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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 14 W 6/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO §§ 485 ff
GKG §§ 61 ff
1. Bei der Streitwertbemessung für das selbständige Beweisverfahren ist der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung gemäß § 61 GKG geschätzte Wert nicht bindend. Vielmehr hat das Gericht nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers festzusetzen.

2. Ergibt sich im Laufe des Verfahrens aus dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten, dass der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert nicht zutrifft, sind die Feststellungen des Sachverständigen für die Wertfestsetzung maßgebend.

3. Wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären.

4. Stellt der Sachverständige die behaupteten Mängel nicht fest und bestimmt er deshalb keine Beseitigungskosten, ist der Wert nicht mit "Null" anzusetzen, sondern unter Zugrundelegung der Behauptungen zu den Mängeln zu schätzen.

5. Ergeben sich im selbständigen Beweisverfahren keine neuen Erkenntnisse zu den Mangelbeseitigungskosten, bleibt es bei der Einschätzung des Wertes nach den - nachvollziehbaren - Angaben des Antragstellers. eine Gutachtenergänzung bzw. die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Bestimmung des Streitwerts ist nicht angebracht.


14 W 6/08

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Antragstellers vom 27. Dezember 2007 gegen den Streitwertbeschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Dezember 2007 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 5. März 2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gemäß § 68 Abs. 1 i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Die Parteien streiten um den Streitwert eines selbständigen Beweisverfahrens. Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift den Wert der angestrebten Mängelbeseitigung "vorläufig" auf 40.000 EUR geschätzt. Der im Rahmen des Beweisverfahrens beauftragte Sachverständige hat dagegen einen Wert von 21.500 EUR angenommen. Das Landgericht hat dementsprechend den Gegenstandswert auf bis 22.000 EUR festgesetzt. Das greift der Antragsteller mit seiner Beschwerde an. Er ist der Ansicht, die ursprüngliche Einschätzung sei maßgeblich und deshalb der Wert auf 40.000 EUR festzusetzen.

II.

Die Streitwertfestsetzung für das selbständige Beweisverfahren ist umstritten (vgl. ausführlich zum Meinungsstand J. Ulrich, Selbständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen, IBR-Reihe/ibronline.de, Stand 3. März 2008, Teil 10 "Streitwert", Rdnr. 2 ff., m. zahlreichen w. N.. orientierend: Werner/Pastor, Bauprozess, 12. Aufl., Rdnr. 144 ff.. Messerschmidt/Voit/Koenen, Privates Baurecht, Abschnitt S, Rdnr. 154). In der Rechtsprechung ist allerdings seit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 16. September 2004 (III ZB 33/04, NJW 2004, 3488) und 20. April 2005 (XII ZR 92/022, NJW-RR 2005, 1011) die Frage im Kern hinreichend geklärt, so dass auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte - soweit feststellbar - keine wesentliche Divergenz mehr besteht.

Nach Ansicht des Senats sind deshalb hier folgende Grundsätze maßgeblich:

1. Bei der Streitwertbemessung für das selbständige Beweisverfahren ist der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung gemäß § 61 GKG geschätzte Wert nicht bindend. Vielmehr hat das Gericht nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers festzusetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 16. September 2004 - III ZB 33/04, NJW 2004, 3488, jurisRdnr. 18. OLG Schleswig, OLGR 2005, 217, jurisRdnr. 4).

2. Ergibt sich im Laufe des Verfahrens aus dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten, dass der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert nicht zutrifft, sind die Feststellungen des Sachverständigen für die Wertfestsetzung maßgebend (vgl. BGH, Beschl. v. 20. April 2005 XII ZR 92/022, NJW-RR 2005, 1011, jurisRdnr. 9).

3. Wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären (vgl. BGH, Beschl. v. 16. September 2004 - III ZB 33/04, NJW 2004, 3488, jurisRdnr. 18. OLG Stuttgart, BauR 2006, 1033 jurisRdnr. 3. OLG Brandenburg, JurBüro 2007, 315, jurisRdnr. 5 f.. OLG Naumburg, BauR 2008, 144, jurisRdnr. 5).

4. Stellt der Sachverständige die behaupteten Mängel nicht fest und bestimmt er deshalb keine Beseitigungskosten, ist der Wert nicht mit "Null" anzusetzen, sondern unter Zugrundelegung der Behauptungen zu den Mängeln zu schätzen (vgl. OLG Naumburg, BauR 2008, 144, jurisRdnr. 5, 8. Ulrich a. a. O. Rdnr. 4 m. w. N. [Fn. 1585]).

5. Ergeben sich im selbständigen Beweisverfahren keine neuen Erkenntnisse zu den Mangelbeseitigungskosten, bleibt es bei der Einschätzung des Wertes nach den - nachvollziehbaren - Angaben des Antragstellers. eine Gutachtenergänzung bzw. die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Bestimmung des Streitwerts ist nicht angebracht (vgl. OLG Frankfurt, BauR 2007, 921, jurisRdnr. 8).

III.

Diese Grundsätze führen bezogen auf den vorliegenden Fall zu folgender Beurteilung:

Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift die Kosten der Mängelbeseitigung unter Bezug auf ein seitens der ...Versicherung eingeholtes Gutachten des Dipl.-Ing. H. C. über die voraussichtlichen Kosten der Schadensbeseitigung vom 6. Dezember 2005 "vorläufig" mit 40.000 EUR beziffert, weil der Privatsachverständige "nach überschlägiger Ermittlung und bislang vor Ort gesammelten Erkenntnissen" die Sanierungskosten des Flachdaches auf "ca. 25.000 bis 35.000 EUR netto zuzüglich Kosten für erforderliche Fliesenarbeiten von weiteren 5.000 EUR brutto schätzte" (vgl. Bl. 20 d. A.). Diese der Einschätzung in der Antragsschrift zugrundeliegende Bewertung ist aber für die Wertfestsetzung nicht maßgeblich. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige hat die umstrittenen Mängel im Einzelnen begutachtet und eine detaillierte - nicht bloß überschlägige - Kostenschätzung mit Aufgliederung der verschiedenen Mängelbereiche vorgenommen (vgl. S. 14 des Gutachtens vom 24. Juli 2006 und S. 6 und 9 des Ergänzungsgutachten vom 27. November 2006). Dabei hat er die grundsätzlich seitens des Antragstellers behaupteten Mängel bestätigt, jedoch die Kosten für deren Beseitigung niedriger bewertet. Dass die Berechungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen unzutreffend sind, behauptet der Antragsteller nicht. Damit ist - gemäß den oben II 1 und 2 genannten Grundsätzen - die sich nach Einholung des Gutachtens als richtig darstellende Bewertung zugrunde zu legen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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