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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 30.08.2001
Aktenzeichen: 14 U 295/00
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 7
Abwägung zwischen Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs (40 %) und Verschulden eines 8 3/4 Jahre alten Kindes (60 %)
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 295/00

Verkündet am 30. August 2001

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2001 unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht ####### und Dr. ####### und des Richters am Amtsgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. Oktober 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Mai 2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger die materiellen Schäden zu 40 % zu ersetzen, die diesem aus dem Verkehrsunfall, der sich am 9. April 1999 gegen 13:05 Uhr auf der ####### in ####### ereignete, bereits entstanden sind bzw. künftig noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. bereits übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 89 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 11 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Aufgrund des Verkehrsunfalls vom 9. April 1999 steht ihm aus §§ 7 StVG, 3 Nr. 1 und 2 PflVG gegenüber den Beklagten lediglich ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 74 DM zu. Außerdem erweist sich der geltend gemachte Feststellungsantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als begründet.

Ein Schmerzensgeld steht dem Kläger dagegen nicht zu, weil sich ein dafür nach §§ 823, 847 BGB notwendiges Verschulden des Beklagten zu 1 am Zustandekommen des Unfalls nicht feststellen lässt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die zutreffende Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, der sich der Senat anschließt, Bezug genommen. Die in erster Instanz vernommenen Zeugen haben die Darstellung des Klägers nicht bestätigt, bei der Verfolgung des Balles auf dem Gehweg angehalten und nach rechts und links gesehen zu haben, während der Ball schon auf der Fahrbahnmitte gelegen habe. Vielmehr ist der Vortrag der Beklagten nicht zu widerlegen, dass der Kläger in gebückter Haltung hinter dem Ball herlief, um ihn einzufangen, und erst so kurz vor dem Pkw des Beklagten zu 1 erschien, dass dieser nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Ein Verschuldensvorwurf ist dem Beklagten zu 1 auch nicht etwa deshalb zu machen, weil kurz vor der Unfallstelle das Verkehrsschild 'Achtung Kinder' aufgestellt war. Denn dieses Verkehrszeichen beinhaltet keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung, sondern mahnt den Fahrzeugführer lediglich zu besonderer Aufmerksamkeit und zu Bremsbereitschaft. Solange der Beklagte zu 1 jedoch keinen Hinweis darauf hatte, dass es im Bereich der späteren Unfallstelle überhaupt spielende Kinder gab, durfte er folglich auch mit der vom Kläger behaupteten Geschwindigkeit von etwa 40 km/h fahren.

Da sich ein Verschulden des Beklagten zu 1 am Zustandekommen des Unfalls somit nicht feststellen lässt, kann dem Kläger das begehrte Schmerzensgeld nicht zugesprochen werden. Allerdings hat er gemäß § 7 Abs. 1 StVG Anspruch auf Ersatz von 40 % des ihm entstandenen materiellen Schadens. Die Beklagten können den ihnen nach § 7 Abs. 2 StVG obliegenden Unabwendbarkeitsbeweis nämlich ebenfalls nicht führen. Dass ein 'Idealfahrer', auf dessen Verhalten insoweit abzustellen ist, den Unfall vermieden hätte, bedarf keiner näheren Begründung. Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts tritt die vom Fahrzeug des Beklagten zu 1 ausgehende Betriebsgefahr hier auch nicht etwa ausnahmsweise hinter dem Alleinverschulden des Klägers zurück. Vielmehr ist unter den hier gegebenen Umständen eine 40 %ige Mithaftung der Beklagten anzunehmen. Bei der Bemessung der von dem Pkw ausgehenden Betriebsgefahr ist nämlich zu berücksichtigen, dass hier nicht ein Unfall mit einem anderen Pkw, sondern einem spielenden Kind und damit einem in jeder Hinsicht schwächeren Verkehrsteilnehmer zu beurteilen ist. Dieser Umstand führt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Oberlandesgerichte (vgl. insoweit die Nachweise bei Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 5. Aufl., Rdnr. 492) dazu, dass die Beklagten allein wegen der Betriebsgefahr, die von dem Pkw VW Passat ausging, eine 40 %ige Mithaftung für die dem Kläger entstandenen materiellen Schäden trifft.

Der von diesem geltend gemachte materielle Schaden ist allerdings nur in Höhe von 185 DM dem Grunde nach erstattungsfähig. Zu diesem Betrag gelangt man bei einer Addition der ersten fünf Positionen auf S. 8 der Klageschrift. Die Kosten für den Videofilm zur Dokumentation des Unfallortes in Höhe von 252,79 DM stellen dagegen keinen durch den Unfall adäquat verursachten Schaden dar. Bei diesen Aufwendungen handelt es sich vielmehr um Prozessvorbereitungskosten, die evtl. (anteilig) im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können.

40 % des dem Grunde nach erstattungsfähigen Schadens in Höhe von 185 DM machen 74 DM aus. Lediglich in Höhe dieses Betrages hat die Zahlungsklage daher Erfolg. Außerdem war dem den materiellen zukünftigen Schaden betreffenden Feststellungsantrag zu entsprechen, und zwar ebenfalls unter Zugrundelegung einer 40 %igen Mithaftung der Beklagten. Angesichts der nicht unerheblichen

Verletzungen, die der Kläger bei dem Unfall erlitten hat, ist die Möglichkeit, dass zukünftig ein weiterer materieller Schaden eintritt, nicht von der Hand zu weisen (vgl. BGH MDR 2001, 448).

Der auf den zukünftigen immateriellen Schaden bezogene Feststellungsantrag konnte dagegen keinen Erfolg haben, weil es - wie oben dargelegt - an dem dafür notwendigen Verschulden des Beklagten zu 1 fehlt.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB a. F. § 288 Abs. 1 BGB ist in seiner seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung (nur) auf Forderungen anzuwenden, die von diesem Zeitpunkt an fällig werden (vgl. Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB). Die hier in Rede stehende Forderung des Klägers war jedoch bereits vor dem genannten Zeitpunkt fällig. Eine mehr als 4 %ige Verzinsung des ausgeurteilten Betrages kommt daher nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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