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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: 2 U 205/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 321a | |
ZPO § 522 Abs. 2 | |
ZPO § 525 |
2. Bei der entsprechenden Anwendung des § 321 a ZPO im Berufungsverfahren sind sämtliche Voraussetzungen der Bestimmung zu beachten; insbesondere ist auszuführen, worin die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör konkret liegen soll.
2 U 205/02
Beschluss
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### am 8. Mai 2003 beschlossen:
Tenor:
Die Rüge des Beklagten vom 28. März 2003 gegen den Beschluss des Senats vom 10. März 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
Der Rechtsbehelf des Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 10. März 2003 ist entsprechend § 321 a ZPO zulässig, aber nicht begründet.
I. Zwar ist umstritten, ob das Abhilfeverfahren des § 321 a ZPO auch dann anzuwenden ist, wenn es sich bei der mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren Entscheidung um die Zurückweisung einer Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO handelt. Die teilweise vertretene Auffassung, aus der Entstehungsgeschichte des § 321 a ZPO sei abzuleiten, dass eine entsprechende Anwendung der Vorschrift im Berufungsverfahren nicht in Betracht komme (so OLG Oldenburg, OLGR 2002, 302; offen gelassen in OLG Celle, OLGR 2003, 93) teilt der Senat jedoch nicht.
Vielmehr schließt sich der Senat der Rechtsprechung des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle an, der von der entsprechenden Anwendbarkeit des § 321 a ZPO ausgeht (s. OLG Celle, Beschl. v. 4. Dezember 2002 - 13 U 77/02, NJW 2003, 906). Entsprechend den dortigen Ausführungen, die der Senat teilt und zu deren Wiederholung deshalb keine Veranlassung besteht, muss davon ausgegangen werden, dass Verletzungen des rechtlichen Gehörs im Verfahren nach § 321 a ZPO geheilt werden können und es nicht etwa der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bedarf, um mögliche Verstöße gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte rechtliche Gehör zu heilen. Insoweit ermöglicht § 525 Satz 1 ZPO auch nach der Auffassung des Senats die Selbstkorrektur des Berufungsgerichts unter den Voraussetzungen des § 321 a ZPO, sofern es zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gekommen ist und diese Verletzung sich entscheidungserheblich ausgewirkt hat. Der Senat hält eine solche Analogie für geboten, um in Berufungsverfahren, bei denen gem. § 522 Abs. 2 ZPO das Rechtsmittel durch einstimmig gefassten Beschluss zurückgewiesen wird, Gehörsverletzungen heilen zu können, die sonst nur noch durch eine Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten, da ein Rechtsmittel gegen den Beschluss gem. § 522 Abs. 3 ZPO nicht mehr stattfindet (zur Unanwendbarkeit des § 321 a ZPO bei Berufungsurteilen, gegen die noch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden kann OLG Celle, OLGR 2003, 93).
Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck des § 321 a ZPO, der vor allem auch auf eine Entlastung des BVerfG abzielt (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 63, 85; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 321 a Rz. 1), wäre es widersinnig, bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO von der Anwendung des auf derartige Verstöße zugeschnittenen § 321 a ZPO abzusehen und die Selbstkorrektur aus formalen Erwägungen abzulehnen (zur Möglichkeit der Analogie auch Müller, NJW 2002, 2743; Schmidt, MDR 2002, 915, 917 f.).
Auch wenn in der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-RG eine ausdrückliche Übernahme des § 321 a ZPO für zweitinstanzliche Entscheidungen noch abgelehnt wird (dazu auch OLG Celle, NJW 2003, 906), weil dadurch die Ressourcen der Justiz über Gebühr belastet werden könnten (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 156, - Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem Vorschlag des Bundesrates, die Vorschrift auch auf den Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO anzuwenden), hält der Senat diese Übernahme gleichwohl für geboten, weil es - anders als in der Begründung der Gegenäußerung der Bundesregierung ausgeführt wird - durchaus Fälle geben kann, in denen es zu einer Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht gekommen ist und die ohne eine entsprechende Anwendung des § 321 a ZPO nicht mehr zu reparieren sind. In diesen Fällen, in denen es nicht darum gehen kann, Gehörsverletzungen der ersten Instanz aufzufangen, die bereits Gegenstand der Berufung selbst sein müssen, sondern vielmehr nur Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Berufungsgericht selbst, sind die Gründe für die Einführung des § 321 a ZPO (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 63, 85) uneingeschränkt auf das Berufungsverfahren zu übertragen. Die Gefahr einer Überprüfung der Überprüfungsentscheidung (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 156) sieht der Senat dabei nicht als gravierend an, weil es nur um Gehörsverletzungen durch das Berufungsgericht selbst gehen kann. So kann etwa der Eingang einer rechtzeitigen Stellungnahme zu einem Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO aufgrund gerichtsinterner Mängel übersehen werden. Wenn sich in einem solchen Fall aus der Stellungnahme ergibt, dass Veranlassung zu einer Fortsetzung des Berufungsverfahrens besteht, wäre es unverständlich, diese Fortsetzung nicht im Wege der Selbstkorrektur zu beschließen, sondern zunächst eine Verfassungsbeschwerde abwarten zu müssen, um dann wieder in das Verfahren einzutreten. Dies wäre auch mit der systematischen Stellung des § 321 a ZPO nur schwer zu vereinbaren, der im Zusammenhang mit den allgemeinen Vorschriften über die Selbstkorrektur gerichtlicher Entscheidungen geregelt ist, die ohne Zweifel auch im zweiten Rechtszug anzuwenden sind, wie etwa § 319 ZPO, § 320 ZPO oder § 321 ZPO.
Der Senat sieht insoweit in der neuen ZPO das Prinzip des Vorrangs der Selbstkorrektur der Ausgangsinstanz (dazu Kreft, in: Festgabe für Graßhof, 1998, S. 185 ff.) bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten und der Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör verankert, wie er bereits im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit weiterer außerordentlicher Beschwerden wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nach neuen Zivilprozessrecht entschieden hat (s. Senat, Beschl. v. 24.09.2002 - 2 W 57/02, Nds. Rpfl. 2003, 119). Zu diesem Prinzip gehört es, dass die Selbstkorrektur von im Instanzenzug unanfechtbaren Entscheidungen dann aber auch in dem aufgezeigten Rahmen zugelassen wird.
II. Voraussetzung für die Anwendung des § 321 a ZPO ist dabei allerdings auch im Berufungsverfahren die Beachtung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift, insbesondere die Einhaltung einer Notfrist von zwei Wochen für die Erhebung der Gehörsrüge sowie die Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit dieser Verletzung (hierzu auch BGH, NJW 2002, 1577). Die Einhaltung dieser Voraussetzungen ist schon deshalb geboten, weil die mit der entsprechenden Anwendung des § 321 a ZPO verbundene Einschränkung der sich aus § 318 ZPO ergebenden Bindung des Gerichtes an seine Entscheidungen nur dann zu rechtfertigen ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Nichtbeachtung dieser Bindung vorliegen.
1. Die vorliegende Gehörsrüge ist zulässig, weil sie innerhalb der Notfrist von zwei Wochen eingelegt worden ist. Der Beschluss des Senats vom 10. März 2003 ist den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 14. März 2003 zugestellt worden. Eingegangen ist die zunächst per Telefax eingelegte Gehörsrüge am 28.
März 2003. Die Frist des § 321 a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist mithin gewahrt.
2. Die Gehörsrüge ist allerdings nicht begründet, weil mit ihr keine Gesichtspunkte geltend gemacht werden, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Senat habe den verfassungsrechtlichen Begriff der Verletzung rechtlichen Gehörs (dazu BVerfG 60, 310) verletzt. Legt man diesen Begriff der Vorschrift des § 321 a ZPO, die dazu dienen soll, das Bundesverfassungsgericht von Verfassungsbeschwerden zu entlasten, die wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs im Zivilprozess eingelegt werden, zu Grunde, so ergibt sich nicht, dass der Senat seiner Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt hat, zu denen die Parteien vorher nicht Stellung nehmen konnten, die Anträge und das Vorbringen der Parteien nicht zur Kenntnis genommen und in seiner Entscheidung verarbeitet hat (zu den Fällen, in denen von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i. S. des § 321 a ZPO auszugehen ist, s. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 321 a Rz. 6 ff.). Der Beklagte hat nicht darlegen lassen, dass der Senat tatsächlich erhebliches Vorbringen übergangen und seinen Vortrag in dem Beschluss, der auf der Hinweisverfügung vom 4. Februar 2003 beruht, nicht beachtet hat.
a) Bedenklich ist bereits, dass der Beklagte die von ihm erhobenen Gehörsrügen nicht im einzelnen hat ausführen lassen. Dies könnte schon die Zulässigkeit des Antrags im Hinblick auf § 321 a Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Frage stellen. Der Senat lässt es aber im Hinblick auf das offensichtliche Fehlen relevanter Rügen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör letztlich dahinstehen, dass auch Bedenken gegen die ordnungsgemäße Ausführung der Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bestehen. Grundsätzlich hat der Rügeführer insoweit in der Rügeschrift konkret darzulegen, welche Teile seines Vorbringens in welchen Schriftsätzen mit genauer Bezeichnung der Fundstellen das Gericht nicht beachtet haben soll und inwieweit dieser Vortrag bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Die Rügemöglichkeit soll nicht dazu dienen, zu einer nochmaligen Überprüfung der Entscheidung zu kommen, sondern vielmehr nur die Überprüfung konkret auszuführender Gehörsrügen ermöglichen.
Eine allgemeine Bezugnahme auf früheren Vortrag ist deshalb auch nicht statthaft.
Selbst wenn trotz der insofern festzustellenden Darlegungsmängel unterstellt wird, der Beklagte hätte diesen von ihm nach § 321 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO geschuldeten Vortrag gebracht, läge eine begründete Rüge nicht vor.
b) Die Rüge, der Senat habe den Vortrag des Beklagten nicht umfassend berücksichtigt, wird in ganz allgemeiner Form darauf gestützt, der Senat habe übersehen, dass der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 2. September 2002 dargelegt habe, dass ihm eine Verrechnungsmöglichkeit gegenüber der #######-Gruppe zugestanden habe, aufgrund derer sich die aus der Schuldübernahme ergebene Forderung in Höhe von 1.272.491 DM auf maximal 424.282,39 DM vermindert hätte. Diese Rüge könnte zwar dann bedeutsam sein, wenn der Beklagte in dem Schriftsatz vom 2. September 2002 tatsächlich etwas Entsprechendes vorgetragen hätte und sich aus dem Vortrag des Beklagten ergeben würde, dass durch eine Verrechnung oder Aufrechnung tatsächlich die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Forderung bereits erloschen ist. Tatsächlich kann etwas derartiges aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 2. September 2002 (Bl. 247 - 257 d. A.) aber nicht entnommen werden. In diesem Schriftsatz werden zwar im Zusammenhang mit der Frage, ob von einer Sittenwidrigkeit i. S. des §138 BGB auszugehen ist, sehr allgemein gehaltene Ausführungen zu bestehenden Verrechnungsmöglichkeiten gemacht. Konkret wird aber nicht dargelegt, dass wechselseitige Forderungen in einer bestimmten Höhe bestanden haben und Verrechnungen vorgenommen oder Aufrechnungen erklärt worden sind. Vielmehr sind die vom Beklagten in der Gehörsrüge zitierten Zahlen dem gesamten Schriftsatz vom 2. September 2002 ebenso wenig zu entnehmen, wie in dem Schriftsatz auch keine Erklärungen dazu abgegeben worden sind, in welcher Form und mit welcher Berechtigung entsprechende Verrechnungen erfolgt sein sollen. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten bliebe bei Erklärung der Aufrechnung eine Forderung der Klägerin bestehen, die den hier eingeklagten Betrag übersteigt. Für den anwaltlich vertretenen Beklagten war deshalb ohne weiteres erkennbar, dass pauschaler Vortrag zu Auf- und Verrechnungsmöglichkeiten ohne konkrete Zahlenangaben, die noch dazu im Rahmen von Ausführungen zur Sittenwidrigkeit des Handelns der Rechtsvorgängerin der Klägerin gehalten worden ist, vom Senat nicht als schlüssiger Vortrag zum Erlöschen der Forderung durch Aufrechnung verstanden werden konnten. Hierauf wird im Übrigen in der ausführlichen Stellungnahme der Klägerin zu der Gehörsrüge des Beklagten auch zutreffend hingewiesen.
Der Beklagte hat - sieht man einmal von der fehlenden Substanz ab - mit der Gehörsrüge Umstände geltend macht, die er im gesamten Rechtsstreit nicht schriftsätzlich hat vortragen lassen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs, wie sie vom Beklagten als Aufhänger für den Antrag, das Berufungsverfahren fortzusetzen, benutzt wird, hat es tatsächlich nicht gegeben. Würde man hier auf die Rüge des Beklagten wieder in das Verfahren eintreten, käme es tatsächlich zu einer nochmaligen Überprüfung der schon entschiedenen Sache ohne greifbare Anhaltspunkte für den Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte. Diese Möglichkeit wird aber auch mit der analogen Anwendung des § 321 a ZPO gerade nicht eröffnet.
Da der Beklagte die Gehörsrüge zu Unrecht erhoben hat, ist er verpflichtet, die daraus resultierenden Kosten zu tragen. Die Kostenentscheidung ergibt sich auch insoweit aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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