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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 17 UF 70/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115
Zur Angemessenheit eines Hausgrundstücks im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
17 UF 70/08

Beschluss

In der Familiensache

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 16. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie durch die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Der Streitwert in der Berufungsinstanz übersteigt nicht 30.000 EUR.

Gründe:

Die Klägerin erfüllt nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Ihr ist es zuzumuten, die bei einem Streitwert von bis zu 30.000 EUR nach dem Kostenvoranschlag für Prozesskostenhilfe (Anlage zu Nr. 1.3 DBPKHG) in der Berufungsinstanz voraussichtlich entstehenden Gerichts und Anwaltskosten in Höhe von 3.910 EUR aus ihrem Vermögen aufzubringen (§ 115 Abs. 3 ZPO).

Denn die Klägerin ist gehalten, sich die zur Prozessführung erforderlichen Mittel durch Veräußerung oder Belastung des in ihrem Alleineigentum stehenden Einfamilienhauses H####### zu verschaffen.

1. Diese Immobilie ist - auch wenn sie von der Klägerin und von zweien ihrer Kinder selbst bewohnt wird - nicht als sogenanntes Schonvermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt. Anknüpfend an die Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG darf nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB die Gewährung von Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden von dem Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, welches von dem Hilfesuchenden allein oder mit einem Angehörigen bewohnt wird. Die Angemessenheit bestimmt sich unter anderem nach der Zahl der Bewohner, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes.

2. Das wichtigste objektivierbare Kriterium stellt dabei die Größe der Wohnfläche dar. Zur Bestimmung einer angemessenen Größe verwies § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG bis zum 31. Dezember 2001 ausdrücklich auf die für die soziale Wohnraumförderung maßgeblichen Wohnflächengrenzen von § 39 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Unter der Geltung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes lag der Grenzwert für ein Familienheim zur Unterbringung eines Vierpersonenhaushalts bei 130 qm, wobei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer geringeren Personenzahl eine Reduzierung um jeweils 20 qm pro Person vorzunehmen war (vgl. OVG Lüneburg NJW 1995, 3202, 3203. VGH München Beschluss vom 24. Februar 1999 - 12 ZE 99.87 - veröffentlicht bei juris. vgl. auch OLG Karlsruhe FuR 2001, 31, 32).

Nach dem Außerkrafttreten des Zweiten Wohnbaugesetzes regelt nunmehr das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13. September 2001 (BGBl. I, S. 2376) die soziale Wohnraumförderung. Das Wohnraumförderungsgesetz enthält keine eigenen Bestimmungen über Grenzwerte, sondern verpflichtet die Bundesländer in § 10 Abs. 1 WoFG dazu, eigene Ausführungsbestimmungen über die Grenzen für Wohnungsgrößen zu treffen. In Niedersachsen richten sich die Grenzwerte für angemessene Wohnungsgrößen nach Ziffer 11.3 der Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen vom 27. Juni 2003 (NdsMBl. 2003, 580), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 19. Oktober 2006 (NdsMBl. 2006, 973). Danach gelten bei Eigentumsmaßnahmen für einen Haushalt von drei bis fünf Personen Wohnflächen bis zu 130 qm noch als angemessen.

Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob sich die Wohnflächengrenzen weiterhin an dem außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes orientieren können (vgl. zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II: BSG Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 2/05 R - NZS 2007, 428, 429 ff. = FamRZ 2007, 729 [LS]) oder ob die Grenzwerte aus den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen sind. In jedem Fall stellt ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von (mindestens) 140 qm für einen Dreipersonenhaushalt im Hinblick auf die Wohnfläche keinen angemessenen Wohnraum mehr dar.

3. Auch soweit kein Schonvermögen betroffen ist, darf die Sozialhilfe nach § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 3 SGB XII nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den Hilfesuchenden und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde, was insbesondere dann der Fall ist, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Auch nach diesen Maßstäben steht dem Einsatz des Einfamilienhauses zur Bestreitung der Prozesskosten keine Hinderungsgründe entgegen.

a) Die Klägerin hat zum Verkehrswert des Hausgrundstückes in ihrer Prozesskostenhilfeerklärung keine Angaben gemacht. Aus der Akte ergibt sich indessen, dass es sich um einen Neubau aus den Jahren 2006/2007 handeln dürfte, dessen Baukosten allein mit 126.000 EUR ins Gewicht gefallen sind. Da die Immobilie praktisch lastenfrei ist, wird ein zur Deckung der voraussichtlichen Verfahrenskosten allemal hinreichender Veräußerungserlös zu erwarten sein.

b) Der Einsatz einer selbstgenutzten, aber nicht als Schonvermögen geschützten Immobilie ist auch für sich genommen nicht grundsätzlich unzumutbar. Dies gilt auch deshalb, weil der Hilfesuchende, der sein Grundeigentum nicht veräußern möchte, auch bei Selbstnutzung der Immobilie darauf verwiesen werden kann, sich die zur Prozessführung erforderlichen Mittel durch Kreditaufnahme unter Belastung des Grundstückes zu beschaffen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom 21. Februar 2008 - 17 WF 16/08 - und vom 2. Juni 2008 - 17 WF 67/08) nur auf die allgemeine Kreditwürdigkeit des Hilfesuchenden an, nicht aber darauf, ob die voraussichtlichen Kreditraten pro Monat geringer sind als die nach der Tabelle zu § 115 ZPO errechneten Raten. Denn durch die Vorschriften über das Schonvermögen soll nur die Erhaltung bescheidener Wohnverhältnisse, nicht aber der Vermögenswert als solcher geschützt werden. es gibt deshalb keinen Anlass, die Zumutbarkeit des Einsatzes von Grundvermögen gegenüber anderen Vermögensgegenständen im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Hilfesuchenden grundlegend anders zu beurteilen (vgl. ebenso Bayerischer VGH Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 9 C 06.2361 - veröffentlicht bei juris. OLG Koblenz MDR 2002, 904 und FamRZ 2005, 468 [LS]. Zimmermann, Prozesskostenhilfe 3. Aufl. Rdn. 146). An der allgemeinen Kreditwürdigkeit der Klägerin bestehen keine durchgreifenden Zweifel.

Ende der Entscheidung

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