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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 14 U 76/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 302
Ein Vorbehaltsurteil darf nicht ergehen, wenn die vorbehaltene Schadensersatzforderung mit der Klageforderung in einem Abrechungsverhältnis steht.

Dies gilt auch dann, wenn im Rechtsstreit von einer Aufrechnung gesprochen wurde.

Erst recht gilt dies, soweit Minderung geltend gemacht worden ist.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 76/04

Verkündet am 17. März 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Parteien wird das am 25. März 2004 verkündete Vorbehaltsurteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG. Im Übrigen wird die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Gericht des ersten Rechtszugs übertragen.

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte als Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO folgende Beträge zu zahlen:

898.337,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Mai 2004, 304.334,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juli 2004 und 21.005,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. August 2004.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Dabei kann die Klägerin die zur Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils bereits geleistete Sicherheit, soweit der Höhe nach ausreichend, einsetzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.053.952,51 EUR.

Gründe:

540 Abs. 1 ZPO)

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn wegen der Errichtung eines Bauvorhabens.

Wegen der näheren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat nach Einholung mehrerer Gutachten und Vernehmung von Zeugen der Klage im Wege eines Vorbehaltsurteils zunächst überwiegend stattgegeben. Die Entscheidung über die von der Beklagten der Klagforderung entgegengehaltenen Gegenrechte (Schadensersatz wegen mangelhafter Ausführung sowie Minderung) hat es dem Nachverfahren vorbehalten. Wegen der Begründung im Einzelnen wird ebenfalls auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Prozessziel, soweit durch das Vorbehaltsurteil teilweise abgewiesen, vollständig weiter. Sie macht geltend, dem Landgericht sei zunächst ein Rechenfehler zu ihren Lasten unterlaufen. Zudem sei die Teilabweisung wegen der Nichterrichtung eines Drehkreuzes unberechtigt, da dies den insoweit vereinbarten Pauschalpreis nicht berühre. Auch soweit die Kammer hinsichtlich verschiedener weiterer Positionen teilweise zum Nachteil der Klägerin entschieden habe, sei dies fehlerhaft. Teils seien Beweisantritte der Klägerin übergangen worden, teils bestimmte Positionen offenbar übersehen worden. Außerdem begehrt die Klägerin nach wie vor Vergütung der Stundenlohnarbeiten, die auf entsprechende Vereinbarung der Parteien und Anordnungen der Beklagten zurückzuführen seien. Berechtigt sei auch die geltend gemachte Forderung betreffend die Außenanlagen, hinsichtlich derer von einer Erweiterung des ursprünglichen Auftrags bzw. der Planung auszugehen sei. Schließlich sei auch die Position wegen der "besonderen Beschleunigung" entgegen der Auffassung der Kammer zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Vorbehaltsurteils die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Vorbehalt der Entscheidung über die Gegenforderungen 898.353,36 EUR sowie weitere 155.582,98 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. August 1999 zu zahlen, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Vorbehaltsurteil aufzuheben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen, hilfsweise, unter Abänderung des angefochtenen Vorbehaltsurteils die Klage abzuweisen, sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält den Erlass eines Vorbehaltsurteils für unzulässig, weil die - die Hauptforderung der Höhe nach übersteigenden - Gegenforderungen nicht im Wege der Aufrechnung von der Klagforderung in Abzug zu bringen seien, sondern bei richtiger Betrachtungsweise im Wege einer Verrechnung. Die Bezeichnung in der Klagerwiderung sei insoweit nicht maßgeblich. Ein Vorbehaltsurteil habe überdies schon deswegen nicht in Betracht gezogen werden dürfen, weil ein Großteil der Aufrechnungsforderungen entscheidungsreif gewesen sei, womit sich das Landgericht bei rechter Betrachtungsweise gar nicht auseinander gesetzt habe. Darüber hinaus habe das Landgericht unbegründet die Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen, obwohl es sich um eine Forderung aus der Zeit vor der entsprechenden Gesetzesänderung handele. Zudem seien einige der vom Landgericht der Klägerin zugesprochenen Positionen nicht berechtigt (vgl. hierzu im Einzelnen S. 12 bis 28 der Berufungsbegründung der Beklagten, Bl. 537 ff. d. A.).

Im Übrigen verteidigen beide Parteien das angefochtene Urteil gegenüber den Angriffen der jeweiligen Gegenseite.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat zunächst einmal Erfolg. Das Landgericht hat über die Klagforderung durch ein Vorbehaltsurteil entschieden, dessen Erlass jedoch gemäß § 302 ZPO unzulässig gewesen ist, weshalb sich das angefochtene Urteil im Ergebnis nur mit einem Teil des Streitgegenstands befasst und ein (unzulässiges) Teilurteil darstellt. Angesichts dessen hat der Senat das Urteil nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufgehoben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen. Demzufolge war sich auch mit der Berufung der Klägerin nicht auseinander zu setzen, weil sie auf ein in der jetzigen prozessualen Situation aus denselben Gründen unzulässiges Ziel (Erweiterung der Vorbehaltsverurteilung) hinausläuft. Eine eigene Entscheidung des Senats über die Klagforderung unter Berücksichtigung der Gegenforderungen der Beklagten ist untunlich, weil letztere zumindest zum Teil dem Grunde und der Höhe nach streitig und ungeklärt sind und absehbarerweise eine umfangreiche Beweisaufnahme erfordern werden (was im Zweifel ja auch das Landgericht veranlasst hat, über die Klagforderung - unzulässigerweise - vorab entscheiden zu wollen).

Zu Recht nämlich macht die Beklagte geltend, dass ein Vorbehaltsurteil deswegen nicht ergehen durfte, weil die Voraussetzungen des § 302 ZPO (auch in seiner durch Gesetz vom 30. März 2000 geänderten, neuen Fassung) nicht erfüllt sind: Die Beklagte hat sich nämlich gegenüber der Klagforderung der Klägerin im Ergebnis nicht, wie die Kammer meint, mit einer "Aufrechnung" im Sinne dieser Vorschrift verteidigt; vielmehr liegt zwischen der Klagforderung und den von der Beklagten geltend gemachten Gegenrechten bei richtiger Betrachtung ein Verrechnungsverhältnis vor. Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn, der aus unterschiedlichen Gesichtspunkten streitig ist: Zum einen streiten die Parteien darum, ob und in welchem Umfang der ursprüngliche Pauschalvertrag erweitert bzw. eingeschränkt worden ist und ob und wie viel zusätzliche Leistungen die Klägerin erbracht hat. Darüber beruft sich die Beklagte jedoch auch auf Gegenrechte wegen mangelhafter Erbringung der Werkleistung, woraus sie zum Teil Schadensersatzansprüche, zum Teil Minderungsansprüche herleitet. Solche Gegenansprüche stehen nach zutreffender Ansicht insbesondere in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die auch der des Senats entspricht, zur Werklohnforderung - ungeachtet der Verwendung des Begriffs "Aufrechnung" - in Fällen wie dem vorliegenden in einem Verrechnungsverhältnis, und zwar auch, soweit es um Schadensersatzansprüche geht (vgl. die von der Beklagten zitierten Entscheidungen OLG Koblenz, MDR 2002, 715 f.; OLG München, BauR 2003, 421; OLG Oldenburg, BauR 2003, 1079 f.; OLG Hamm, BauR 2003, 1746, jeweils zitiert nach jurisweb; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, Rdnrn. 212 ff. unter Hinweis auf BGH, BauR 1978, 224). Erst recht (und eigentlich selbstverständlich) gilt das für die von der Beklagten eingewandte Minderung, die ja unter keinen Umständen einen (einer Aufrechnung überhaupt zugänglichen) selbständigen klagbaren Zahlungsanspruch ergibt, sondern bedeutet, dass der Werklohnanspruch in gewissem Umfang herabzusetzen ist.

Dabei kommt es entgegen der Auffassung der die Entscheidung des Landgerichts insoweit verteidigenden Klägerin nicht darauf an, welche Wortwahl (die ohnehin nur Ausdruck einer das Gericht nicht bindenden rechtlichen Würdigung ist) die Beklagte im Prozess verwandt hat (so ausdrücklich auch die zitierten Entscheidungen OLG Koblenz und OLG München, a. a. O). Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt, weitergehenden Werklohn deshalb nicht zahlen zu wollen, weil das Gewerk der Klägerin mangelhaft und deswegen nicht mehr als bereits gezahlt wert sei. Dies wird umso deutlicher, als von der Beklagten in erster Instanz der Begriff der "Aufrechnung" auch hinsichtlich des Minderungsbetrages verwandt worden ist (dessen Geltendmachung eine Aufrechnung im Sinne der §§ 387 ff. BGB naturgemäß nie erfordert).

Ebenso wenig wirkt sich die durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen herbeigeführte Änderung des § 302 ZPO auf diese Entscheidung aus. Gegenstand dieser Gesetzesänderung war nur, dass das Ausschlusskriterium der Konnexität fallen gelassen worden ist. Dass ein Vorbehaltsurteil, was hier entscheidend ist, nur zulässig ist, wenn es um Aufrechnung im rechtstechnischen Sinne geht, ist hingegen unverändert geblieben.

Schon aus diesem Grund ist das vom Landgericht erlassene Vorbehaltsurteil unzulässig, so dass es dahinstehen kann, ob, wie die Berufung der Beklagten unwidersprochen weiter geltend macht, zumindest einzelne der Gegenforderungen sogar bereits entscheidungsreif gewesen sind (wozu das angefochtene Urteil keine Ausführungen enthält, obwohl sie zur Begründung der Ermessensentscheidung des Erlasses eines Vorbehaltsurteils angezeigt sein dürften).

Die Entscheidung über die Niederschlagung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der von der Beklagten wegen der zwischenzeitlich erfolgten Vollstreckung der Klägerin aus dem aufgehobenen Urteil geltend gemachte Rückerstattungsanspruch ist gemäß § 717 Abs. 2 ZPO berechtigt, wobei die für die Schadensentstehung maßgeblichen Zahlungsdaten nicht im Streit sind. Dieser Rückerstattungsanspruch ist seinerseits gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorläufig vollstreckbar. Dabei ist hinsichtlich der Sicherheitsleistung der Klägerin zu berücksichtigen, dass diese bereits eine gerade der Absicherung der Beklagten wegen der vorläufigen Vollstreckung dienende Sicherheitsleistung erbracht hat, welche sie - soweit der Höhe nach noch ausreichend - wegen der durch den Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO vorzunehmenden Rückabwicklung zum Einsatz bringen kann (vgl. Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, Rdnr. 44 zu § 717 ZPO).

Ende der Entscheidung

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