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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 19.05.2003
Aktenzeichen: 17 W 40/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 57
Die Abänderbarkeit einer Entscheidung über die Verlängerung der Abschiebungshaft kann auch bei unveränderter Sachlage erfolgen, da die Entscheidung nur der formellen, nicht aber der materiellen Rechtskraft fähig ist.
17 W 40/03

Beschluss

In der Abschiebehaftsache

pp.

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B#######, die Richterin am Oberlandesgericht M####### und den Richter am Oberlandesgericht V####### am 19. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 30. April 2003 wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. April 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Betroffenen an das Landgericht zurückverwiesen, welches auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.

2. Für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde wird dem Betroffenen unter Beiordnung von Rechtsanwalt F####### in Hannover Prozesskostenhilfe bewilligt.

3. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

Gründe:

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 30. Oktober 2002 (AZ.: 33 XIV 148/02; Bl.5 d.A.) ist gegen den Betroffenen Abschiebehaft angeordnet worden. Gleichzeitig hat das Amtsgericht die Entscheidungen über die Fortdauer dem Amtsgericht übertragen, in dessen Bezirk die Abschiebehaft vollzogen wird. Der Betroffene befindet sich inzwischen in der JVA HannoverLangenhagen.

Auf Antrag der Beteiligten vom 10. Januar 2003 (Bl.1 d.A.) hat das Amtsgericht Hannover mit Beschluss vom 16. Januar 2003 (Bl.19 d.A.) die Abschiebehaft um drei Monate verlängert. Unter dem 19. Februar 2003 (Bl.32 d.A.) beantragte der Betroffene seine Haftentlassung, da mit seiner Abschiebung nicht innerhalb des Haftzeitraums zu rechnen sei. Mit Beschluss vom 13. März 2003 (Bl.91) hat das Amtsgericht Hannover diesen Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom gleichen Tag (Bl.99 d.A.) hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Hannover mit Beschluss vom 15. April 2003 (Bl.132 d.A.) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz von 30. April 2003 erhobene weitere sofortige Beschwerde (Bl.144 d.A.).

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und im Übrigen auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, 3 Satz 2 FEVG, 27 Abs. 1 FGG). Sie führt insoweit zum Erfolg, als die Entscheidung des Landgerichts Hannover aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist, da die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550, 575 ZPO) beruht.

Zu Recht beanstandet der Betroffene, dass die Entscheidung des Landgerichts daran leidet, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgericht Hannover vom 16. Januar 2003 ausgeht und aus diesem Grund - insoweit folgerichtig - auch nur den Zeitraum ab Erlass des Beschlusses betrachtet. Nach der ganz überwiegenden Meinung unterliegen Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen zwar der formellen Rechtskraft, einer materiellen Rechtskraft sind sie jedoch nicht fähig (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 96, 40; Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl., § 31, Rdnr. 22; Marschner in Marschner/Volckart, 4.Aufl., § 10 FEVG, Rdnr. 2), so dass ihre Abänderbarkeit sowohl auf eine unveränderte Sachlage oder auf neue Tatsachen gestützt werden kann.

Vor diesem Hintergrund reichen die vom Landgericht angesichts des auch im Beschwerdeverfahren (vgl. Keidel/ Kuntze/Winkler, 15. Aufl., § 12 Rdnr.63) geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes angestellten Ermittlungen des Landgerichts noch nicht aus. Für die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Haftfortdauer kommt es entscheidend darauf an, ob und in welchem Maß die Verzögerung auch auf Gründen beruht, die der Betroffenen nicht selbst zu vertreten hat (BGH NJW 1996, 2796,2797). Die nach Aktenlage bestehende Unklarheit, ob die Ausländerbehörde die zur Abschiebung notwendigen Anstrengungen in der erforderlichen Eile unternommen hat, ist mit dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen noch nicht ausgeräumt. Insbesondere ist nicht erkennbar, warum erneut (vgl. Aussage des Zeugen R, Bl.130 d.A.) von einer Verfahrensdauer für die Beschaffung von Passersatzpapieren von drei Monaten gesprochen wird, obwohl doch seit der Beantragung dieser Papiere, die Anfang November 2002 erfolgt sein soll, bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts nahezu 5 Monate vergangen sind und die Passersatzpapiere damals immer noch nicht vorlagen.

Weiterhin ist dem Betroffenen darin zuzustimmen, dass die Feststellung des Landgerichts, dieser habe die eingetretene Verzögerung auch deswegen selbst zu vertreten, weil er selbst Passpapiere habe beantragen können, so nicht frei von Rechtsfehlern ist. Ganz unabhängig von den diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung der weiteren sofortigen Beschwerde ist anzumerken, dass sich aus dem bisherigen Akteninhalt kein Hinweis darauf ergibt, dass die vietnamesischen Behörden derartige Anträge ihrer Bürger schneller bearbeiten als die Passersatzanträge der deutschen Botschaft. Schließlich wird man dem Betroffenen eine derartiges Unterlassen wohl auch nur dann vorhalten können, wenn er jemals auf diese Möglichkeit hingewiesen worden wäre. Dass der Betroffene, dessen Identität wohl zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft war, ohne Erfolg zu einer derartigen Verfahrensweise aufgefordert worden ist, lässt sich dem Akteninhalt bisher jedenfalls nicht entnehmen.

Um der 28. Zivilkammer des Landgerichts die Gelegenheit zu geben, die weiteren notwendigen Ermittlungen nachzuholen und sodann auf ausreichenden Tatsachengrundlage erneut zu entscheiden, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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