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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 16.02.2007
Aktenzeichen: 2 U 9/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 543
Eine unverzügliche Aufrechnungserklärung des Mieters kann nur dann zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges führen, wenn die Gegenforderung so bestimmt bezeichnet ist, dass sie der Vermieter prüfen kann.
2 U 9/07

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R., den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und den Richter am Amtsgericht H. am 16. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat erwägt, die Berufung der Beklagten gegen das am 22. November 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme und ggfs. Rücknahme der Berufung bis zum 7. März 2007 gewährt.

2. Es ist beabsichtigt, den Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren auf bis zu 4.500 EUR festzusetzen.

Gründe:

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint nicht erforderlich zu sein. Die Berufung der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Die Berufungsbegründung ist dahin auszulegen, dass sich die Beklagte auch gegen ihre Verurteilung zur Räumung des streitbefangenen Mietobjekts wendet und zwar hinsichtlich der Kostenentscheidung zu ihren Lasten. Zwar wird mit dem Berufungsantrag lediglich die Abänderung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung begehrt. Indessen hat die Beklagte den Räumungsanspruch daneben in der Hauptsache für erledigt erklärt und im einzelnen begründet, weshalb nach ihrer Auffassung dem Kläger die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche einschließlich des Herausgabeanspruchs weder aus eigenem Recht noch aus abgetretenem Recht der Eigentümerin und Hauptvermieterin Z. zustehen sollen.

1. Die Verurteilung der Beklagten zur Räumung und Herausgabe ist jedoch zu Recht erfolgt.

Die Erledigungserklärung der Beklagten geht schon deshalb ins Leere, weil allein der Kläger zur Abgabe einer einseitigen Erledigungserklärung berechtigt ist (vgl. BGH NJW 1994, 2264). Die Beklagte könnte allenfalls die Erfüllung des Anspruchs einwenden. Überdies liegt ein erledigendes Ereignis nach dem eigenen Vortrag der Beklagten gar nicht vor, weil die Herausgabe der streitbefangenen Räume lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein soll (vgl. BGHZ 94, 274; 106,6).

In der Sache war die Beklagte gemäß § 546 Abs. 2 BGB zur Räumung und Herausgabe der Hauptvermieterin Z. gegenüber verpflichtet, nachdem diese das Hauptmietverhältnis wirksam durch außerordentliche fristlose Kündigung vom 28. April 2006 gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen Verzuges mit der Zahlung der Mieten für März und April 2006 gegenüber dem Hauptmieter T. N. beendet und die Herausgabe der Mietsache verlangt hat. Nach Beendigung des Mietverhältnisses konnte die Hauptvermieterin gemäß § 546 Abs. 2 BGB die Herausgabe der Räume auch unmittelbar von der Beklagten als Untermieterin verlangen. Diesen Räumungsanspruch hat die Hauptvermieterin mit schriftlicher Erklärung vom 6. Juni 2006 an den Kläger abgetreten. Der abgetretene Herausgabeanspruch der Hauptvermieterin gegen die Beklagte bestand sogar unabhängig davon, ob auch das Untermietverhältnis wirksam beendet worden ist, weil die Beklagte jedenfalls nicht geltend macht, mit der Hauptvermieterin ihren Eintritt als neue Mieterin in das Hauptmietverhältnis vereinbart zu haben. Das Herausgabeverlangen des Hauptvermieters kann den Untermieter bei fortbestehendem Untermietverhältnis allenfalls zur fristlosen Kündigung des Untermietvertrages und/oder zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigen (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet- , Pacht- und Leasingrechts. 9. Aufl. Rdnr. 1241., 1252 ff.).

Tatsächlich war im vorliegenden Fall jedoch auch das Untermietverhältnis mit der Beklagten durch den Untervermieter T. N. wegen Zahlungsverzuges mit den Mieten für die Monate März und April wirksam fristlos mit Schreiben vom 25. April 2006 gekündigt worden. Die von der Beklagten gegenüber dem Untervermieter im Anwaltsschreiben vom 28. April 2006 erklärte Aufrechnung gegenüber den rückständigen Mietforderungen mit vermeintlichen Schadensersatzansprüchen ist nicht begründet, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Aufrechnung mit berechtigten Gegenforderungen durch das in § 6 Abs. 1 des Untermietvertrages vereinbarte Aufrechnungsverbot ausgeschlossen wäre. Eine Aufrechnungserklärung führt nur dann zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB, wenn die Gegenforderung so bestimmt bezeichnet ist, dass sie der Vermieter (hier: Untervermieter) prüfen kann; der allgemeine Hinweis auf eine Aufrechnungsbefugnis genügt nicht (vgl. Bub/Treier/ Grapentin, Handbuch der Geschäfts und Wohnraummiete, 3. Aufl. IV Rdr. 181 m. w. N.). Anderenfalls ließe sich auch gar nicht feststellen, welche konkrete Gegenforderung aus einem bestimmten Lebenssachverhalt im Wege der Aufrechnung mit den rückständigen Mietforderungen gemäß § 389 BGB erloschen ist und damit anderweitig nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Im vorliegenden Fall enthält die Erklärung im Anwaltsschreiben der Beklagten vom 28. April 2006, die Beklagte habe weit über die Mietzinsansprüche hinausgehende Zahlungsansprüche gegen T. N., mit denen sie zunächst in Höhe der dargelegten Mietrückstände aufrechne, keine bestimmte Bezeichnung der Gegenforderungen. Zudem ist wegen der Vielzahl der angeblichen Zahlungsansprüche unklar, mit welchen Einzelforderungen die Aufrechnung erklärt werden sollte.

Das nach alledem durch die Kündigung vom 26. April 2006 mit sofortiger Wirkung beendete Untermietverhältnis konnte auf den Kläger als neuen Hauptmieter ab 1. Mai 2006 nicht mehr übergehen. Allein die im Anwaltsschreiben des Klägers vom 7. Juni 2006 zum Ausdruck kommende rechtsirrige Auffassung, zwischen ihr und der Beklagten bestehe ein Untermietverhältnis, reicht für die Feststellung eines Untermietverhältnisses nicht aus. Im Übrigen hätte der Kläger ein etwaiges mit ihm fortgesetztes Untermietverhältnis in dem Schreiben vom 7. Juni 2006 zu recht wegen des weiter aufgelaufenen Mietrückstandes bis einschließlich Juni 2006 ebenfalls wirksam wegen Zahlungsverzuges gekündigt. Der Kläger als neuer Hauptmieter war jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr damit einverstanden, dass die Beklagte im Besitz der Mieträume bleibt.

2. Das Landgericht hat den Beklagten mit Recht auch zur Zahlung eines Betrages in Höhe der Mieten für Mai und Juni 2006 einschließlich der Nebenkostenvorauszahlungen an den Kläger verurteilt.

Es kann offen bleiben, ob dem Kläger der Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht der Hauptvermieterin gemäß §§ 546 a Abs. 1 und 2, 280, 286 BGB zusteht.

Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe eines der Miete zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Mai und Juni 2006 entsprechenden Betrages ist entgegen der Auffassung der Berufung jedenfalls aus abgetretenem Recht des ursprünglichen Hauptmieters und Untervermieters T. N. gemäß § 546 a Abs. 1 BGB begründet. Der Kläger hat seine Klage ausdrücklich auch auf diese Abtretung gestützt. Die Beklagte hat dem damaligen Hauptmieter trotz der wirksamen fristlosen Kündigung des Untermietverhältnisses im Schreiben vom 26. April 2006 die Mietsache in den Monaten Mai und Juni 2006 vorenthalten.

Ohne Erfolg rechnet die Beklagte gegenüber diesen von ihr aus dem Untermietvertrag dem Zedenten geschuldeten Forderungen mit vermeintlichen Gegenforderungen auf.

Die Beklagte hat zwar zur Begründung ihrer Gegenforderung geltend gemacht, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gegen den damaligen Hauptmieter T. N. aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB zu, weil dieser in seiner früheren Funktion als Geschäftsführer der Beklagten am 3. September 2004 und 2. Februar 2005 Barentnahmen über 1.500 EUR und 2.000 EUR zu Lasten des Volksbank-Kontos der Beklagten vorgenommen habe, deren Verbleib an Hand der Buchhaltungsunterlagen nicht nachvollziehbar sei. Außerdem habe T. N. am 28. September 2004 eine Überweisung von 4.000 EUR an die "W. H." veranlasst, über deren Verwendungszweck ein Beleg bei den Buchhaltungsunterlagen fehle. Indessen hat der Kläger diesen Vortrag bereits im ersten Rechtszug mit den Schriftsätzen vom 8. und 9. November 2006 unsubstantiiert bestritten, ohne dass die Beklagte die von ihr als Beweismittel vorgelegten Kontoauszüge vorgelegt oder Zeugen benannt hätte. Der Beweisantritt "Zeugnis N.N." genügte nicht. Der Kläger hat insbesondere behauptet, dass die damals als Buchhaltungskraft tätige Frau W. keine Beanstandungen für den fehlenden Zeitraum festgestellt habe, insbesondere nicht das Fehlen von Belegen gerügt habe. Außerdem hat der Kläger zulässig mit Nichtwissen die behaupteten Barentnahmen bestritten und hilfsweise geltend gemacht, dass die behaupteten Beträge im Rahmen ordnungsgemäßer Geschäftsführung verwendet worden seien. Bei der Überweisung von 4.000 EUR an die "W. H." habe es sich um eine ausdrücklich mit dem jetzigen Geschäftsführer der Beklagten abgesprochene Zahlung für Sponsoring/Werbemittel zum ordnungsgemäßen Ausgleich einer Rechnung gehandelt.

Soweit die Beklagte schon im ersten Rechtszug mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2006 vorgetragen hatte, ihr stünden aus weiteren unerlaubten Handlungen des Zedenten weitere Forderungen mit einem Volumen von ca. 110.000 EUR zu, die sich aus 255 von dem Zedenten während der Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit bewirkten nicht nachvollziehbaren Zahlungen zu Lasten der Buchhaltung ergäben, hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass diese Ansprüche gesondert geltend gemacht würden. Die in der Berufungsbegründung erklärte Aufrechnung unter Bezugnahme auf den Vortrag im Schriftsatz vom 26. Oktober 2006 zu einem Schaden von ca. 100.000 EUR durch nicht nachvollziehbare Barentnahmen des Zedenten ist mangels schlüssiger Darlegung der Gegenforderungen nicht erheblich. Die Beklagte trägt nicht einmal vor, welche konkreten Entnahmen zu welchen Zeitpunkten zu dem behaupteten Schaden in der genannten ungefähren Größenordnung geführt haben sollen. In der in Bezug genommenen Abschrift einer Strafanzeige gegen den Zedenten ist lediglich von etwa 250 einzelnen Buchungs- und Barzahlungsposten mit einer Gesamtverfügungssumme von 109.712,05 EUR die Rede, wovon 29.000 EUR auf nicht näher spezifizierte Barentnahmen entfallen sollen. Dieser nicht durch eine Aufstellung belegte Vortrag widerspricht der Darstellung der Berufungsbegründung über den Umfang der Barentnahmen. Soweit in dem Entwurf der Strafanzeige einzelne Überweisungen angesprochen werden, ist davon in der Berufungsbegründung nicht die Rede. Außerdem ist die Beklagte für ihren Tatsachenvortrag beweisfällig geblieben. Die bloße Bezugnahme auf die sich angeblich in den Akten der Staatsanwaltschaft Hildesheim befindlichen Belege genügt nicht.

Die Aufrechnung mit den vorgenannten Forderungen könnte der Berufung aber selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn das Vorbringen als erheblich anzusehen wäre.

Wäre der Vortrag der Berufungsbegründung zur Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen in einem Umfang von ca. 100.000 EUR als erheblich anzusehen, wäre die Aufrechnung nicht zuzulassen. Gerade weil sich die Beklagte im ersten Rechtszug ausdrücklich die gesonderte Geltendmachung der vermeintlichen Gegenansprüche vorbehalten hat, ist der Vortrag in der Berufungsbegründung insoweit als neue Aufrechnung im Sinne von § 533 ZPO anzusehen, die schon deshalb nicht zuzulassen ist, weil sie auf bestrittenen Tatsachenvortrag gestützt ist, den der Senat seiner Entscheidung über die Berufung nicht ohnehin zugrundelegen müsste. Darüber hinaus handelt es sich bei den der Aufrechnung zugrunde liegenden streitigen Tatsachenbehauptungen um neuen Tatsachenvortrag, der gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen ist, weil er bei Beachtung der Prozessförderungspflicht bereits im ersten Rechtszug hätte gehalten werden können. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erlaubt die Zulassung nicht, weil diese Vorschrift nur anwendbar ist, wenn die Partei durch die Prozessleitung des Erstrichters oder durch dessen sonst erkennbare rechtliche Beurteilung davon abgehalten worden ist, zu diesem Punkt im ersten Rechtszug vorzutragen (vgl. BGH MDR 2004, 678). Davon kann indes im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil die Beklagte zur Aufrechnung mit Gegenforderungen im ersten Rechtszug vorgetragen und sich dabei bewusst auf drei vermeintliche Gegenforderungen beschränkt hat.

3. Bei der beabsichtigten Streitwertfestsetzung ist zu beachten, dass die Beklagte mit der Berufung hinsichtlich des von ihr für erledigt erklärten Räumungsanspruchs keine Klagabweisung erstrebt, so dass insoweit nur die auf den Räumungsantrag entfallenden anteiligen erstinstanzlichen Kosten zu berücksichtigen sind.

Ende der Entscheidung

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