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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 14 U 96/00
Rechtsgebiete: StVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVG § 17
StVG § 7
BGB § 823
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines gestellten Unfalls
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 96/00 8 O 94/99 LG Verden

Verkündet am 15. Februar 2001

#######, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

#######,

Klägerin und Berufungsklägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ####### -

gegen

#######,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte:Rechtsanwälte ####### -

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht #######

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 3. März 2000 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Klägerin: 22.693,60 DM.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall am 7. Juli 1998 geltend, der sich gegen 21:30 Uhr an der Einmündung der Kreisstraße ####### in die Straße ####### in ####### ereignet haben soll. Das Landgericht Verden hat die Klage abgewiesen. Die gegen das Urteil gerichtete, zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 3 PflVG gegen die Beklagte zu. Das Landgericht ist zu Recht von einem fingierten Unfall ausgegangen. Liegt ein fingierter Unfall vor, an dem der Eigentümer des beschädigten Kraftfahrzeuges mitgewirkt hat, so führt die insoweit vorliegende Einwilligung zu einem Fortfall der Haftung gemäß §§ 7 StVG, 823 BGB (BGH VersR 1979, Seite 514). Die Beweislast für die Behauptung, dass es sich um einen gestellten Unfall gehandelt hat, trifft die Beklagte (OLG Hamm, NJW-RR 1987, Seite 1239). Ein derartiger Beweis wird der Haftpflichtversicherung regel mäßig sehr schwer fallen, weil bei einer Unfallmanipulation die Beteiligten gerade darauf aus sind, einen solchen Nachweis zu verhindern. Eine besonders typische Gestaltung des angeblichen Unfallgeschehens kann jedoch dazu führen, dass zu Gunsten der Beklagten ein Anscheinsbeweis zu bejahen ist (BGH VersR 1979, Seite 514 f.). Grundlage eines solchen Anscheinsbeweises können nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch ausschließlich Indizien sein (vgl. auch OLG Köln, VersR 1989, Seite 163). Auf Grund dieser Indizien muss zur Überzeugung des Gerichtes feststehen, dass der Unfallhergang auf eine vorsätzliche Schädigung hin deutet. Dabei sind an die Indizienbeweise keine zu strengen Anforderungen zu stellen (Geigel-Kun schert, Der Haftpflichtprozess, 22. Aufl., 25. Kap. Rn. 10 m. w. N.). In vorliegendem Fall liegen genügend Indizien für einen fingierten Unfall vor, um zu Gunsten der Beklagten von einem Anscheinsbeweis auszugehen, wie das Landgericht bereits zu treffend festge stellt hat (vgl. hierzu all gemein: Dannert r + s 89, 381 und 90, 1), worauf verwiesen wird. Folgendes soll noch einmal hervorgehoben werden:

1. Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen eines fingierten Unfalls stellen die Umstände des Abschleppens des Fahrzeuges der Klägerin dar. Es ist der Klägerin nicht gelungen, plausibel zu erklären, warum das Fahrzeug gegen 21:30 Uhr quer durch ####### mit einem Abschleppseil abgeschleppt werden musste. Dies ist umso überraschender, als der Zeuge ####### in seiner Vernehmung ausgesagt hat, dass das Fahrzeug vorher immer auf einem Trailer transportiert worden war. Geht man davon aus, dass bei Beginn des Abschleppmanövers tatsächlich die Batterie leer gewesen ist, so ist nicht erkennbar, warum dieses Problem nicht durch den Einsatz von Über brückungs kabel oder dem Einsatz einer Reservebatterie behoben werden konnte, wenn das Fahrzeug tatsächlich in einem so guten Zustand gewesen ist, wie die Klägerin dies behauptet. Denn in diesem Zusammenhang ist besonders zu beachten, dass das Fahr zeug vor dem Abschleppen auf dem Gelände einer Tankstelle in ####### gestan den hat. Aus weislich der Aussage des Zeugen ####### war das Fahrzeug gerade zum Zwecke der Reparatur zu dieser Tankstelle verbracht worden. Soweit der Zeuge weiter aus gesagt hat, dass ein Aufladen der Batterie nicht sinnvoll gewesen sei, weil der Keilriemen zur Lenkhilfpumpe gerissen gewesen sei, so ist auch nicht ersichtlich, warum dieser Keilriemen nicht auch in der Tankstelle ersetzt werden konnte, welche auch Reparaturen von Fahrzeugen durch führte. Andernfalls wäre das Fahrzeug auch nicht zum Zwecke der Reparatur zu dieser Tankstelle gebracht worden. Arbeiten an einer Batterie oder einem Keilriemen stellen keine so komplizierten Arbeiten dar, dass diese mit einem besonders hohen Kostenaufwand oder Materialeinsatz verbunden wären. Der Zeuge ####### hat insoweit ausgesagt, dass die Kosten, die die Tankstelle in Rechnung stellen wollte, zu hoch gewesen seien. Diese Begründung überzeugt den Senat nicht. Denn es ist nicht sinnvoll, ein Fahrzeug erst mit großem Aufwand zu einer Tankstelle zu bringen, ohne vorher die von der Tankstelle in Rechnung zu stellenden Reparaturpreise abzusprechen. Derartige Absprachen waren der Klägerin und dem Zeugen insbesondere auf der Grundlage der von ihnen zuvor eingeholten Gutachten bei der ####### und den Sachverständigen ####### vorab möglich. Es ist daher nicht erkennbar, warum gerade an diesem Abend das Abschleppen mit einem Abschleppseil notwendig gewesen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Abschleppen schon deshalb riskant war, weil unstreitig durch den Ausfall der Batterie auch die Servolenkung und der Bremskraft verstärker ausgefallen waren. Berücksichtigt man die Größe und das Gewicht des Fahrzeuges, stellte das Abschleppen daher eine riskante Alternative dar. Es ist daher merk würdig, dass die Klägerin diese gefährlichere Alternative wählte, obwohl sie die Möglich keit hatte, entweder auf der Tankstelle selbst die notwendigen Arbeiten durchführen oder das Fahrzeug dort bis zum nächsten Tag stehen zu lassen, um es dann dort auf sichere Art und Weise, wie z. B. den schon mindestens zweimal praktizierten Transport mit einem Trailer, abzutransportieren. Stattdessen wurde das Fahrzeug über eine erhebliche Strecke mit einem Abschleppseil abgeschleppt, obwohl die Werkstatt Mercedes #######, wohin der Transport gehen sollte, um diese Zeit überhaupt nicht mehr geöffnet hatte. Soweit der Zeuge ####### ausgesagt hat, der Eigentümer der Tank stelle habe das Fahrzeug nicht mehr auf seinem Gelände stehen haben wollen, konnte er nicht erklären, warum nicht zumindest ein Aufschub bis zum Beginn des nächsten Tages möglich gewesen ist. Dann hätte man mit Sicherheit von der jetzt zu beauftragenden Werk statt eine bessere Abschleppalternative angeboten bekommen. Die Klägerin hat somit nicht überzeugend darlegen können, warum die Fahrt an dem Abend unter diesen riskanten Umständen durchgeführt werden musste.

2. Unklar geblieben sind auch die von der Klägerin geschilderten Umstände der Kollision. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass beide Fahrzeuge bei Rot an der Kreuzung gestanden hätten. Sie seien dann bei Grün in die Kreuzung eingefahren und hätten nach rechts abbiegen wollen. Angesichts der besonderen Probleme des Abschleppens mit einem Abschleppseil und der fehlenden Bremskraft des Mercedes kann sowohl das Beschleunigen als auch das Abbremsen zum Einbiegen nach rechts nicht plötzlich und scharf gewesen sein. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Geschwindigkeit nur langsam und behutsam geändert wurde. Es bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrmanöver des Abschleppgespanns für den nach folgenden Kraftfahrzeugführer ####### überraschend gekommen sind. Vielmehr hatte dieser ausreichend Zeit, sich auf das Abschleppgespann einzustellen. Selbst wenn man unter stellt, dass er mit dem Führen des Lkws nicht vertraut gewesen ist, was nach mehrstündigem Gebrauch allerdings unwahrscheinlich ist, so hätte der Zeuge ####### aus reichend Zeit gehabt, den Gang richtig zu wechseln und Fahrfehler zu vermeiden. Des Weiteren hätte er die Möglichkeit gehabt, nach links auszuweichen. Weitere Fahr zeuge sind unstreitig nicht in dem Verkehrsraum gewesen. Der von der Klägerin behauptete Ablauf des Unfalls ist daher so ungewöhnlich, dass er ein weiteres Indiz für das Vorliegen eines fingierten Unfalls begründet.

3. Bei den von dem Kraftfahrzeugführer ####### geführten Fahrzeug handelte es sich unstreitig um einen gemieteten Lkw. Auch dies ist typisch bei einem gestellten Unfall. Denn ein Lkw ist genügend stabil, um bei einer geringeren Geschwindigkeit bei dem vorausfahrenden Fahrzeug einen erheblichen Schaden zu verursachen. Teilnehmer eines fingierten Unfalls sind naturgemäß daran interessiert, den Unfall bei möglichst geringer Geschwindigkeit mit möglichst großem Schaden durchzuführen, um auf der einen Seite eigene Verletzungen zu vermeiden und auf der anderen Seite einen möglichst hohen finanziellen Ausgleich von der gegnerischen Versicherung zu erhalten. Andererseits führt die Nutzung eines Mietwagens dazu, dass kein eigenes Eigentum beschädigt und man auch in der eigenen Kraftfahrzeugversicherung nicht höher eingestuft wird. Des Weiteren haftet man selbst nur im Rahmen der Eigenbeteiligung für die Schäden am Mietwagen, weil eine entsprechende Vollkaskoversicherung - wie auch in diesem Fall - abgeschlossen wird. Weiterhin ist auffallend, dass der Kraftfahrzeugführer ####### selbst an der Aufklärung dieses Unfalls in keiner Weise mitgewirkt hat. So hat er sich als in Anspruch genommener Schädiger einer Mitwirkung bei der Unfallrekonstruktion verweigert, obwohl die Beklagte ihn darum gebeten hat.

4. Zwar hat sich der Unfall auf einer Hauptverkehrsstraße ereignet und ist der Unfallort ausweislich der Aussage des Zeugen ####### vom 22. Oktober 1999 von der Wohnbebauung einsehbar. Dies besagt aber nichts, weil zum Zeitpunkt des Unfalles aus weislich der Aussage des Zeugen ####### auf dieser Hauptverkehrsstraße kein nennenswerter Verkehr mehr herrschte. Der Unfallort war daher in besonderem Maße für die Durchführung eines fingierten Unfalls geeignet. Dem steht auch nicht entgegen, dass es ausweislich der Aussage des Zeugen####### noch einen weiteren Zeugen gegeben hat. Da der insoweit benannte Zeuge ####### zu keinem Zeitpunkt zum Unfall geschehen vernommen werden konnte, ist völlig offen, was er tatsächlich vom Unfall geschehen gesehen und ob er sich möglicherweise bewusst der Aussage entzogen hat.

5. Ein weiteres erhebliches Indiz für einen fingierten Unfall stellt der Zustand des Pkw Daimler Benz der Klägerin vor dem Unfall am 7. Juli 1998 dar. Der sachverständige Zeuge ####### hat glaubhaft ausgesagt, dass es sich bei dem Fahrzeug nur noch um ein Fahrzeug mit so genanntem Restwert gehandelt habe, das im normalen Verkauf unverkäuflich gewesen wäre. Der Zeuge ####### hat bestätigt, dass die von dem Sachverständigen ####### festgestellten Schäden tatsächlich an dem Fahrzeug vorgelegen haben. Dabei handelt es sich um einen Unfallscha den am linken hinteren Kotflügel, einen Unfallschaden rechts vorne und einen seitlichen Schaden mit Verformung am Rahmen und anderen Teilen links. Des Weiteren war ein Frontschaden an dem Fahrzeug oberflächlich repariert worden. Der Kühlkondensator der Klimaanlage war durch einen Vorunfall beschädigt. Bei dem Kompressor der Klimaanlage fehlte der Keilriemen, weil die Anlage auf Grund des Vorschadens ausgefallen war. Das Automatikge triebe funktionierte nicht. Der Verbindungsschlauch zum Ölkühler war gerissen. An der Fahrzeugunterseite war sichtbar, dass der Pkw aufgeschlagen war. Es waren Motorwanne, Katalysator und Endtopf beschädigt. Des Weiteren hätte die Bereifung der Hinterachse erneuert werden müssen, weil das Reifenprofil innen bei einer Tiefe von 0 bis 1 mm lag. Der Motor selbst konnte nicht laufen, weil die Batterie völlig leer war. Beim Probelauf verlor der Wagen mit einer Fremdbatterie Öl. Es waren dann über 8 l Motoröl nachzufüllen. Diese von bei den Sachverständigen bestätigten Schäden wider legen den Vortrag der Klägerin, dass das Fahrzeug nur wegen einer Entleerung der Batterie liegen geblieben war. Es muss schon vorher nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Es stellte daher für die Klägerin nur einen geringen Wert dar.

Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die Aussage des Zeugen ####### in der Sitzung vom 23. Januar 2001 widerlegt. Soweit der Zeuge ausgesagt hat, der Wagen sei grundsätzlich in einem guten Zustand gewesen, überzeugt diese Aussage den Senat nicht. So steht auf Grund der Vorgutachten des Sachverständigen ####### und der ####### fest, dass die beiden vorangegangenen Unfälle bei dem Fahrzeug erhebliche Schäden verursacht hatten. Der Zeuge ####### konnte nicht angeben, wann diese Schäden beseitigt worden waren. Er hat sich insoweit nur an die Reparatur eines Dichtringes durch einen Bekannten erinnern können. Zu weiteren Arbeiten sei dieser Bekannte mangels Zeit nicht mehr bereit gewesen. Andere Reparaturen konnte der Zeuge nicht konkret bezeichnen. Die Fahrunfähigkeit des Fahrzeuges wird auch dadurch bestätigt, dass dieses Fahrzeug ausweislich des Kilometerstandes seit dem zweiten Unfall nur noch um rd. 1 km bewegt worden ist. Dies hat auch der Zeuge ####### bestätigt. Er hat ausgesagt, dass nach dem Unfall das Fahrzeug mit einem Trailer auf den Hof gebracht worden sei. Dort sei es nicht mehr bewegt worden und später dann mit einem Trailer zu der Tankstelle nach ####### gebracht worden.

Aus der Summe der aufgeführten Indizien ergibt sich somit eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei diesem Unfall um einen manipulierten Unfall gehandelt hat. Ein Anscheins beweis zu Gunsten der Beklagten ist somit gegeben. Dieser Anscheinsbeweis wird auch nicht durch die Behauptung der Klägerin widerlegt, dass der vorausfahrende Zeuge ####### bei dem Unfall verletzt worden sei. Denn zum einen könnte es sich bei der Verletzung um eine ungewollte Folge des Unfalls gehandelt haben, weil der Anstoß doch heftiger war als es die Beteiligten geplant hatten. Zum anderen handelt es sich bei dem behaupteten Halswirbelschleudertrauma um eine Verletzung, die regelmäßig nur auf Grund der Erklärungen des Verletzten diagnostizierbar ist. Objektivierbare Befunde sind in dem Zusammenhang selten gegeben und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden, sodass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob überhaupt eine entsprechende Verletzung gegeben war oder diese nur zur Erklärung des Unfalls oder des halb behauptet wurde, um aus dem Unfall auch noch ein Schmerzensgeld zu erhalten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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