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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: 15 UF 81/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1365 | |
BGB § 1366 | |
BGB § 1368 |
2. Sachverhalt: Die Klägerin und der Streithelfer sind seit dem 21.12.1993 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Im Scheidungsverbundverfahren ist der Streithelfer durch einstweilige Anordnung vom 22.1.1993 zur Zahlung von Kindesunterhalt für den gemeinsamen, minderjährigen Sohn verpflichtet worden. Mit Vertrag vom 2.4.1993 hat der Streithelfer sein Grundstück an die Beklagte, seine Mutter, verkauft; diese ist im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Der Sohn, vertreten durch die allein sorgeberechtigte Klägerin, hat fruchtlos aus dem Unterhaltstitel vollstreckt. Nunmehr begehrt die Klägerin von der Beklagten Zustimmung zur Grundbuchberichtigung und Herausgabe des Grundstücks an den Streithelfer. Sie macht geltend, das Grundstück habe dessen gesamtes Vermögen dargestellt, weshalb der Vertrag ihrer Zustimmung bedurft habe und mangels deren Erteilung unwirksam sei. Die Beklagte tritt dem unter Hinweis auf verschiedene dingliche Belastungen des Grundstücks sowie angebliches weiteres Vermögen des Streithelfers entgegen und wendet ein, die Klägerin habe dem Verkauf zugestimmt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und Klagabweisung.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
15 UF 81/00 38 F 38017/00 AG Hildesheim
Verkündet am 20. Oktober 2000
..., Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Familiensache
####### ,
Beklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######
Streithelfer:
#######,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######
gegen
#######,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ####### -
wegen Abgabe einer Willenserklärung
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. April 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hildesheim geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen, einschließlich der Kosten der Streithilfe.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 894 BGB keinen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung.
Für die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge kommen im Rechtsverhältnis der Parteien allein die §§ 1365 Abs. 1, 1366 Abs. 4, 1368 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen deren Voraussetzungen hier nicht (mehr) vor.
Die Regelung des § 1365 Abs. 1 BGB, wonach die Verfügung eines Ehegatten über sein gesamtes Vermögen oder (nach der erweiternden Auslegung des Gesetzes durch die ständige Rechtsprechung) über im Wesentlichen sein ganzes Vermögen darstellende einzelne Vermögensgegenstände (zu den Kriterien für die Unterscheidung zwischen zustimmungspflichtigen und anderen Vermögensverfügungen vgl. BGH NJW 1991, 1739, bzgl. größerer Vermögen; 1980, 2350, bzgl. kleiner Vermögen) der Zustimmung des anderen Ehegatten bedarf, dient zunächst der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Familiengemeinschaft und darüber hinaus dem weiteren Zweck, den anderen Ehegatten vor der Gefährdung seiner Anwartschaft auf Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes zu schützen (vgl. BGH NJW 1978, 1380, 1381, unter IV.1.b) der Gründe; 1984, 609, 610, unter 2. der Gründe, jeweils m. w. N.; Münchener Kommentar zum BGB (im Folgenden: MüKo)/Koch, 4. Aufl., Rdnr. 1; Staudinger/Thiele, BGB, Neubearbeitung 2000, Rdnr. 2; Erman/Heckelmann, BGB, 10. Aufl., Rdnr 2, jeweils zu § 1365). Bedarf danach die Veräußerung eines Vermögensgegenstandes der Zustimmung des Ehegatten, ist der ohne Zustimmung geschlossene Kaufvertrag gemäß § 1366 Abs. 1 BGB bis zu seiner Genehmigung schwebend unwirksam und wird mit deren Verweigerung gemäß § 1366 Abs. 4 BGB unwirksam. Die sich aus der Unwirksamkeit ergebenden Rechte kann gemäß § 1368 BGB neben dem verfügenden auch der andere Ehegatte gegen den Dritten, z. B. gegen den Käufer, geltend machen.
Ob der zwischen der Beklagten und dem Streithelfer geschlossene Grundstückskaufvertrag vom 2. April 1993 - insbesondere im Hinblick auf bei Vertragsschluss noch valutierende dingliche Belastungen (die den hier maßgeblichen Wert des Grundstücks vermindern würden, vgl. BGH NJW 1980, 2350, 2351, unter I.1.b) der Gründe) - der Zustimmung der Klägerin bedurfte, kann hier ebenso dahinstehen wie die weitere Frage, ob die Klägerin eine eventuell erforderliche Zustimmung (die nicht an eine Form gebunden war, vgl. BGH NJW 1982, 1099, unter 3.c)aa) der Gründe) zumindest konkludent erteilt hat - etwa in den mit Schriftsatz vom 29. September 2000 vorgetragenen Gesprächen im Herbst 1991 oder in den Anwaltsschreiben vom 21. April 1993 und 11. Mai 1993 (wonach die Klägerin im Hinblick auf den Grundstücksverkauf jeweils vom Streithelfer verlangt hat, aus der persönlichen Haftung für die dinglich gesicherten Verbindlichkeiten entlassen zu werden - was auch geschah). Denn unter den gegebenen Umständen kommt ein Anspruch der Klägerin gemäß §§ 1365 Abs. 1, 1366 Abs. 4, 1368 BGB heute nicht mehr in Betracht:
Die erste der oben angeführten Zweckbestimmungen des § 1365 Abs. 1 BGB, zu deren Durchsetzung das in § 1368 BGB statuierte Recht des nicht verfügenden Ehegatten bestimmt ist, kann vorliegend nicht mehr erfüllt werden, weil infolge der rechtskräftigen Ehescheidung keine Familiengemeinschaft mehr existiert und deshalb die das Vermögen des Streithelfers treffende Vinkulierung geendet hat (vgl. Jauernig/Berger, BGB, 9. Aufl., Rdnr. 2 vor § 1365). Denn nach Beendigung des Güterstandes durch Scheidung (§ 1372 BGB) steht allein noch der zweite Zweck des § 1365 Abs. 1 BGB, nämlich der Schutz des anderen Ehegatten vor einer Gefährdung seiner Zugewinnausgleichsforderung, auf dem Spiel (vgl. Staudinger/Thiele, a. a. O., Rdnr. 103 zu § 1365), wohingegen die Sicherung der familiären Lebens- und Vermögensgrundlage keine Rolle mehr spielt (vgl. MüKo/Koch, Rdnr. 31 zu § 1366). Diese grundsätzlich noch verbliebene Schutzfunktion setzt aber voraus, dass sich ein Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich gemäß §§ 1373 ff. BGB und eine Gefährdung dieses Anspruchs durch die Verfügungen des Streithelfers im streitigen Grundstückskaufvertrag vom 2. April 1993 zumindest nicht ausschließen lassen (vgl. BGH NJW 1984, 609, 610, unter 2. der Gründe.; 1978, 1380, 1381, unter IV.1.c) der Gründe). Daran fehlt es. Die Klägerin hat innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1378 Abs. 4 S. 1 BGB keine Ausgleichsforderung geltend gemacht, sodass sich eine solche Forderung (deren sich die Klägerin übrigens nicht einmal berühmt) im Falle ihres tatsächlichen Bestehens auf Dauer rechtlich nicht mehr durchsetzen ließe. Dieser Fall steht demjenigen gleich, in dem eine Zugewinnausgleichsforderung vertraglich ausgeschlossen oder erlassen worden ist (vgl. dazu Staudinger/ Thiele, a. a. O., Rdnr. 104 zu § 1365). Deshalb ist hier der gesamte, doppelte Normzweck des § 1365 Abs. 1 BGB während der Zeit schwebender Unwirksamkeit des Vertrages durch die rechtskräftige Ehescheidung mit der Folge weggefallen, dass dieser Vertrag konvalesziert, d. h. wirksam geworden ist.
Die Klägerin kann somit das von ihr verfolgte Ziel, nämlich das Grundstück für ihren während der Ehe mit dem Streithelfer geborenen, minderjährigen Sohn im Hinblick auf die im Scheidungsverbundverfahren (mit einstweiliger Anordnung vom 22. Januar 1993, 38 F 206/92 AG Hildesheim) titulierte Unterhaltsforderung als Zugriffsobjekt zu erhalten bzw. wiederherzustellen, nicht erreichen. Das hätte allenfalls der Sohn selber gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG a. F. in Verbindung mit §§ 3 Abs. 2, 20 Abs. 1 AnfG n. F. tun können.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1 Hs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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