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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 18.06.2003
Aktenzeichen: 17 W 44/03
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 57
Wenn durch Verschulden der Ausländerbehörde die Abschiebungshaft über das notwendige Maß hinaus geht, dann ist als einzig zulässiger Schluss die Aufhebung der Haft möglich.
17 W 44/03

Beschluss

In der Abschiebehaftsache

pp.

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B####### und die Richter am Oberlandesgericht D####### und V####### am 18. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 19. Mai 2003 geändert:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 12. April 2003 aufgehoben: Der Antrag des Landkreises Lüneburg auf Anordnung der Abschiebehaft wird zurückgewiesen. Der Betroffene ist sofort aus der Haft zu entlassen.

Dem Betroffenen wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt F####### in Hannover beigeordnet.

Der beteiligte Landkreis Lüneburg hat dem Betroffenen die Hälfte seiner außergerichtlichen Auslagen in allen Instanzen zu erstatten.

Beschwerdewert: 3.000 EUR

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde, mit der sich der Betroffene gegen die Bestätigung der Abschiebehaftanordnung des Amtsgerichts Lüneburg durch das Landgericht Lüneburg wendet, ist zulässig (§§ 103 Abs. 2 AuslG, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG).

Das Rechtsmittel ist auch begründet, denn die angefochtene Entscheidung verletzt das Recht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Soweit das Landgericht davon ausgeht, dass die Haftgründe des § 57 Abs. 2 Nr. 2 und 5 AuslG vorliegen, begegnet diese Feststellung keinen Bedenken. Allerdings ist die Entscheidung der Kammer, der Ausländerbehörde sei nicht vorzuwerfen, die Passersatzpapierbeschaffung nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben zu haben, rechtsfehlerhaft. Diese Schlussfolgerung der Kammer deckt sich nicht mit den vom Landgericht ermittelten und festgestellten Tatsachen. Der Senat darf Schlussfolgerungen des tatrichterlichen Beschwerdegerichts nur darauf überprüfen, ob sie mit den ermittelten Tatsachen in der Weise in Einklang stehen, dass sie als möglich erscheinen. Ein Grund zur Abänderung einer Entscheidung durch den Senat liegt also dann noch nicht vor, wenn der Senat bei eigener Entscheidung zu einem auch möglichen anderen Ergebnis gelangen würde.

Vorliegend ist die Entscheidung der Kammer allerdings mit den ermittelten Tatsachen schlechterdings nicht in Einklang zu bringen. Zutreffend hat die Kammer zunächst verschiedene Ermittlungen angestellt, indem sie den Betroffenen angehört und der Ausländerbehörde aufgegeben hat, im Einzelnen darzulegen, was sie unternommen hat, um Passersatzpapiere zu beschaffen. Die Ausländerbehörde hat diese Fragen aber völlig unzureichend beantwortet. Sie hat mit ihrem Schreiben vom 16. Mai 2003 nicht dargetan, dass sie die Passersatzpapierbeschaffung mit der gebotenen Beschleunigung betrieben hat, um die Dauer eines freiheitsentziehenden Eingriffes beim Betroffenen so gering wie möglich zu halten. Vielmehr ist in der Zeit vom 11. April 2003 (Inhaftierung) bis zum 16. Mai 2003 (Schreiben der Ausländerbehörde) nichts geschehen, als dass die Bezirksregierung Hannover gebeten wurde (wann?), den Betroffenen zu bitten, seinen Pass wieder herauszugeben. Nachdem die Bezirksregierung sodann mitgeteilt hat (wann?), der Betroffene sei hierzu nicht bereit, wurde "mit der Bezirksregierung Hannover besprochen, dass nunmehr Passersatzpapiere für den Betroffenen zu beantragen sind". Das geschah dann allerdings wiederum nicht, weil, so die Ausländerbehörde, der Betroffene in der Anhörung der Abschiebehaftsitzung geäußert habe, einen Asylfolgeantrag stellen zu wollen, dessen Bescheidung vor der Einleitung konkreter Maßnahmen zunächst abgewartet werden soll.

Abgesehen davon, dass sich aus dem Protokoll der amtsgerichtlichen Anhörung eine solche Antragstellung nicht ergibt, ist nicht erkennbar, warum die beabsichtigte Stellung eines Asylfolgeantrages die Ausländerbehörde hindert, zügig Passersatzpapiere zu beschaffen. Hierauf weist die sofortige weitere Beschwerde mit zutreffenden Erwägungen hin.

Sodann wurde, nachdem offenkundig geworden war, das ein Folgeantrag nicht gestellt werden würde, die Bezirksregierung wiederum gebeten (wann?), im Wege der Amtshilfe die Passersatzpapierbeschaffung einzuleiten. Ob das bisher geschehen ist, ist unklar. Erst zu diesem Zeitpunkt ("gleichzeitig") forderte die Ausländerbehörde die Ausländerakte beim Kreis S an, um u. U. an weitere Unterlagen zu gelangen, aus denen sich die Identität des Betroffenen ergibt. Auch hier stellt sich die Frage, warum dies nicht früher geschah.

Diese insgesamt zögerliche Bearbeitungsweise ist mit dem Beschleunigungsgrundsatz nicht zu vereinbaren (vgl. auch OLG Oldenburg Nds. Rpfl. 2003, 177 f). Die Handlungsweise der Ausländerbehörde verletzt die Rechte des Betroffenen und führt zu einer unangemessenen und nicht zu rechtfertigenden Verlängerung der Haft.

Wenn aber durch Verschulden der Ausländerbehörde die Haft über das notwendige Maß hinaus geht (davon geht im Übrigen auch die Kammer aus, die in der angefochtenen Entscheidung auch von einer vermeidbaren Verzögerung des Verfahrens durch die Ausländerbehörde spricht), dann ist als einzig zulässiger Schluss die Aufhebung der Haft möglich. Eine vermeidbare Verzögerung des Passersatzbeschaffungsverfahrens und damit eine vermeidbare Verlängerung der Haft ist nicht hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 FEVG und berücksichtigt, dass der Haftantrag nicht von Anfang an unbegründet war.

Ende der Entscheidung

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