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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 14 U 61/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 517 | |
ZPO § 522 Abs. 1 |
2. Die Unzulässigkeit der Berufung gegen die Haftpflichtversicherung hat in diesem Fall zur Folge, dass die Klage gegen den Versicherungsnehmer gem. § 3 Nr. 8 PflVG unbegründet ist.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 25. November 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 17. Februar 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird, soweit sie gegen den Beklagten zu 2 gerichtet ist, als unzulässig verworfen.
Im Übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 5.112,92 EUR (nebst Zinsen) an die Beklagte zu 1 (neben dem Beklagten zu 2) entfällt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis zu 95.000 EUR.
Gründe:
I.
Der Kläger macht gegenüber den Beklagten materielle und immaterielle Schäden aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 19. Juni 2001 gegen 15:00 Uhr in S. ereignete. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einem Auffahrunfall zwischen dem Pkw Fiat der Beklagten zu 1 als auffahrendem Fahrzeug, das beim Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war, und dem Pkw Audi des Klägers, der verkehrsbedingt hinter einem Linksabbieger warten musste. Die hundertprozentige Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen dieses Unfalls ist unstreitig.
Der Kläger hat eine unfallbedingte Distorsion seiner Wirbelsäule behauptet und ein über vorprozessual gezahlte 2.500 DM hinausgehendes Schmerzensgeld von 15.000 EUR, Ersatz eines Verdienstausfallschadens (als selbständiger Inhaber eines Imbisses) in Höhe von 37.072,75 EUR sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Zukunftsschäden begehrt. Das Landgericht hat die Klage nach Beweiserhebung abgewiesen, weil sich nicht feststellen lasse, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden auf dem Unfall beruhten. Gleichzeitig hat es der Widerklage der Beklagten stattgegeben, mit der diese die Rückzahlung von 10.000 DM geltend gemacht haben, die der Beklagte zu 2 vorprozessual im November 2001 zur beliebigen Verrechnung und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung an den Kläger gezahlt hatte.
Gegen dieses dem Kläger am 24. Februar 2004 (Bl. 372) zugestellte Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Die Berufungsschrift vom 22. März 2004 (Bl. 375), auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird, ging per Telefax am 24. März 2004 um 11:30 Uhr bei der TelefaxAnnahmestelle des Oberlandesgerichts Celle ein. Als Beklagte und Berufungsbeklagte ist in diesem Schriftsatz lediglich Frau B. D. (= die Beklagte zu 1) angegeben. Eine Ablichtung des angefochtenen Urteils (oder auch nur seines Rubrums) war diesem Telefax nicht beigefügt. Am 25. März 2004 ging alsdann per Post das Original der Berufungsschrift beim Oberlandesgericht Celle ein (Bl. 377). Diesem Schriftsatz war auch eine Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2004 (Bl. 399) hat der Kläger klargestellt, dass sich seine Berufung auch gegen den Beklagten zu 2 richtet. Seiner Auffassung nach hätten hierüber keine vernünftigen Zweifel aufkommen können und hätte das Berufungsgericht sich noch innerhalb der Berufungsfrist Gewissheit davon verschaffen können, dass es sich bei der Nichtbenennung des Beklagten zu 2 in der Berufungsschrift um ein Versehen gehandelt habe. In der Sache setzt sich der Kläger insbesondere mit den erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten kritisch auseinander, auf die das Landgericht sein Urteil im Wesentlichen gestützt hat. Im Übrigen wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein über den gezahlten Betrag von 1.278,23 EUR hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld für die Zeit vom 19. Juni 2001 bis zum 30. September 2002 sowie einen Betrag von 37.072,75 EUR, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (= 26. November 2002), zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall mit der Beklagten zu 1 am 19. Juni 2001 in S. nach dem 30. September 2002 entstanden ist bzw. noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist und
3. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten haben ihre Widerklage im Berufungsverfahren auf den Beklagten zu 2 als Widerkläger beschränkt und sie im Übrigen (bezüglich der Beklagten zu 1 als Widerklägerin) zurückgenommen. Sie beantragen,
die Berufung des Klägers unter Berücksichtigung dieser teilweisen Rücknahme der Widerklage zurückzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten ist die Berufung des Klägers ausschließlich gegenüber der Beklagten zu 1 fristgerecht eingelegt worden. Gegenüber dem Beklagten zu 2 sei das angefochtene Urteil dagegen mit der Folge rechtskräftig geworden, dass im Verhältnis zur Beklagten zu 1 § 3 Nr. 8 PflVersG eingreife. In der Sache verteidigen die Beklagten das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen im Übrigen ebenfalls im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Während sich die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Berufung als unzulässig erweist, ist die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Berufung mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Das angefochtene Urteil ist dem Kläger am 24. Februar 2004 zugestellt worden. Zwar hat er mit seiner Berufungsschrift vom 22. März 2004, die per Telefax bei der hiesigen Telefax-Annahmestelle am letzten Tag der Berufungsfrist, d. h. am Mittwoch, dem 24. März 2004, um 11:30 Uhr einging, Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Als Beklagte und Berufungsbeklagte ist in diesem Schriftsatz jedoch lediglich Frau B. D. (= die Beklagte zu 1) angegeben.
Nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird. Das Gesetz bestimmt nicht, auf welche Weise das angefochtene Urteil bezeichnet werden muss. Da die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz form- und fristgebunden einen neuen Verfahrensabschnitt einleitet und die Einlegung der Berufung den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils aufschiebt, dürfen aber im Interesse der Rechtsklarheit an die Urteilsbezeichnung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Der Prozessgegner und - innerhalb der Berufungsfrist - das Berufungsgericht müssen in der Lage sein, sich Gewissheit über die Identität des angefochtenen Urteils zu verschaffen. Es ist daher anerkannt, dass eine vollständige Bezeichnung die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erfordert. Nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, führt jedoch zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird. Ob ein solcher Fall gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BGH NJW 2001, 1070, 1071 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Unter den hier gegebenen Umständen war für den Senat jedenfalls innerhalb der Berufungsfrist nicht erkennbar, dass sich die Berufung des Klägers auch gegen den ... (= Beklagter zu 2) richten sollte. Der ... war in der Berufungsschrift nämlich mit keinem Wort erwähnt. Da dem Telefax, mit dem der Kläger seine Berufung eingelegt hatte, entgegen der Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO auch keine - und sei es auch nur auszugsweise - Ausfertigung, Abschrift oder Ablichtung des angefochtenen Urteils beigefügt war, war für den Senat auch in keiner Weise ersichtlich, dass sich der Rechtsstreit in erster Instanz ursprünglich auch gegen den ... als Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 gerichtet hatte.
Dies war auch nicht aus anderen Gründen bis zum Ablauf der Berufungsfrist um 24:00 Uhr des 24. März 2004 der Fall. Ausweislich der Übersendungsverfügung des Landgerichts Lüneburg sind die Akten beim Oberlandesgericht Celle erst am 6. April 2004 eingegangen (vgl. Bl. 374). Entgegen der Auffassung des Klägers war der Senat auch keinesfalls verpflichtet, nach dem Eingang des Telefaxes am 24. März 2004 um 11:30 Uhr bis zum Ablauf der Berufungsfrist um 24:00 Uhr desselben Tages Ermittlungen zu der Frage anzustellen, ob Frau B. D. die einzige Beklagte war, gegen die sich die Berufung des Klägers richtete. Dafür, dass dies anders sein könnte, gab es ausweislich des Inhalts der Berufungsschrift nämlich keinerlei Hinweise. Diesem Schriftsatz war nicht einmal zu entnehmen, dass der Rechtsstreit, in dessen Rahmen das angefochtene Urteil ergangen war, einen Verkehrsunfall zum Gegenstand hatte, in dessen Folge im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung regelmäßig neben dem Fahrer und/oder Halter auch dessen/deren Haftpflichtversicherung mitverklagt wird.
Nach alledem war infolge des Umstandes, dass der ... in der Berufungsschrift vorliegend versehentlich nicht als weiterer Beklagter und Berufungsbeklagter angegeben worden ist, für den Senat innerhalb der Berufungsfrist nicht erkennbar, dass sich die Berufung des Klägers auch gegen diesen richten sollte.
Das Original der Berufungsschrift ist erst am Donnerstag, dem 25. März 2004, beim Oberlandesgericht Celle eingegangen. Zwar war diesem Schriftsatz eine Abschrift des angefochtenen Urteils mit der Bitte um Rückgabe beigefügt, sodass infolgedessen Zweifel daran entstehen konnten, ob sich die Berufung des Klägers tatsächlich nur gegen Frau B. D. als einzige Berufungsbeklagte richten sollte. Zu diesem Zeitpunkt war die Berufungsfrist jedoch bereits abgelaufen, sodass die mit diesem Schriftsatz evtl. erkennbar auch gegen den ... eingelegte Berufung als unzulässig zu verwerfen ist.
2. Dies hat zur Folge, dass das angefochtene Urteil, bezogen auf den Beklagten zu 2 - wegen nicht rechtzeitiger Anfechtung rechtskräftig ist. Dies führt weiter zum Eingreifen von § 3 Nr. 8 PflVersG mit der Folge, dass die gegen die Beklagte zu 1 rechtzeitig eingelegte Berufung, soweit der Kläger damit seine Klage weiterverfolgt, unbegründet ist. Sein Rechtsmittel war daher mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen. Diese trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beklagten ihre Widerklage im Berufungsverfahren auf den Beklagten zu 2 als Widerkläger beschränkt und sie im Übrigen (bezüglich der Beklagten zu 1 als Widerklägerin) zurückgenommen haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Rücknahme der Widerklage durch die Beklagte zu 1 hat auf die Kostenentscheidung keinen Einfluss, weil sich der dadurch niedriger gewordene Streitwert innerhalb derselben Gebührenstufe bewegt wie der vorangegangene.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens war auf bis zu 95.000 EUR festzusetzen (Schmerzensgeld 15.000 EUR; materieller Schaden 37.072,75 EUR; Feststellung in Einklang mit der entsprechenden Festsetzung in dem Beschluss des Landgerichts vom 31. Oktober 2002 [Bl. 40] 30.000 EUR; Widerklage 5.112,92 EUR).
Ende der Entscheidung
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