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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: 14 U 28/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 852
BGB § 823
BGB § 847
Beginn der Verjährungsfrist ab Kenntnis von einem Zusammenhang zwischen Unfall und jetzigem Befinden (hier: Hepatitis C).
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 28/01

Verkündet am

25. April 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. Dezember 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Wert der Beschwer für den Kläger: über 20.000 Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt weiteres Schmerzensgeld sowie Feststellung aus Anlass eines Verkehrsunfalls, der sich am 24. November 1979 in ####### ereignet hat. Bei diesem Verkehrsunfall wurde der Kläger als Insasse eines bei der Beklagten zu 1 versicherten Fahrzeugs, dessen Halterin die Beklagte zu 2 war, schwer verletzt. Im Zuge der Schadensregulierung schloss die Beklagte zu 1 mit dem Kläger einen Abfindungsvergleich vom 1. Juni 1982 (Bl. 49 d. A.). Der Kläger erhielt 50.000 DM und verzichtete im Gegenzug 'auf jede weitere Forderung, gleich aus welchen Gründen, auch aus heute noch nicht erkennbaren Unfallfolgen'. In den 90er Jahren wurde der Kläger unten anderem wegen einer aggressiven Hepatitis C mit inkompletter Leberzirrhose behandelt.

Der Kläger hat behauptet, diese Erkrankung sei auf eine kontaminierte Blutkonserve zurückzuführen, die er im Zuge der Behandlung nach dem Verkehrsunfall erhalten habe. Hinreichend sichere Kenntnis davon habe er aber erst durch eine gutachtliche Stellungnahme des Arztes ####### vom 29. Juni 1998 erhalten. Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nicht unter 30.000 DM sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer materieller und immaterieller Schäden in Anspruch genommen. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Eine Haftung der Beklagten zu 2 als bloße Halterin sei aus Rechtsgründen ohnehin ausgeschlossen. Außerdem habe der Kläger mit Abschluss des Vergleiches auf weitere Schmerzensgeldansprüche verzichtet.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Ansprüche des Klägers seien jedenfalls verjährt. Spätestens durch den ärztlichen Bericht vom 30. März 1994 (Bl. 12 ff. d. A.) habe der Kläger die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Kenntnis der Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls für seine Hepatitiserkrankung erlangt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Bericht von 1994 habe zumindest noch keine endgültige Klarheit über die Person möglicher weiterer Verantwortlicher für die Verunreinigung der Blutkonserven geschaffen. Außerdem sei noch abzuklären gewesen, ob weitere Übertragungswege hinsichtlich der Hepatitisinfektion in Betracht kämen, wofür es auch erforderlich gewesen sei, die Krankenakten einzusehen, was erheblichen Zeitaufwand erfordert habe. Ausreichende Kenntnis davon, dass als Ursache für die Hepatitisinfektion ausschließlich die unfallbedingte ärztliche Behandlung in Betracht komme, habe der Kläger erst durch die am 1. Juli 1998 eingegangene gutachtliche Stellungnahme des Arztes ####### (Bl. 19 ff. d. A.) erhalten. Nach wie vor sei ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von mindestens 30.000 DM angemessen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu 1 zu verurteilen, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, ihm sämtlichen derzeit noch nicht hinreichend sicher übersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen,

sowie festzustellen, dass beide Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm alle materiellen Schäden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 24. November 1979 zu ersetzen, soweit nicht auf gesetzliche Sozialleistungsträger übergegangen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Schadensfall im Sinne der Verjährungsvorschriften sei der Verkehrsunfall selbst gewesen. Zeitgleich damit habe die Verjährungsfrist für den gesamten Schaden begonnen, soweit er aus Sicht medizinischer Fachkreise überhaupt nur als möglich voraussehbar war. Da die Übertragbarkeit von Hepatitisviren durch Bluttransfusionen zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls schon bekannt gewesen sei (was sich auch aus dem medizinischen Schriftverkehr ergebe), seien Ansprüche des Klägers längst verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung erweist sich als unbegründet.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keine, jedenfalls keine durchsetzbaren, Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche zu.

1. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 gilt dies schon deswegen, weil sie als bloße Halterin des unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges durch die Vorschrift des § 8 a StVG privilegiert ist. Der Halter eines Kraftfahrzeugs haftet bei Verletzung von Insassen nur im Falle von entgeltlicher, geschäftsmäßiger Personenbeförderung. Auch der vom Kläger in zweiter Instanz allein noch geltend gemachte Feststellungsanspruch hinsichtlich materieller Schäden ist von dieser Privilegierung umfasst.

2. Gegen die Beklagte zu 1 hingegen steht dem Kläger der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch sowie der Feststellungsanspruch hinsichtlich immaterieller Schäden deswegen nicht zu, weil er darauf durch Abschluss des Vergleichs vom 1. Juni 1982 verzichtet hat. Der Verzicht des Klägers bezog sich auch auf Forderungen, die sich aus seinerzeit noch nicht erkennbaren Unfallfolgen ergeben konnten. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Anspruchsverzicht unwirksam sein könnte, insbesondere nicht, dass die seinerzeit vereinbarte Abfindungssumme in krassem Missverhältnis zum tatsächlich entstandenen Schaden steht, sodass das Festhalten am Vertrag gegen Treu und Glauben verstoßen könnte. Dies ergibt sich schon aus der Relation des vom Kläger nun noch geltend gemachten Betrages von 30.000 DM zu der ursprünglichen Abfindungssumme aus dem Jahr 1982 von 50.000 DM, die angesichts der allgemeinen Preisentwicklung heute einem Betrag von rd. 70.000 DM entsprechen würde. Im Übrigen ist ein Verdacht auf Hepatitis bereits im Jahre 1980 ausgesprochen worden, wie sich aus dem Arztbericht vom 17. April 1980 ergibt (Bl. 55, 57 d. A.).

3. Soweit dem Kläger gegen die Beklagte zu 1 einzig materielle Ansprüche noch zustehen könnten (hinsichtlich materieller Zukunftsschäden enthält der Abfindungsvergleich einen ausdrücklichen Vorbehalt), greift die von der Beklagten zu 1 erhobene Verjährungseinrede durch. Insoweit gilt die 3-jährige Verjährungsfrist des § 852 BGB damaliger Fassung. Der Abfindungsvergleich ist nicht als Schuldanerkenntnis mit dem Ziel gemeint gewesen, eine Feststellungsklage zu ersetzen, sodass ab dem Vergleichsschluss von der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB damaliger Fassung auszugehen wäre. Allein dass die Parteien in dem Abfindungsvergleich hinsichtlich materieller Zukunftsschäden einen Vorbehalt von der im Übrigen generellen Abfindung ausgesprochen haben, reicht nicht aus, um eine Befreiung von der Verjährungseinrede anzunehmen (vgl. BGH, NJW 1992, 2228; Geigel/Hübinger, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl. 2001, 11. Kapitel, Rn. 81). Entsprechend haben es die Beteiligten des damaligen Vergleichs auch verstanden, wie die Tatsache zeigt, dass in der Folgezeit mehrere Verjährungsverzichte gefordert und abgegeben wurden (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 4. Januar 1990, Bl. 58 d. A., mit dem der Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 1990 verlängert worden ist).

Die maßgebliche 3-jährige Verjährungsfrist ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, verstrichen.

a) Es kann dahinstehen, ob für den Beginn der Verjährungsfrist nicht sogar auf den Verkehrsunfall selber abzustellen ist. Grundsätzlich ist für den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt der allgemeinen Kenntnis vom Schaden, das wäre hier der Zeitpunkt des Unfalls 1979, abzustellen, wenn die konkrete Schadensfolge (hier die Hepatitisinfektion durch Bluttransfusion) zumindest für Fachleute vorhersehbar gewesen ist. Die Beklagten haben - vom Kläger unwidersprochen - vorgetragen und mit Zitaten aus der medizinischen Literatur belegt, dass die Übertragung von Hepatitis durch kontaminierte Blutkonserven bereits zur damaligen Zeit in medizinischen Fachkreisen bekannt gewesen ist und auch das Vorhandensein eines (wenn auch seinerzeit nicht einordbaren) Hepatitisvirus bekannt gewesen ist, der nicht den Typen A oder B angehörte.

b) Selbst wenn nämlich im Übrigen zum damaligen Zeitpunkt die Gefahr, durch verunreinigte Blutkonserven sich mit Hepatitisviren des vorliegenden Typs zu infizieren, nicht bekannt gewesen sein sollte, so hat sich diese Kenntnis in den beteiligten Fachkreisen mittlerweile durchgesetzt und der Kläger als Geschädigter hat von der konkreten Schadensfolge, hier einer Hepatitis-C-Infektion zu einem Zeitpunkt Kenntnis erhalten, der mehr als 3 Jahre vor Klagerhebung datiert. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu dem der Kläger Kenntnis von einem Zusammenhang zwischen dem Unfall und seinem jetzigen Befinden erhalten hat (vgl. BGH, NJW 1997, 2448 f.). Diese Kenntnis hatte der Kläger spätestens im Zusammenhang mit der Untersuchung von 1994 erhalten, wie sich aus dem Schriftsatz des Kreiskrankenhauses ####### vom 30. März 1994 (Bl. 12 ff.) entnehmen lässt. Ausweislich der in diesem Brief wiedergegebenen Anamnese war es gerade die Annahme, dass die Massentransfusion im Jahre 1997 die Hepatitis-C-Erkrankung des Klägers ausgelöst haben könnte, die zur Untersuchung des Klägers und zur Erstellung des Berichtes Anlass gegeben hat (vgl. insbesondere Bl. 15 d. A.).

Entgegen der Auffassung des Klägers konnte es angesichts der Erkenntnisse aus dem Jahre 1994 auch keine noch zu beseitigenden Unklarheiten über die Person des Schädigers geben. Ob sich - neben der über die Beklagte zu 1 versicherten Unfallverursacherin - noch Hersteller oder Vertreiber der Blutkonserven ermitteln ließen, war für einen gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Anspruch ohne Belang. Allenfalls hätten unabhängig von der Haftung der Beklagten zu 1 weitere, kumulativ haftende Schädiger ermittelt werden können. Zudem ist nicht ersichtlich, warum es des über vier Jahre währenden Ausschlusses möglicher weiterer Übertragungswege bedurft haben sollte. Die vom Kläger hierzu in Betracht gezogenen alternativen Ursachen konnte er aus eigener Kenntnis im Jahre 1994 genauso sicher ausschließen wie 1998.

Spätestens im Jahre 1994 hätte der (wegen Hepatitis schon lange Zeit behandelte Kläger) also zumindest 'nahe liegenden Grund gehabt, zur Abwehr der Verjährung eine Feststellungsklage zu erheben' (vgl. BGH, a. a. O.). Für eine solche verjährungsunterbrechende Feststellungsklage hätte im Übrigen die begründete Besorgnis, also die Möglichkeit eines Schadens, ausgereicht, die mit dem ärztlichen Bericht von 1994 ohne weiteres hätte belegt werden können.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711 ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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