Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 14 U 296/00
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 9
Der Leasinggeber (Eigentümer) hat sich über § 9 StVG ein Verschulden des Fahrers seines Kraftfahrzeugs und die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zurechnen zu lassen, auch wenn er nicht Halter ist.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 296/00

Verkündet am 27. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. November 2000 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.468,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. April 2000 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt 80 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 20 % der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer für die Klägerin: 9.873,26 DM Beschwer für die Beklagten: 2.468,38 DM

Von einem Tatbestand wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.

Der Klägerin steht aus dem Verkehrsunfall vom 12. Februar 2000 ein Schadenser-satzanspruch von 2.468,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. April 2000 aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, Art 229 § 1 EGBGB zu.

Ein Verschulden des Beklagten zu 1 am Unfallgeschehen als Voraussetzung für eine über 20 % des Schadens hinausgehende Haftung der Beklagten, welche sich grundsätzlich schon aus der Gefährdung durch den Betrieb eines Fahrzeuges ergibt, hat die Klägerin nicht bewiesen, insbesondere nicht, dass der Beklagte zu 1 infolge Unachtsamkeit oder überhöhter Geschwindigkeit gegen den Pkw der Klägerin gefahren ist.

Bei der Entscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass der Zeuge ####### den bei der Klägerin von der Firma ####### geleasten Pkw BMW 523 I am 12. Februar 2000 in ####### auf der ... straße stadtauswärts führte. In Höhe des Hauses Nr. 34 oder Nr. 54 wollte er das Fahrzeug auf der insgesamt 8,50 m breiten Straße wenden. Als der BMW quer auf der Straße mit dem Heck etwa 0,5 m auf der stadtauswärts führenden Fahrbahn stand, fuhr der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw Punto gegen den hinteren linken Bereich des BMW, wodurch dieser beschädigt wurde.

Ein Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVO (ausreichender Sicherheitsabstand) liegt nicht vor. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug gegen den BMW gefahren ist, begründet nicht den Anschein für einen solchen Verstoß, denn der PKW stand im Zeitpunkt der Kollision im Zuge des Wendemanövers quer auf der Straße (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, 1999, § 4 StVO, Rdnr. 18 m. w. N.).

Einen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 3 Abs. 3 StVO (innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unter günstigsten Umständen) hat die Klägerin nicht bewiesen. Die Zeugin ####### hat überhaupt keine Angaben zur Geschwindig-keit des PKW Punto gemacht. Der Zeuge ####### hat angegeben, seiner Einschät-zung nach sei der Pkw Punto mit nicht höherer Geschwindigkeit als 50 km/h geführt worden, während der Zeuge ####### allein aus der Heftigkeit des Anpralls folgerte, der Punto müsse zu dieser Zeit etwa 50 km/h schnell gewesen sein. Eine Geschwin-digkeit auch von 50 km/h wäre nicht zu hoch gewesen.

Auch ein Verkehrsverstoss des Beklagten zu 1 gegen § 1 StVO ist nicht zur Überzeugung des Senats bewiesen.

Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 1 hätte erkennen können, dass der Zeuge ####### wenden wollte, weil er dies rechtzeitig angezeigt habe, er hätte rechts an dem BMW vorbeifahren können, sind durch die Vernehmung der Zeugen #######, ####### und ####### nicht bestätigt worden. Während die Zeugen ####### und ####### angaben, sie hätten nicht bewusst wahrgenommen bzw. nicht gesehen, ob der linke Fahrtrichtungsanzeiger des BMW in Gang gesetzt worden war, hat der Zeuge ####### zwar bekundet, er habe vor dem Wenden links geblinkt gehabt, genaue Angaben dazu, wie lange er das Fahrmanöver zuvor angekündigt hatte und in welchem Abstand ihm der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug folgte, als er das Wendemanöver dann tatsächlich einleitete, hat der Zeuge jedoch nicht gemacht. Er gab lediglich an, zunächst sei der Pkw Punto des Beklagten zu 1 mehrere Fahrzeug-längen hinter ihm gewesen. Dann habe er, der Zeuge, links geblinkt, sei noch ein Stück langsam gefahren und habe dann zum Wenden angesetzt, weil er auf der gegenüberliegenden Seite eine Parklücke entdeckt hatte.

Dabei war neben der nachvollziehbaren Ungenauigkeit der Angaben des Zeugen ####### zu der nach dem Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers von ihm noch zurückgelegten Strecke bei der Würdigung seiner Einschätzung zu berücksichtigen, dass der Zeuge es möglicherweise eilig hatte, in die auf der gegenüberliegenden Seite der ... straße befindliche freie Parklücke fahren zu können.

Der Verkehrsunfall war auf der anderen Seite für die Beklagten auch nicht unabwendbar (§ 7 Abs. 2 StVG), denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht auszuschließen, dass ein besonders aufmerksamer Verkehrsteilnehmer den Verkehrsunfall vermieden hätte, z. B. indem er noch rechts an dem wendenden BMW vorbeigefahren wäre. Immerhin hatte der Beklagte, bevor es zur Kollision kam, noch Zeit, die Hupe seines Fahrzeuges zu betätigen, wie der Zeuge ####### angegeben hat.

Der Umstand, dass der Verkehrsunfall für die Beklagten nicht unabwendbar war, führt nicht dazu, dass die Klägerin 100 % ihres Schadens beanspruchen kann.

Zwar muss sich die Klägerin im Rahmen des § 7 StVG über § 17 StVG nicht das Verschulden des Zeugen ####### und die Betriebsgefahr ihres eigenen Fahrzeuges zurechnen lassen, denn sie ist nicht Halterin des BMW gewesen (vgl. BGH NJW 1965, 1273, 1274; OLG Hamm NJW 1995, 2233). Im Rahmen der Gefährdungshaftung erfolgt jedoch eine Zurechnung sowohl des Verschuldens als auch der Betriebsgefahr über § 9 StVG (vgl. BGH NJW 1965, 1273, 1274 ;OLG Hamm, a. a. O., LG Hamburg VersR 1988, 1303), wonach § 254 BGB mit der Maßgabe Anwendung findet, dass im Falle der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt (hier der Fahrer #######), dem Verschulden des Verletzten gleichsteht. Soweit der Bundesgerichtshof in vergleichbaren Fällen (BGH NJW 1983, 1492 und NJW 1986, 1044) eine Zurechnung über § 9 StVG nicht vorgenommen hat, ist dem nicht zu folgen und im Übrigen auch davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung jedenfalls im Ergebnis in einer zur Gefährdungshaftung nach dem LuftVG ergangenen neueren Entscheidung (VersR 2000, 356, 357) aufgegeben hat, wonach die Betriebsgefahr eines Flugzeugs in den Verantwortungsbereich des geschädigten Halters oder Eigentümers fällt.

Danach ist der Klägerin neben der Betriebsgefahr ihres eigenen Fahrzeuges auch der Verstoß des Zeugen ####### gegen § 9 Abs. 5 StVO zuzurechnen, der sich, wofür der Beweis des ersten Anscheins spricht (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, 1999, § 9 StVO, Rdnr. 50) als Fahrzeugführer beim Wenden nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war, weshalb der ihm mit seinem Pkw unmittelbar nachfolgende Beklagte zu 1 gegen das Heck des BMW stieß.

Die Klägerin kann nur Ersatz von 20 % ihres Schadens beanspruchen, denn die Verursachung des Verkehrsunfalls muss sie sich zu 80 % zurechnen lassen. Bei der im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG (Ausgleichspflicht mehrerer Haftpflichtiger) vorzunehmenden Abwägung war zu Lasten der Beklagten die Betriebsgefahr des PKW Punto, zu Lasten der Klägerin die Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges und der Verstoß des Zeugen ####### gegen § 9 Abs. 5 StVO zu berücksichtigen, wobei letzterer schwer wiegt, denn § 9 Abs. 5 StVO verlangt dem Fahrzeugführer äußerste Sorgfalt ab. Allerdings überwiegt seine Schuld nach Ansicht des Senats nicht derart stark, dass dahinter selbst die Betriebsgefahr des Punto völlig zurückzutreten hat.

Unter Berücksichtigung der zu Lasten der Beklagten gehenden Haftungsquote von 20 % und dem in der Berufungsinstanz unstreitigen Schadensumfang ist der ausgeurteilte Betrag wie folgt berechnet:

Tatsächliche Reparaturkosten 9.560,85 DM, Wertminderung 2.100,00 DM,

Honorar des Sachverständigen 641,06 DM, Unkostenpauschale 40,00 DM

12.341,91 DM

davon 20 % = 2.468,38 DM.

II.

Die Revision war nicht zuzulassen, denn mit diesem Urteil wird, wie bereits oben dargelegt, nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abgewichen. Ihr kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 sowie 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück