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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 16 W 90/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 348 Abs. 4
ZPO § 348a Abs. 3
Nach § 348 Abs. 4 ZPO (und § 348 a Abs. 3 ZPO) unterliegt die erfolgte oder unterlassene Vorlage an oder Übernahme durch die Zivilkammer nicht der sofortigen Beschwerde.

Auch eine außerordentliche Beschwerde kommt nicht in Betracht, weil es an einer Regelungslücke fehlt.


16 W 90/05

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter Dr. W. sowie die Richter Dr. S. und V. am 18. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Die außerordentliche Beschwerde des Beklagten vom 4. August 2005 gegen die Verfügung des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 11. Juli 2005 wird auf seine Kosten verworfen.

Beschwerdewert: bis 300 EUR.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 4. Januar und nochmals vom 7. Juli 2005 hat der Beklagte die Vorlage des Rechtsstreits an die Zivilkammer zur Übernahme gemäß § 348 Abs. 3 Nr. 1, 2 ZPO beantragt. Mit Verfügung vom 11. Juli hat der Einzelrichter mitgeteilt, dies komme nicht in Betracht, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweise und auch keine grundsätzliche Bedeutung habe (Bl. 229 d. A.).

Hiergegen richtet sich die außerordentliche Beschwerde, mit der die Anweisung an den Einzelrichter begehrt wird, die Sache der Zivilkammer zur Prüfung der Übernahme vorzulegen (Bl. 248 f. d. A.).

II.

Die außerordentliche Beschwerde ist nicht zulässig und deshalb ohne Sachprüfung zu verwerfen.

Die von der Rechtsprechung in der Vergangenheit gegen Entscheidungen, die nach dem Gesetz unanfechtbar sind, in Ausnahmefällen zugelassene außerordentliche Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzwidrigkeit" war schon früher nur in engen Grenzen zulässig, nämlich auf "wirkliche Ausnahmefälle krassen Unrechts" beschränkt, in denen die Entscheidung "mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist" (Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 567, Rn. 15 m. Rspr.Nachw.).

Mit seiner Entscheidung vom 7. März 2003 hat der BGH mit der außerordentlichen Beschwerde gebrochen (BGHZ 150,133 = NJW 2002,1577 = MDR 2002,901). Er sieht diese auch in Fällen krass unrichtiger Entscheidungen nicht mehr als eröffnet an; zulässig ist danach nur die Gegenvorstellung. Dieser Rechtsprechung haben sich auch das BVerwG (NJW 2002, 2657) und der BFH (NJW 2003, 919; 1344; auch 2004, 2854) angeschlossen. Auch die Oberlandesgerichte lassen, soweit ersichtlich einheitlich, die außerordentliche Beschwerde nicht mehr zu (OLGR Celle 2002, Frankfurt NJWRR 2003, 140; Hamm MDR 2003, 296; Karlsruhe Report 2003, 225; KG MDR 2002, 1086; Köln Report 2003, 35; Rostock Report 2003, 120). Auch der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (OLGR Celle 304; 2003, 113). Sie steht auch im Einklang mit dem Plenarbeschluss des BVerfG vom 30. April 2003 (NJW 2003, 1924). Danach widersprechen die von der Rechtsprechung außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffenen "außerordentlichen Rechtsbehelfe" dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. auch Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., vor § 567, Rn. 7 f.).

Auch im vorliegenden Fall ist danach die außerordentliche Beschwerde unzulässig und deshalb ohne Prüfung in der Sache zu verwerfen.

Der Senat sieht für den vorliegenden Fall keinen Anlass, von seiner geänderten ständigen Rechtsprechung, wonach die außerordentliche Beschwerde nicht zulässige ist, wieder abzurücken, zumal in § 348 Abs. 4 ZPO ausdrücklich klargestellt ist, dass ein Rechtsmittel gegen die unterlassene Vorlage oder Übernahme eines Rechtsstreits ausgeschlossen ist, es also an einer Regelungslücke fehlt. Eine außergesetzliche Anfechtungsmöglichkeit hat aber "nur dort eine Daseinsberechtigung, wo die angefochtene Entscheidung ihrer Art oder ihrem Inhalt nach dem Gesetz fremd ist; denn gegen Entscheidungen, die der Gesetzgeber nicht in Betracht gezogen hat und mit denen vernünftigerweise nicht zu rechnen ist, bietet das gesetzliche Rechtsmittelsystem nicht in jedem Falle ausreichenden Schutz. Verlässt das Gericht mit der Entscheidung den gesetzlichen Rahmen, so kann die Anfechtung nicht daran scheitern, dass innerhalb dieses Rahmens ein Rechtsmittel nicht vorgesehen ist. Für derartige Fälle kann einem außerordentlichen Rechtsmittel auch nicht das Gebot der Rechtsmittelklarheit entgegengehalten werden" (Musielak, a. a. O., Rn. 17).

Der ausdrückliche Ausschluss von Rechtsschutzmöglichkeiten durch § 348 Abs. 4 ZPO ist auch sachgerecht und in verfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich. Denn durch ein Beschwerdeverfahren, dies zeigt der vorliegende Fall, wird die Erledigung des eigentlichen Rechtsstreits in der Sache verzögert und werden zugleich die Rechtsmittelgerichte belastet. Demgegenüber ist der ausreichende Rechtsschutz der Parteien bereits dadurch gewährleistet, dass nach Abschluss der ersten Instanz - freilich in den Grenzen der §§ 511 ff. ZPO - eine Überprüfung des vom Einzelrichter gefällten Urteils und dadurch auch eine Korrektur von Fehlern möglich ist, die darauf beruhen mögen, dass der Einzelrichter in Verkennung der Schwierigkeiten eines Falles auf den Beistand seiner Kammerkollegen verzichtet hat.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 und § 3 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die Verneinung der Zulässigkeit außerordentlicher Rechtsbehelfe, wie dargelegt, bereits gefestigter Rechtsprechung des BGH, anderer Bundesgerichte sowie der Oberlandesgerichte entspricht.

Ende der Entscheidung

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