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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 01.02.2001
Aktenzeichen: 14 W 3/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
BGB § 847 |
2. Feststellungen im Strafverfahren sind für den Zivilprozess nicht bindend.
Beschluss
14 W 3/01 7 O 429/00 LG Verden
In dem Prozesskostenhilfeverfahren
#######,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######
gegen
1. #######,
2. #######,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, des Richters am Oberlandesgericht ####### und des Richters am Amtsgericht ####### am 1. Februar 2000 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 24. November 2000 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe ohne Anordnung einer Ratenzahlung für den angekündigten Klagantrag zu 1, mit dem er die Verurteilung der Antragsgegner zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit begehrt, bewilligt.
Dem Antragsteller wird Rechtsanwältin ####### aus ####### beigeordnet.
Gründe
Der Antragsteller begehrt mit der beabsichtigten Klage u. a. die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer vorgestellten Größenordnung von insgesamt 75.000 DM für die infolge des Verkehrsunfalls vom 1. Februar 1997 erlittenen Gesundheitsschäden.
Der zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls 18jährige Antragsteller erlitt eine Ellenbogenluxations, eine Oberarmschaft und eine Ellenfraktur des rechten Arms sowie eine Sprunggelenksfraktur des linken Beins. Er musste sich infolgedessen zweier Operationen sowie zwei weiterer operativer Eingriffe zur Materialentfernung unterziehen und befand sich elf Wochen in stationärer Behandlung. Es bestand eine 100 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für acht Monate, eine 60 %ige MdE für ca. zehn weitere Monate; seitdem ist er auf Dauer zu 35 % in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Der rechte Arm ist bei beginnender Arthrose erheblich in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Die Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit des rechten Arms beträgt 40 %. Darüber hinaus ist das linke Bein in der Gebrauchstauglichkeit zu 10 % eingeschränkt. Die Antragsgegnerin zu 2 hat bisher einen Betrag von 30.000 DM als Schmerzensgeld gezahlt.
Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe für einen Klagantrag auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 20.000 DM bewilligt, im Übrigen den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil der Antragsteller sich einem Mitverschuldensbeitrag von einem Drittel zurechnen lassen müsse.
Die Beschwerde des Antragstellers, die sich gegen den Beschluss des Landgerichts wendet, soweit der Antrag zurückgewiesen worden ist, hat Erfolg.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Die Haftung der Antragsgegner dem Grunde nach ist unstreitig. Das Landgericht hat aufgrund des vom Antragsteller vorgelegten fachunfallchirurgischen Sachverständigengutachtens ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von insgesamt 75.000 DM für angemessen erachtet. Der Senat teilt diese Einschätzung. Die Begehrensvorstellung des Antragstellers übersteigt auch unter Berücksichtigung der Vergleichsrechtsprechung (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 19. Aufl., Nrn. 2038, 2057) nicht den Rahmen eines angemessenen Schmerzensgeldes i. S. v. § 847 Abs. 1 BGB.
Dabei folgt der Senat insoweit den Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages, der mit zutreffenden Erwägungen eine maßvolle Anhebung der Schmerzensgeldbeträge gefordert sind.
Der Antragsteller braucht sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss nach dem gegenwärtigen Sach und Streitstand kein Mitverschulden anspruchsmindernd zurechnen zu lassen. Die Antragsgegner haben vorgetragen, dass der Antragsteller den Verkehrsunfall dadurch mitverursacht habe, dass er das Fahrzeug als Beifahrer des Antragsgegners zu 1 kurz vor dem Unfall gelenkt habe, als dieser sich während der Fahrt seine Jacke habe ausziehen wollen. Demgegenüber hat der Antragsteller unbestritten vorgetragen, an den Unfall keine Erinnerung zu haben. Seinem Vorbringen ist bei verständiger Würdigung zu entnehmen, dass er die Behauptung der Antragsgegner gleichwohl bestreitet. Dies ist zulässig. Da der Antragsteller selbst nicht in der Lage ist, konkret zum Unfallhergang vorzutragen, darf er zulässigerweise mit Nichtwissen das Vorbringen der Antragsgegner bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Die Antragsgegner, die nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs und Beweislast für ein Mitverschulden des Antragstellers tragen, haben bisher jedoch keinen Beweis für ihre Behauptung angetreten. Dies geht zu ihren Lasten.
Den Antragsgegnern kommen auch nicht die Feststellungen aus dem Urteil des Amtsgerichts Jugendgericht OsterholzScharmbeck vom 11. Juni 1998 (5 Ws 8 Js 4657/97 [2081/98]) in dem gegen den Antragsgegner zu 1 gerichteten Strafverfahren zugute. Das Strafurteil bindet das Zivilgericht nicht (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO). Das Zivilgericht hat sich vielmehr seine Überzeugung grundsätzlich selbst zu bilden. Damit korrespondiert das Recht der Parteien anstelle der Verwertung des strafgerichtlichen Urteils oder der Protokolle über eine Zeugenvernehmung im Wege des Urkundenbeweises eine unmittelbare Beweisaufnahme zu verlangen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 14 EGZPO Rdnr. 2). So liegt es hier. Einer Verwertung des Strafurteils im Wege des Urkundenbeweises ist der Antragsteller erkennbar entgegengetreten. Darüber hinaus ist im Streitfall ferner zu berücksichtigen, dass die Feststellungen im Strafurteil allein auf der Einlassung des in jenem Verfahren angeklagten Antragsgegners zu 1 beruhen. Eine unkritische Übernahme der Einlassung des Antragsgegners zu 1 aus dem Strafverfahren verbietet sich auch im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens allein schon wegen des im Strafprozess geltenden Zweifelssatzes ('in dubio pro reo'), der im Rahmen des Zivilprozesses gerade keine Anwendung findet.
Die beantragte Prozesskostenhilfe war nach den Angaben des Antragstellers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Anordnung eine Ratenzahlung zu gewähren.
Ende der Entscheidung
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