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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 14 W 32/05
Rechtsgebiete: StVO
Vorschriften:
StVO § 9 Abs. 3 | |
StVO § 25 Abs. 3 |
14 W 32/05
Beschluss
In der Beschwerdesache
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 1. August 2005 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 19. September 2005 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe in dem angefochtenen Beschluss zu Recht zurückgewiesen, weil die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass im Ergebnis eine Haftung der Antragsgegner ausscheidet, weil auch die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Antragsgegnerin zu 2 vollständig zurücktritt. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens sieht der Senat ebenfalls keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung.
Den Antragsteller trifft das ganz überwiegende Eigenverschulden an dem streitbefangenen Verkehrsunfall. Er hat sich in der gegebenen Situation grob fahrlässig verhalten. Demgegenüber kann er nicht nachweisen, dass der Antragsgegner zu 3 als Fahrzeugführer des beteiligten Pkw den Unfall fahrlässig (mit)verursacht hat.
1. Der Antragsteller hat eine (auch gerichtsbekannt) stark befahrene, fünfspurige Straße (vgl. polizeil. Skizze Bl. 64 d. A.), die zudem in der Mitte durch eine zweigleisige Straßenbahntrasse unterbrochen wird, im Einmündungsbereich einer weiteren Straße bei durch Regen, Schneefall und Hagel beeinträchtigten Sichtverhältnissen (vgl. Bl. 1 der Bußgeldakte 588.29.037055.5 der Landeshauptstadt Hannover) überqueren wollen, obwohl sich ein durch Lichtsignalanlage gesicherter Fußgängerüberweg nur etwa 20 m entfernt befand (vgl. Bl. 5 der Bußgeldakte). Damit hat der Antragsteller grob gegen die ihn treffende Verpflichtung als Fußgänger gemäß § 25 Abs. 3 StVO verstoßen. Danach müssen Fußgänger bei der Überquerung von Fahrbahnen ampelgeregelte Fußgängerüberwege an Kreuzungen benutzen, wenn die Verkehrslage dies erfordert. Das war hier der Fall, da es sich um eine breite und viel befahrene Straße handelte, die auch wegen der Unterteilung durch das Straßenbahngleis in der Mitte für eine Überquerung durch Fußgänger weder vorgesehen noch geeignet war. Schon deshalb war der Antragsteller verpflichtet, den von der Unfallstelle nur ca. 20 m (nicht - wie die Beschwerde vorgibt - ca. 35 m) entfernten ampelgeregelten Fußgängerübergang zu benutzen (vgl. ausdrücklich BGH, Urteil vom 27. Juni 2000, VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069, 3070).
Außerdem traf den Antragsteller im Verhältnis zu den Antragsgegnern eine erhöhte Sorgfaltspflicht, weil er beim Überqueren der Fahrbahn, auf der der Fahrzeugverkehr Vorrang hat, besondere Vorsicht hätte walten lassen müssen (vgl. BGH a. a. O.; KG, KGR 2002, 366 = VersR 2003, 340). Das gilt umso mehr, als er - wie die Beschwerde zugibt (Bl. 59 d. A.) - den Straßenbereich nicht vollständig überblicken, insbesondere das Fahrzeug des Antragsgegners zu 3 aufgrund der örtlichen Sichtverhältnisse nicht sehen konnte, weil seine Sicht durch diverse geparkte Fahrzeuge eingeschränkt war und er die Straße mit aufgespanntem Regenschirm überquerte, was zusätzlich den Überblick zumindest teilweise eingeschränkt haben muss. Hinzu kommt noch, dass die Straße zum Unfallzeitpunkt nass war (vgl. wiederum Bl. 1 der Verkehrsordnungswidrigkeitenakte).
Der Antragsteller hätte demnach entweder aufgrund mangelnder Übersicht von vornherein davon absehen müssen, an der konkreten Stelle die Fahrbahn zu überqueren, oder aber ab der Straßenmitte so lange nach schräg rechts auch in die Richtung schauen müssen, aus der das Fahrzeug der Antragsgegner kam, bis er eindeutig hätte beurteilen können, dass die Straße insgesamt ausreichend frei ist, um sie gefahrlos überqueren zu können. Auch das kann er nicht hinreichend getan haben, sonst wäre es zu dem Verkehrsunfall nicht gekommen.
Da er jedoch unter den gegebenen Umständen die Straße ohne Nutzung des nahe gelegenen, ampelgeregelten Fußgängerüberwegs überqueren wollte, handelte er grob fahrlässig (vgl. KG a. a. O.).
2. Demgegenüber ist ein Verschulden des Antragsgegners zu 3 nicht festzustellen. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerde traf ihn nicht die besondere Rücksichts- und Wartepflicht gemäß § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO. Die besondere Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO besteht gegenüber Fußgängern, mit denen man zu rechnen hat. Der Antragsgegner zu 3 musste aber nicht damit rechnen, dass von der ihm gegenüberliegenden Fahrbahnseite und abseits des Überwegs aus dem allein für die Straßenbahn angelegten Gleisbereich ein Fußgänger die Straße betritt. Fußgänger, die eine - zumal so breite und viel befahrene - fünfspurige Fahrbahn nur nahe dem Kreuzungs- oder Einmündungsbereich unter Missachtung ihrer Verpflichtung, den nebenan liegenden ampelgeregelten Übergang zu nutzen, überschreiten, verhalten sich unsorgfältig; ein derartiges Verhalten ist nicht so typisch, dass allgemein damit gerechnet werden müsste. Für solche Fußgänger gelten die zu § 25 Abs. 3 StVO entwickelten Regeln (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 9 StVO, Rn. 43 m. w. N.). Gegen diese hat der Antragsgegner jedoch - wie dargelegt - grob verstoßen.
Im Übrigen kann der Antragsgegner nicht beweisen - wie im angefochtenen Beschluss im Einzelnen ausgeführt und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird , dass der Antragsgegner zu 3 beim Einbiegen in die G.straße nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat.
3. Der Antragsteller hat danach den Schaden allein zu tragen (vgl. auch KG a. a. O.). Hinter seinem grobem Eigenverschulden tritt unter den hier vorliegenden Umständen auch die Haftung aus Betriebsgefahr vollständig zurück (vgl. Senat, OLGR Celle 2004, 269 = MDR 2004, 994; KG a. a. O.; Hentschel a. a. O., § 9 StVG, Rn. 13 m. w. N.).
Der beabsichtigten Klage mangelt es nach alledem an der hinreichenden Erfolgsaussicht. Die gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners war entsprechend zurückzuweisen.
4. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Ende der Entscheidung
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