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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: 16 W 13/05
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 60 Abs. 1 S. 1
InsO § 179
InsO § 180 Abs. 2
Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzerwalters erfordert, dass der Insolvenzverwalter bei der Entscheidung, ob Widerspruch einzulegen ist, beachtet, dass gemäß §§ 179, 180 Abs. 2 InsO ein bei einem anderen Gericht anhängiger Feststellungsrechtsstreit aufgenommen werden kann. Bei der Führung eines Prozesses sind daher die Erfolgsaussichten gegen die Risiken, insbesondere das Risiko eines Kostenerstattungsanspruches des Gegners im Unterliegensfall, abzuwägen. Hierbei treffen den Insolvenzverwalter unter Umständen weitergehende Abwägungspflichten als das Gericht im Rahmen der Prozesskostenhilfeentscheidung vornehmen kann.
16 W 13/05

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter ... und die Richter ... und ... am 18. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 23. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 10.474,94 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.474,94 EUR.

Über das Vermögen des Antragstellers wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim am 13. Juni 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner als Insolvenzverwalter bestellt. Die ...Bank GmbH meldete eine Forderung aus einem Darlehensvertrag in Höhe der jetzt geltend gemachten Klagsumme zur Insolvenztabelle an. Bereits im Insolvenzantrag und auch im Rahmen eines Gespräches am 2. Juli 2002 hatte der Antragsteller den Antragsgegner bzw. einen Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass er diese Forderung bestreite. Für eine beim Landgericht München I (Az. 22 O 3460/02) anhängige negative Feststellungsklage in Bezug auf diese Forderung wurde dem Antragsteller mit Beschluss vom 14. Juni 2002 Prozesskostenhilfe gewährt, worüber er den Antragsgegner informierte.

Im Prüfungstermin am 9. September 2002 erschien für den Antragsteller eine Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten und bestritt die Forderung eines weiteren Gläubigers, nicht aber die der ...Bank. Der Antragsgegner erhob ebenfalls keinen Widerspruch. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens zahlte er die streitgegenständliche Summe, nach einem Zufluss von 33.021,74 EUR im Februar 2003, an die ...Bank, die eine Rückzahlung an den Antragsteller mit Hinweis auf die Rechtskraftwirkung der Feststellung gemäß § 201 Abs. 2 InsO verweigert. Das Insolvenzverfahren ist mittlerweile gemäß § 212 InsO eingestellt.

Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner habe die Forderung der ...Bank trotz massiver Hinweise auf die fehlende Berechtigung ohne Prüfung zur Tabelle festgestellt. Er ist der Ansicht, der Antragsgegner habe damit schuldhaft eine Pflicht verletzt und sei zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Durch die Gewährung der Prozesskostenhilfe beim LG München I sei die Erfolgsaussicht des Feststellungsrechtsstreits deutlich geworden. Die ...Bank habe sich der Forderung zu Unrecht berühmt, da sein Vater, M. P., den Vertrag unberechtigt unter seinem Namen abgeschlossen habe.

Der Antragsgegner beruft sich darauf, dass es keine Hinweise gegeben habe, die ...Bank hätte ihre Forderung zu Unrecht angemeldet. Aufgrund der Sach und Rechtslage habe er vom Bestreiten der Forderung abgesehen. Ein Rechtsstreit habe nach seiner Prüfung unter Berücksichtigung der Beweislage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, da auf Seiten des Antragstellers nur dessen Vater als Zeuge für eine Fälschung zur Verfügung stand und die Gegenseite den Verkäufer M. benannt hatte, der den Antragsteller eindeutig erkannt haben will. Zudem seien in der Insolvenzmasse keine ausreichenden Mittel zur Führung des Rechtsstreits vorhanden gewesen.

Das Landgericht Hildesheim hat durch Beschluss vom 23. Dezember 2004 (Bl. 108 d. A.) dem Antragsteller die beantragte Prozesskostenhilfe verweigert. Die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da dem Antragsgegner durch die Feststellung der Forderung zur Tabelle zwar ein schuldhaftes Fehlverhalten vorzuwerfen sein dürfte, jedoch ein überwiegendes Mitverschulden des Antragstellers gemäß § 254 BGB vorliege, da er im Prüfungstermin nicht gemäß §§ 176, 178 InsO widersprochen habe.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht Hildesheim hat die Erfolgsaussichten der Klage zu Recht verneint. Die Voraussetzungen der Bewilligung gemäß § 114 ZPO liegen nicht vor.

Nach dem bisherigen Sach und Streitstand steht dem Antragsteller kein Schadensersatzanspruch gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 InsO zu. Eine Pflichtverletzung des Antragsgegners ist nicht ersichtlich.

Die Behauptung des Antragstellers, der Antragsgegner habe ohne Prüfung gehandelt, ist für die Annahme einer Pflichtverletzung als nicht hinreichend substantiiert anzusehen. Der Antragsgegner hat demgegenüber detailliert und nachvollziehbar vorgetragen, dass und in welchem Umfang er die Erfolgsaussichten hinsichtlich dieser Forderung geprüft hat.

Es stellt keine Pflichtverletzung dar, dass der Antragsgegner im Prüfungstermin am 9. September 2002 keinen Widerspruch gegen die Forderung der ...Bank GmbH erhoben hat. Der Insolvenzverwalter hat bei seiner Tätigkeit gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 InsO die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters zu beachten. Bei der Entscheidung, ob Widerspruch einzulegen ist, musste der Antragsgegner danach beachten, dass gemäß §§ 179, 180 Abs. 2 InsO der beim Landgericht München I anhängige Feststellungsrechtsstreit aufgenommen werden konnte. Bei der Führung eines Prozesses sind die Erfolgsaussichten gegen die Risiken, insbesondere das Risiko eines Kostenerstattungsanspruches des Gegners im Unterliegensfall, abzuwägen. Hierbei treffen den Insolvenzverwalter unter Umständen weitergehende Abwägungspflichten als das Gericht im Rahmen der Prozesskostenhilfeentscheidung. Wegen dieses unabhängigen Prüfungsmaßstabes konnte die Entscheidung des LG München I, die wegen § 240 ZPO ohnehin unwirksam war, für den Antragsgegner allenfalls ein Kriterium unter mehreren sein. Er musste selbständig die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung der Beweislage und des Kostenrisikos beurteilen. Hierbei ist ihm im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Dass er die Abwägung im vorliegenden Fall pflichtwidrig getroffen hat, ist nicht ersichtlich. Es bestand eine schwierige Beweislage für den Antragsteller, der sich darauf berief, den Darlehensvertrag habe sein Vater in betrügerischer Absicht unter seinem Namen abgeschlossen. Demgegenüber hatte die ...Bank GmbH den Verkäufer des finanzierten Pkw als Zeugen dafür benannt, dass der Antragsteller den Vertrag persönlich geschlossen habe. Zum Zeitpunkt des Prüfungstermins waren zudem in der Insolvenzmasse keine ausreichenden Geldmittel für die Prozessführung vorhanden.

Zudem folgt allein aus der Angabe des Antragstellers, er wolle sich gegen die Forderung verteidigen, noch keine Pflicht des Antragsgegners, seinerseits Widerspruch zu erheben. Es besteht lediglich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Prüfung, welcher der Antragsgegner nachgekommen ist.

Der Insolvenzschuldner hat durch das Widerspruchsrecht gemäß §§ 178 Abs. 1 S. 2, 201 Abs. 2 S. 1 InsO eine vom Vorgehen des Insolvenzverwalters unabhängige Möglichkeit, sich gegen Forderungen der Insolvenzgläubiger zu verteidigen. Dies hat der im Insolvenzverfahren anwaltlich vertretene Antragsteller, der auch vom Prüfungstermin am 9. September 2002 Kenntnis hatte, in grober Missachtung seiner eigenen Obliegenheiten (§ 254 BGB) nicht getan. Der Antragsteller bzw. sein Anwalt, dessen Verhalten der Antragsteller sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, musste aufgrund des Prüfungstermins damit rechnen, dass die angemeldete Forderung - wie auch diejenige der A. - zur Tabelle festgestellt werde. Die Rechtskraftwirkung hätte er durch Widerspruch im Prüfungstermin verhindern können, § 201 Abs. 2 InsO. Darin liegt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - ein gravierendes Mitverschulden, das jedenfalls einem Anspruch auf Schadensersatz entgegensteht.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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