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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 15 UF 160/06
Rechtsgebiete: EGBGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 224 § 1
EGBGB Art. 224 § 19
EGBGB Art. 224 § 20
Zur Anfechtung der anerkannten Vaterschaft nach kolumbianischem Recht.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

15 UF 160/06

Verkündet am 7. März 2007

In der Familiensache

wegen Vaterschaftsanfechtung

hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brick sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Meyer-Holz und Dr. Schwonberg für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen des Klägers gegen die am 7. Juni 2006 verkündeten Urteile des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover werden zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Gründe:

I. Der Kläger hat die Mutter der Beklagten, eine kolumbianische Staatsangehörige, 1999 in Deutschland kennengelernt, nach ihrer Ausreise mehrmals in Kolumbien besucht und sich schließlich entschlossen, diese Frau und ihre beiden nichtehelichen Töchter ungeklärter Abstammung nach Deutschland zu holen um dort mit ihnen als Familie zusammen zu leben. Am 10. Dezember 2001 hat der Kläger in Kolumbien eine notarielle Urkunde unterzeichnet, wonach er die Vaterschaft zu den Beklagten anerkennt. Am 14. März 2003 haben er und die Kindesmutter in Kolumbien geheiratet. Ende August 2003 kam die Mutter der Beklagten nach Deutschland und brachte dort am 2. September 2003 ihre weitere, nach deutschem Recht als eheliches Kind des Klägers geltende Tochter Maria Camilla zur Welt, um anschließend wieder auszureisen. Mitte Februar 2004 kehrte sie mit allen drei Kindern zurück und zog beim Kläger ein, der sich inzwischen zu diesem Zweck eine größere Wohnung genommen hatte. Etwa 2 Wochen später zog sie mit den Beklagten und dem weiteren Kind wieder aus. Nunmehr stand für den Kläger fest, dass seine Ehefrau sich ihm nur zugewendet hatte, um für sich und ihre Kinder eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu erhalten. Dann ist jeweils rechtskräftig die Ehe geschieden und im Anfechtungsverfahren 624 F 2043/04 AG H. festgestellt worden, dass der Kläger nicht Vater von Maria Camilla ist. Vorliegend ficht der Kläger die Anerkennung zu den Beklagten an; dabei macht er zugleich geltend, die Anerkennung sei unwirksam. Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Urteilen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Mit seiner jeweiligen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter.

II. Die Berufungen sind unbegründet.

1. Die vom Kläger am 10. Dezember 2001 in Kolumbien erklärte Vaterschaftsanerkennung ist wirksam.

a) Die Wirksamkeit beurteilt sich nach kolumbianischem Recht.

Weil die Vaterschaft zu den Beklagten am 1. Juli 1998, d.h. bei Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 noch nicht geklärt war, ist nach der Übergangsvorschrift des Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB das neue Recht anzuwenden, mithin Art. 19 EGBGB (vgl. FamRefK/Wax; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl.; Staudinger/Rauscher, BGB, Neubearbeitung 2003, jeweils Rn 2 zu Art. 224 § 1 EGBGB). Nach der Grundsatzanknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegt die Abstammung der Beklagten dem Recht des Staates, in dem sie im Zeitpunkt der Anerkennung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Würde man noch das alte Recht, d.h. Art. 20 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. anwenden, ergäbe sich hier das gleiche Ergebnis. Denn dann unterläge die Abstammung dem Recht des Staates, dem die Mutter der Beklagten bei der Geburt angehörte.

Die Zusatzanknüpfung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB, nach der die Abstammung im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dessen Heimatrecht bestimmt werden kann, käme vorliegend nur in Betracht, wenn die Anerkennung der Vaterschaft nach Maßgabe des kolumbianischen Rechts unwirksam wäre (vgl. Palandt/Heldrich, a.a.O., Rn 6 zu Art. 19 EGBGB, m.w.N.). Das ist indessen nicht der Fall.

b) Nach Art. 2 S. 1 Gesetz Nr. 45 über Änderungen des Bürgerlichen Rechts (natürliche Kindschaft) vom 5. März 1936 i.d.F. des Gesetzes Nr. 75/68 vom 4. Dezember 1968 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe und Kindschaftsrecht, Länderteil Kolumbien, S. 41) ist die Anerkennung als nichteheliches, d.h. als sog. natürliches Kind unwiderruflich und kann erfolgen: 1. in der Geburtsurkunde, indem sie der Anerkennende unterzeichnet; 2. durch öffentliche Urkunde; 3. in einem Testament; 4. durch Erklärung vor einem Richter.

Die erstinstanzlich eingeholte Rechtsauskunft des Prof. Dr. H. vom 15. Juli 2005 legt (nur) die erste Fallgestaltung zugrunde. Tatsächlich hat der Kläger jedoch die seine Vaterschaft dokumentierenden Geburtsurkunden vom 13. Dezember 2001, deren in spanischer Sprache abgefassten Originale erst in der Berufungsinstanz vorgelegt worden sind, nicht unterzeichnet. Dort ist lediglich jeweils auf die seine Anerkennung der Vaterschaft zu den Beklagten ausweisende notarielle Urkunde Nr. 7798 vom 10. Dezember 2001 hingewiesen. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an. Denn der Kläger hat die Vaterschaft gemäß Art. 2 S. 1 Nr. 2 Gesetz Nr. 45 durch die vorbezeichnete öffentliche Urkunde anerkannt.

c) Der Wortlaut dieser Urkunde ist hinsichtlich der Erklärung des Klägers, die Vaterschaft zu den Beklagten anerkennen zu wollen, eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Dem entsprechend ist der Kläger selber von einer wirksamen Anerkennung ausgegangen. So hat er bei seiner Anhörung im Ehescheidungsverfahren 624 F 2322/04 AG H. am 29. September 2005 zu Protokoll erklärt, er habe "im Dezember 2001 die Kinder als eheliche Kinder anerkannt." In den mit der Berufungserwiderung der Beklagten zu 2. vorgelegten Schreiben an die Ausländerbehörde H. hat der Kläger um Genehmigung der "Familienzusammenführung" nachgesucht und auf seine Versuche, "meine beiden Töchter" in H. zur Schule anzumelden, hingewiesen. Dem entsprechend hat er in der weiteren in Kolumbien errichteten öffentlichen Urkunde vom 18. März 2003 unter Hinweis auf seine Vaterschaft die Kindesmutter bevollmächtigt, die behördlichen Voraussetzungen für die Ausreise der Beklagten herbeizuführen.

Danach kann keine Rede davon sein, dass sich der Kläger wie behauptet aufgrund von Sprachschwierigkeiten der Bedeutung seiner am 10. Dezember 2001 beurkundeten Erklärung nicht bewusst war. Deshalb kann dahinstehen, ob es darauf für die Wirksamkeit der Anerkennung ankäme.

d) Die Mutter der Beklagten hat in der öffentlichen Urkunde vom 10. Dezember 2001 die dort beurkundete Anerkennung ausdrücklich genehmigt, wie sich aus dem Text der von ihr mit unterzeichneten Urkunde ohne vernünftigen Zweifel ergibt ("Que acepta el reconocimiento ...").

Deshalb kann dahinstehen, ob nach kolumbianischem Recht die Genehmigung der Mutter erforderlich ist, wie dies gemäß § 1595 Abs. 1 BGB der Fall ist. Die Regelungen des Gesetzes Nr. 45 über Änderungen des Bürgerlichen Rechts (natürliche Kindschaft) vom 5. März 1936 liefern keinen Anhaltspunkt für ein solches Erfordernis.

e) Danach kommt es wie nach § 1598 Abs. 1 BGB auch nach kolumbianischem Recht für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nur darauf an, ob ihre sachlichen Voraussetzungen nach Inhalt und Form der Erklärung vorliegen. Das ist der Fall. Ob die Anerkennung unrichtig oder wie hier gar bewusst falsch ist, hat auf ihre Wirksamkeit keinen Einfluss. Dem Kläger verblieb darum allein die Möglichkeit, innerhalb der dafür vorgesehenen Frist die von ihm erklärte Anerkennung wegen objektiver Unrichtigkeit anzufechten.

3. Die Anfechtungsfrist ist vorliegend nicht eingehalten.

a) Die Anfechtung der Anerkennung durch den Kläger richtet sich nach kolumbianischem Recht.

Das ergibt sich aus den gemäß Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB anzuwendenden Vorschriften des Art. 20 EGBGB. Nach der Grundsatzanknüpfung des Art. 20 S. 1 EGBGB kann die Abstammung nur nach demjenigen Recht angefochten werden, aus dem sich ihre Voraussetzungen ergeben; das ist hier das kolumbianische Recht, wie oben unter 2. dargelegt. Die Zusatzsatzanknüpfung des Art. 20 S. 2 EGBGB, wonach das am Aufenthaltsort des Kindes geltende Recht maßgeblich ist, gilt nur für eine Anfechtung durch das Kind und kommt vorliegend nicht in Betracht.

b) Die Beklagten sind nach Art. 238 Código Civil (ebenfalls abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe und Kindschaftsrecht, Länderteil Kolumbien, S. 31) durch die am 14. März 2003 erfolgte Eheschließung ipso iure, d.h. ohne dass es eines weiteren Rechtsaktes bedurfte, legitimiert worden, also zu ehelichen Kindern des Klägers und der Kindesmutter geworden. Gemäß Art. 248 S. 1 Nr. 1 Código Civil konnte der Kläger die Legitimation, mithin die Ehelichkeit mit der Begründung anfechten, er könne nicht (biologischer) Vater der Beklagten sein. Nach Art. 248 S. 2 Código Civil war dafür eine Frist von 300 Tagen ab dem Tag einzuhalten, an dem das Interesse des Klägers an der Anfechtung erwachsen ist und er sein Anfechtungsrecht geltend machen konnte.

Diese für die Anfechtung der Ehelichkeit geltende Regelung ist nach Art. 5 des Gesetzes Nr. 75/68 vom 4. Dezember 1968 auch hinsichtlich der Anfechtung einer Anerkennung als natürliches Kind anzuwenden.

Das Interesse des Klägers an einer Anfechtung ist objektiv nicht erst entstanden, als er den Eindruck gewonnen hat, die Kindesmutter wolle mit ihm nicht in einer Familie zusammen leben sondern habe für sich und die Beklagten lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland erhalten wollen. Deshalb ist in Übereinstimmung mit der ergänzenden Rechtsauskunft des Prof. Dr. H. vom 28. März 2006 davon auszugehen, dass die Anfechtungsfrist bereits mit der Vaterschaftsanerkennung am 10. Dezember 2001 begonnen hat. Selbst wenn man stattdessen auf den Eintritt der Legitimation, d.h. den Tag der Eheschließung am 14. März 2003 abstellt, war die Frist von 300 Tagen bei Eingang der Anfechtungsklage am 17. Mai 2004 bereits abgelaufen.

Gleiches würde bei Anwendung deutschen Rechts hinsichtlich der insoweit vorgeschriebenen zweijährigen Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 S. 1 BGB gelten, die gemäß § 1600 b Abs. 1 S. 2 BGB am Tag der Anerkennung, mithin am 10. Dezember 2001 begonnen hätte.

3. Nach alledem bedurfte es der mit der Berufung beantragten Einholung einer erneuten bzw. weiteren Rechtsauskunft nicht mehr.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 704 Abs. 2 ZPO nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Ende der Entscheidung

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