etwa bereits davor.
3. Hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin von der Entziehung der Fahrerlaubnis ihres Ehemannes gewusst habe (der Führerschein selber befand sich noch im Wagen), vermag die Berufung keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts zu wecken. Eine Vermutung dafür, dass die Klägerin die entsprechende, an ihren Mann gerichtete amtliche Post geöffnet habe, ist nicht anzunehmen. Darüber hinaus wäre der aus dieser Kenntnis abzuleitende etwaige Mitverschuldensvorwurf noch weniger schwer wiegend als der zuvor erörterte, weil die Kenntnis von der Entziehung der Fahrerlaubnis die Klägerin nicht schon zu dem Schluss führen musste, ihr Ehemann werde den Wagen gegen die nächste Mauer fahren.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.
Ende der Entscheidung
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