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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 15.04.2002
Aktenzeichen: 16 W 22/02
Rechtsgebiete: EMRK


Vorschriften:

EMRK Art. 5 Abs. 5
Die auf Schmerzensgeld in Anspruch genommene Körperschaft trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Schadenseintritt im Falle rechtmäßigen Alternativverhaltens.
16 W 22/02

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 15. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Amtsgericht ####### beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 21. Februar 2002, dieser in Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 15. März 2002, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt ####### , Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit der beabsichtigten Klage einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von nicht mehr als 510 € geltend macht.

Im Hinblick auf das darüber hinausgehende Klagebegehren wird der Antrag abgelehnt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und zulässig (§§ 567 Abs. 1, 569 ZPO). In der Sache hat sie zum Teil Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert ein Anspruch des Antragstellers gegen die Stadt ####### auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 5 Abs. 5 EMRK nicht daran, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens kein Schaden entstanden sei. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hier der Schutzzweck der verletzten Norm diesen Einwand grundsätzlich erheblich erscheinen lässt oder nicht. Denn bejahendenfalls müsste die Stadt ####### als Antragsgegnerin und potentielle Beklagte darlegen und beweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre (vgl. Palandt, ZPO, 60. Aufl., Vorbem. vor § 249, Rn. 107 m. w. N.). Dieser Darlegungs- und Beweislast genügt sie mit ihrem bisherigen Vorbringen nicht.

Soweit sie vorträgt, dass sie im Falle rechtmäßigen Alternativverhaltens die Rückverlegung des Antragstellers in den Bereich der zuständigen Ausländerbehörde, des Landkreises ####### , betrieben hätte, lässt dies noch keinen zwingenden Schluss auf die damit verbundene Fortdauer der Abschiebehaft zu. Jedenfalls mangelt es an jedwedem Vorbringen zu dem unterstellten hypothetischen Verlauf. Auch die Behauptung, die Abschiebehaft wäre ebenfalls bis mindestens zum 9. Februar 2001 aufrechterhalten worden, wenn sie den Antragsteller der Botschaft von ####### vorgeführt hätte, ist durch nichts begründet und mangels Beweisangebot auch keiner Nachprüfung zugänglich.

2. Ein Schadensersatzanspruch des Antragstellers entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens. Unabhängig davon, dass unstreitig ursprünglich die Voraussetzungen der Abschiebehaft vorgelegen haben, trifft den Antragsteller jedenfalls keine Verantwortung für das Entfallen dieser Voraussetzungen. Die Stadt ####### allein hat durch ihr Untätigsein die Ursache für die Rechtswidrigkeit der Haftfortdauer gesetzt; eine Mitschuld des Antragstellers, der im Gegenteil bereits am 22. Januar 2001 seine sofortige Freilassung beantragte, ist insofern nicht ersichtlich.

3. Das vom Antragsteller als angemessen betrachtete Schmerzensgeld ist jedoch zu hoch bemessen. Der vorliegende Sachverhalt ist mit demjenigen, der der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des OLG Oldenburg (VersR 1991, 306) zugrunde lag, nicht vergleichbar. Dort ging es um die Einweisung in die geschlossene Abteilung eines Landeskrankenhauses, mithin um eine Maßnahme, die ungleich schwerer in den Lebens- und Rechtskreis des Betroffenen eingreift als es bei der Abschiebehaft der Fall ist. Dies gilt sowohl für das subjektive Empfinden des Betroffenen als auch für den damit für ihn verbundenen "gesellschaftlichen Makel". Hinzu kommt, dass jedenfalls der erste Teil der Abschiebehaft unstreitig rechtmäßig war, sodass der Antragsteller seiner Anspruchstellung nicht die Inhaftierung, sondern lediglich die Fortdauer der Haft zugrundelegen kann.

Der Senat hält unter diesen Umständen ein Schmerzensgeld von nicht mehr als 30 € pro Tag, mithin 510 € für 17 Tage, für angemessen und ausreichend.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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