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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 16 U 3/01
Rechtsgebiete: BGB, BauGB, WertV
Vorschriften:
BGB § 839 | |
BauGB § 192 | |
BauGB § 194 | |
WertV § 3 | |
WertV § 4 |
2. Wertverbessernde Maßnahmen, die von einer individuellen Willensentscheidung und Ausnutzung eines Gestaltungsspielraumes abhängen, hängen nicht unmittelbar mit dem Ist-Zustand zusammen und müssen deshalb von dem Gutachterausschuss bei der Ermittlung des Verkehrswertes gem. § 194 Baugesetzbuch nicht dargestellt und sodann bewertet werden.
16 U 3/01
Verkündet am 4. September 2001
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters ####### und der Richter ####### und ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. November 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 15.000 DM vorläufig abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beide Parteien dürfen Sicherheit auch durch Beibringung einer schriftlichen, unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen und selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen, die Mitglied eines anerkannten Einlagensicherungsfonds ist.
Beschwer der Klägerin: 100.000 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin macht auch nach Klagabweisung durch das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres Vortrages erster Instanz weiter Schadensersatzansprüche gegen das beklagte Land mit der Begründung geltend, das Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises ####### vom 17. Dezember 1997 (Bl. 7 - 30 d. A.) sei amtspflichtwidrig fehlerhaft erstellt.
Der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin, dessen Alleinerbin sie ist, war Eigentümer des Grundstückes ####### in #######, Flur-Nr. #######, Flurstücke: ####### und #######, eingetragen im Grundbuch #######, Bl. #######. Auf dem Flurstück ####### befindet sich ein Wohngebäude; auf dem Flurstück ####### stand eine Doppelgarage; Flurstück ####### wurde ausschließlich als Garten genutzt. Der Ehemann der Klägerin beauftragte im Herbst 1997 den Gutachterausschuss, ein Wertgutachten zu erstellen, um eine Grundlage für beabsichtigte Verkaufsverhandlungen zu erlangen. Der Gutachterausschuss ermittelte den Verkehrswert zum Stichtag 17. Dezember 1997 mit 520.000 DM. In den Gutachten wird darauf hingewiesen, dass es sich um drei zusammenliegende Flurstücksflächen handele, die als wirtschaftliche Einheit zusammen bewertet würden. Auf dem Gesamtgelände sei nach Auffassung des Ausschusses und nach Auskunft der Stadt ####### nach dem Stand der derzeitigen Städtebauplanung eine weitere Wohnbebauung nicht möglich, da nur das Flurstück ####### einen Anschluss an eine öffentliche Straße habe, über das das bebaute Flurstück ####### zu erreichen sei. Das unbebaute Flurstück ####### verfüge über keinen eigenen Straßenanschluss. Demzufolge hat der Gutachterausschuss von der Gesamtfläche 1.000 qm als Wohnbaulandfläche bewertet und im Übrigen für weitere 921 qm Restfläche entsprechend der tatsächlichen Nutzung die Qualität als 'Gartenland' zugrunde gelegt.
Auf der Basis dieses Gutachtens ist eine Veräußerung zum Preis zum 650.000 DM vorgenommen worden.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Gutachterausschuss habe erkennen und berücksichtigen müssen, dass durch Eintragung einer Dienstbarkeit oder Baulast die Erschließung des Flurstückes ####### über die anderen Flurstücke ohne die Mitwirkung Dritter problemlos herstellbar war. Dann aber hätte der Gutachterausschuss einen Verkehrswert von über 688.000 DM ermitteln müssen, was zu einem Verkaufspreis von mindestens 750.000 DM geführt hätte. Jedenfalls aber hätte der Gutachterausschuss nicht klar die Bebaubarkeit verneinen dürfen; dadurch sei der Ehemann der Klägerin davon abgehalten worden, erforderlichenfalls durch zusätzliche Rückfragen die tatsächliche Sach- und Rechtslage zu klären.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das beklagte Land zu verurteilen, ihr 100.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 2000 zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verneint eine Amtspflichtverletzung des Gutachterausschusses, weil dieser auf der Grundlage der bestehenden tatsächlichen Umstände eine zutreffende Bewertung vorgenommen habe. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Gutachterausschusses, Überlegungen darüber anzustellen, wie die tatsächliche und daraus möglicherweise folgende baurechtliche Situation wertverbessernd verändert werden könne. Dies seien unternehmerische Überlegungen, die nur dem Eigentümer zustünden. Die Ausgangsüberlegungen des Gutachterausschusses ergäben sich zwingend aus den Gutachten selbst. Im Übrigen müsse sich die Klägerin den Einwand des Mitverschuldens entgegenhalten lassen. Die Höhe des angeblichen Schadens wird streitig gestellt.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien im Einzelnen in beiden Instanzen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg; sie kann eine Amtspflichtverletzung der Mitglieder des Gutachterausschusses nicht darstellen.
Der Gutachterausschuss ist auf Antrag des Ehemannes der Klägerin tätig geworden, sodass es bei der Erstattung seines Gutachtens im Rahmen der §§ 192 ff. Baugesetzbuch zu seinen Amtspflichten gegenüber dem Antragsteller gehört hat, den Verkehrswert zutreffend zu ermitteln und sein Gutachten nachvollziehbar zu begründen. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvortrages lässt sich nicht feststellen, dass der Gutachterausschuss gegen diese Verpflichtungen verstoßen hat.
§ 194 Baugesetzbuch knüpft bei der Ermittlung des Verkehrswertes an die rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften des Grundstückes zu dem Zeitpunkt an, auf den sich die Ermittlung bezieht. Entscheidend sind also alle Umstände, die im maßgeblichen Zeitpunkt den Wert des Objektes tatsächlich, rechtlich und wirtschaftlich beeinflussen und deshalb im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eine Rolle spielen.
Demzufolge sind fraglos alle Umstände des 'Ist-Zustandes' zu berücksichtigen. Dieser Rechtsstreit wirft die Frage auf, inwieweit auch Entwicklungschancen zwingend zu berücksichtigen sind, die von einer Gestaltungsentscheidung des Eigentümers abhängen.
Aus der Wertermittlungsverordnung folgt zunächst aus § 3 nur, dass die verkehrswertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, die sonstige Beschaffenheit und die Lage des Grundstückes zu berücksichtigen sind. § 4 verlangt für Flächen der Land- und Forstwirtschaft die Prognose, ob auf absehbare Zeit keine Entwicklung zu einer Bauerwartung bevorsteht. Dabei wird Bauerwartungsland als Flächen definiert, bei denen eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwartet werden kann, wobei diese Erwartung aus Darstellungen im Flächennutzungsplan, auf ein entsprechendes Verhalten der Gemeinde und auf allgemeine städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets gegründet werden kann. Daraus lässt sich im Ergebnis nur ableiten, dass die Wertermittlungsverordnung bei der Wertermittlung des 'Ist-Zustandes' auch die Chancen in die Bewertung einfließen lässt, die sich kraft öffentlichen Rechts, dem Verhalten der Gemeinde oder allgemeiner städtebaulicher Entwicklung als tatsächlich gegeben ansehen lassen.
Es unterliegt nach alledem keinem Zweifel, dass der Gutachterausschuss bei der Verkehrswertermittlung auch die Chancen künftiger Nutzung eines Grundstückes bewerten muss, die nach der rechtlichen Lage und den geschilderten Grundsätzen bereits angelegt und gegeben sind.
In diesem Zusammenhang hat der Senat erwogen, zuvor strikt davon festzuhalten, das grundsätzlich keine Beratungspflicht besteht, zumal damit auch ein Haftungsrisiko verbunden ist, dem kein Honorar gegenüber steht, andererseits aber eine Ausnahme zu machen sein könnte, wenn es sich um Umstände handelt, die 'mit den Händen zu greifen' sind (juristisch ausgedrückt: sich geradezu aufdrängen), erkennbar ohne jede rechtliche Schwierigkeit und mit geringen Kosten zu realisieren sind. Eine solche Möglichkeit war z. B. die Bestellug eines Wegerechts mit anschließender Eintragung einer Grunddienstbarkeit. Da jeder Profi diese Chance gesehen hätte, wirkt sie sich auch auf den Verkehrswert aus, denn der gesunde Grundstücksmarkt wäre eben bereit gewesen, für eine solche gefangene Parzelle mehr als den Gartenlandpreis zu zahlen.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um solche Umstände jedoch nicht. Zur Herstellung von Bauland war vielmehr eine Gestaltungsentscheidung des Eigentümers erforderlich, der nämlich eine Anbindung des gefangenen Flurstückes durch Wegerechte, Dienstbarkeiten oder Baulasten herzustellen hatte. Diese Gestaltungsmöglichkeit wäre kostengünstig ohne Mitwirkung Dritter möglich gewesen und konnte ihm also von niemandem verwehrt werden. Dabei lag die Möglichkeit einer solchen gestalterischen Entscheidung relativ nahe; sachkundige Teilnehmer des Grundstücksmarktes konnten problemlos diese Chancen erkennen und damit auch die Möglichkeit wahrnehmen, das Grundstück insgesamt wirtschaftlich effizient zu verwerten. Der Senat hat deshalb erwogen, diese Umstände bereits als solche zu qualifizieren, die den Grundstückswert zum Zeitpunkt des Stichtages beeinflussten. Im Ergebnis folgt der Senat jedoch dem angefochtenen landgerichtlichen Urteil:
Der Ehemann der Klägerin musste wie jeder andere Eigentümer dieses Grundstückes auf der Basis des vorliegenden Gutachtens des Gutachterausschusses rechtliche Beratung einholen, um die rechtlich möglichen Gestaltungsspielräume zu erkennen und sich dann individuell entscheiden, ob von einer der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht werden sollte. Wertverbessernde Maßnahmen, die von einer solchen individuellen Willensentscheidung und Ausnutzung eines Gestaltungsspielraumes abhängen, sind jedoch nicht solche, die unmittelbar mit dem 'Ist-Zustand' zusammenhängen und deshalb von dem Gutachterausschuss bei der Ermittlung des Verkehrswertes gem. § 194 Baugesetzbuch dargestellt und sodann bewertet werden müssen. Im Ergebnis würde der Gutachterausschuss dann nicht nur den gegenwärtigen Wert des Grundstückes feststellen, sondern zusätzlich eine Beratung des Eigentümers über Gestaltungsmöglichkeiten vornehmen. Dies ist aber nicht seine Aufgabe, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass im vorliegenden Fall insofern ein Grenzfall diskutiert werden könnte, als die 'Beratungsleistung' nur minimales Gewicht bei der sich aufdrängenden Möglichkeit der Nutzung rechtlicher Spielräume hatte.
Der Gutachtenausschuss hat den Ehemann der Klägerin auch hinreichend über seine Anknüpfungstatsachen unterrichtet, also das Gutachten hinreichend begründet, weil sich die Anknüpfungstatsachen im Einzelnen tatsächlich aus dem vorliegenden Gutachten ergeben. Darauf hebt auch die Berufungsantwort (Bl. 132 f. d. A.) zutreffend ab.
Die Festsetzung auf S. 14 oben des Gutachtens, eine weitere Wohnbebauung sei im Bereich der drei Flurstücke nicht möglich, ist ungeachtet der Frage, ob die Auskunft der Stadt ####### richtig abgefragt worden ist - was diese bestreitet (Bl. 83 f. d. A.) -, zutreffend; die Begründung dafür wird nachvollziehbar in anderem Zusammenhang benannt, indem auf S. 6, 7 dargestellt wird, dass das Flurstück ####### keinen eigenen Straßenanschluss hat, und S. 13, 23 die tatsächliche Nutzung als Gartenland in Bezug genommen wird. Damit ist der Ist-Zustand hinreichend und inhaltlich richtig beschrieben worden, auf dem die Bewertung beruht. Eine intensivere Erläuterung wäre dann bereits eine Beratungsleistung, die dem Gutachterausschuss nicht zusteht.
Unter diesen Umständen musste die Berufung mit dem Ergebnis der Klagabweisung zurückgewiesen werden. Der Senat hatte keine Veranlassung, die Frage eines Mitverschuldens auf Klägerseite zu diskutieren. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass gegen die Höhe des geltend gemachten Schadens erhebliche Bedenken bestehen. Der Käufer hat unstreitig 130.000 DM mehr als den festgesetzten Verkehrswert bezahlt, wobei es deshalb naheliegt, dass er die Möglichkeiten der baurechtlichen Gestaltung bereits erkannt und honoriert hat. Der Vortrag der Klägerin zu einer Vermarktungsmöglichkeit zum Preis von 750.000 DM ist dünn; es erscheint zweifelhaft, ob der entsprechende Vortrag bewiesen werden könnte. Dies kann aber letztlich offen bleiben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 ZPO (Kosten), §§ 708 Nr. 10, 713, 109 ZPO (Vollstreckbarkeit) und § 546 Abs. 2 ZPO (Beschwer).
Ende der Entscheidung
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