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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 04.07.2005
Aktenzeichen: 14 W 18/05
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 8
SGB VII § 105 Abs. 1
Zur Abgrenzung zwischen einem in die Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII einbezogenen Betriebsweg und einem von dieser Haftungsbeschränkung nicht erfassten "normalen" Weg i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII.
14 W 18/05

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 4. Juli 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. März 2005 - Az.: 18 O 382/04 - abgeändert:

Dem Antragsteller wird ab dem Zeitpunkt der Antragstellung für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt A., ..., zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.

Gründe:

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Sinne von § 114 ZPO sind erfüllt.

1. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Dies folgt aus seinen zur Akte gereichten entsprechenden Erklärungen (Bl. 1 f. im Beiheft Prozesskostenhilfe).

2. Die beabsichtigte Klage hat im Sinne von § 114 ZPO nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand hinreichende Erfolgsaussicht und erscheint nicht mutwillig.

Im Gegensatz zur Ansicht des Landgerichts kommen hier nicht die Grundsätze eines gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses zur Anwendung. Dabei kann für das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren dahinstehen, ob es sich bei dem Verkehrsunfall vom 24. April 2004 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat oder nicht.

a) Wenn es sich bei der zu dem genannten Verkehrsunfall führenden Fahrt am 24. April 2004 um eine reine Gefälligkeitsfahrt gehandelt hat, scheidet ein Arbeitsunfall aus. Eine Haftungsprivilegierung über die §§ 104 f. SGB VII kommt dann nicht in Betracht. Damit bestünde auch keine Veranlassung, eine Haftungsverteilung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses (vgl. dazu nur BGHZ 155, 205 m. w. N.) vorzunehmen.

b) Geht man aber - wie das Landgericht im angefochtenen Beschluss - davon aus, dass es sich vorliegend um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII handelt, entfällt ebenfalls eine Haftungsprivilegierung nach den §§ 104 ff. SGB VII, da auch in diesem Fall eine Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII nicht zugunsten der Beklagten eingreift. Denn gem. § 105 Abs. 1 SGB VII war die Haftung des bei dem Unfall getöteten Fahrers gegenüber den übrigen Fahrzeuginsassen und damit auch gegenüber dem Antragsteller nicht ausgeschlossen bei der Verursachung von Sachschäden, bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls und - wie vorliegend - bei dessen Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg (vgl. auch Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 31, Rn. 108). Bei dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall handelte es sich aber um einen von dieser Haftungsbeschränkung ausgenommenen Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.

aa) Der von dem Antragsteller zusammen mit dem (bei dem Unfall zu Tode gekommenen) Herrn E. A. am Unfalltag genommene Weg war nicht ein Betriebsweg, der Teil der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit und damit bereits gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII versicherte Tätigkeit war. Für die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall bei einem in die Haftungsbeschränkung einbezogenen Betriebsweg oder einem von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen "normalen" Weg i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII eingetreten ist, ist entscheidend, ob sich ein betriebliches Risiko oder ein "normales" Risiko verwirklicht hat, das nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu einem Haftungsausschluss gegenüber dem Schädiger führen soll (vgl. dazu auch BGHZ 157, 159). Für die Annahme eines innerbetrieblichen Vorgangs reicht dabei allein der betriebliche Zweck der zum Unfall führenden Fahrt nicht aus. Diese muss vielmehr selbst Teil der betrieblichen Organisation sein und in ihrer Durchführung dadurch geprägt sein. Nur in diesem Fall stellt sich das verwirklichte Risiko als zum Betrieb gehörig dar und hebt sich von den üblichen Risiken des allgemeinen (Straßen)Verkehrs ab (vgl. dazu BGH VersR 1992, 122 f.; 2001, 335 f.; Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 104 SGB VII, Rn. 13; siehe auch Senat, Urteil vom 16. Mai 2002 - 14 U 231/01 ). Das Vorliegen eines Wegeunfalls allein begründet demgegenüber noch nicht die Haftungsbeschränkung des § 105 SGB VII (vgl. Geigel/Kolb a. a. O., Rn. 101 m. w. N.).

bb) Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich bei der zu dem Verkehrsunfall am 24. April 2004 führenden Fahrt nicht um einen innerbetrieblichen Vorgang. Stattdessen liegt (lediglich) ein Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vor. Dafür spricht auch, dass sich der streitbefangene Verkehrsunfall auf der Rückfahrt nach H. ereignete, nachdem der Antragsteller und seine Kollegen dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1, Herrn A. S., bei dessen Umzug und den anfangenden Renovierungsarbeiten in K. geholfen hatten. Nach Beendigung dieser Arbeiten hätte der Antragsteller auch auf einem anderen Weg oder in einem anderen Fahrzeug zurückfahren oder ggf. vorübergehend privat in K. verbleiben können. Für eine unmittelbar anschließende Tätigkeit in H. ist nichts ersichtlich; der 24. April 2004 war zudem ein Samstag.

Demnach hat sich bei dieser Fahrt lediglich das "normale" Straßenverkehrsrisiko verwirklicht. Für dieses hätte der (verstorbene, den Unfall verursachende) Fahrer gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII grundsätzlich selbst einstehen müssen. Eine Haftungsprivilegierung und damit ein gestörter Gesamtschuldnerausgleich scheiden damit aus.

3. Die beantragte Prozesskostenhilfe war demnach in jedem Fall zu bewilligen. Da der Kläger nach den Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen über kein ausreichendes Einkommen verfügt, das eine Ratenzahlung ermöglichen würde, war von der Anordnung einer Ratenzahlung abzusehen.

4. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

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