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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 15.02.2008
Aktenzeichen: 2 W 38/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 119
ZPO § 127
1. Sobald das erstinstanzliche Gericht in der Hauptsache entschieden hat, kann eine zuvor eingelegte sofortige Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss allenfalls dann Erfolg haben, wenn das Landgericht die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag verzögert hat.

2. Wegen der fehlenden materiellen Rechtskraft der Entscheidung kann im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss dahingestellt bleiben, ob das Rechtsmittel unzulässig oder unbegründet ist.


2 W 38/08

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R., den Richter am Amtsgericht Dr. L. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. am 15. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 7. Januar 2007 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 4. Dezember 2007 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 5.309,79 EUR

Gründe:

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die sofortige Beschwerde zulässig ist. Wie eine sofortige Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss zu behandeln ist, wenn - wie im Streitfall - die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung zugeht, die sofortige Beschwerde aber erst nach Schluss dieser mündlichen Verhandlung eingelegt wird und zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die Hauptsacheentscheidung bereits ergangen ist, wird unterschiedlich beurteilt.

Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung nehmen an, dass die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss in Anbetracht der erstinstanzlich ergangenen Hauptsacheentscheidung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses generell unzulässig sei (OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 915. OLG Düsseldorf OLGZ 1989, 255 f., zitiert nach JURIS Rdz. 2 f.. OLG Hamm JurBüro 1977, 1779. BFH BB 1986, 187. vgl. ferner OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 102). Nach anderer Auffassung ist die sofortige Beschwerde zumindest dann unzulässig, wenn sie der Beschwerdeführer schon früher hätte einlegen können, ihm also eine Verletzung seiner prozessualen Sorgfaltspflichten vorgehalten werden kann (vgl. OLG Frankfurt MDR 1998, 494. OLG Brandenburg MDR 1999, 54, 55). danach kann beispielsweise gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss zumindest dann zulässigerweise sofortige Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist eingelegt werden, wenn das Prozesskostenhilfegesuch erst zusammen mit der Hauptsachentscheidung beschieden wird (vgl. OLG Oldenburg NJWRR 1991, 189).

Die Entscheidung dieser Frage kann indes dahingestellt bleiben, weil die sofortige Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Die Erfolgsaussicht einer Rechtsverteidigung ist grundsätzlich nach dem Sach- und Streitstand zur Zeit der Beschwerdeentscheidung zu beurteilen (vgl. OLG Hamm FamRZ 2006, 214). Wenn aber zu diesem Zeitpunkt bereits eine Hauptsacheentscheidung ergangen ist, ist die Erfolgsaussicht zu verneinen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 127 Rdz. 49). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Erstgericht die Bewilligung durch nachlässige oder fehlerhafte Bearbeitung verzögert hat (vgl. Zöller/Philippi, a. a. O.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist am 27. August 2007 beim Landgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Landgericht bereits Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, den es auf den zeitgleich gestellten Antrag der Beklagten vom 16. Oktober 2007 auf den 11. Dezember 2007 verlegt hat. Bereits mit Verfügung vom 3. September 2007 hat das Landgericht der Beklagten zu ihrem Prozesskostenhilfeantrag Auflagen gemacht, insbesondere aufgegeben, nachvollziehbar zum Wert des vorhandenen Grundvermögens vorzutragen. Vortrag hierzu hat die Beklagte nach mehrfachen Fristverlängerungsanträgen erstmals mit dem beim Landgericht am 13. November 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 12. November 2007 gehalten. Zeitnah hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Dezember 2007, der Beklagten am 6. Dezember 2007 zugestellt, der Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit versagt. In der sofortigen Beschwerde vom 7. Januar 2007 hat die Beklagte angekündigt, ergänzend vorzutragen und zu dem Wert der Immobilien Unterlagen vorzulegen. Das hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Januar 2008, im Original beim Landgericht eingegangen am 22. Januar 2008, getan. Wiederum zeitnah mit Beschluss vom 5. Februar 2008 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt, wo sie am 12. Februar 2008 eingegangen sind. Das den Rechtsstreit erster Instanz abschließende landgerichtliche Teil und Schlussurteil ist am 8. Februar 2008 verkündet worden. Nach alledem lässt sich eine nachlässige oder gar verzögernde Handhabung bei der Bearbeitung des Prozesskostenhilfeantrags durch das Landgericht nicht feststellen. Derartiges behauptet auch die Beklagte nicht.

Die Beklagte war im Übrigen auch nicht schutzlos gestellt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die anwaltlich vertretene Beklagte im Streitfall die sofortige Beschwerde vor oder im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2007 hätte einlegen und im Hinblick auf die erst wenige Tage zuvor zugegangene ablehnende Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung beantragen können (vgl. Zöller/Herget, a. a. O., § 337 Rdz. 3). Ein Versäumnisurteil hätte gegen die Beklagte in diesem Termin nicht ergehen können, § 337 ZPO. Wenn die Beklagte es unterlässt, die Vertagung zu beantragen und stattdessen den Antrag auf Klagabweisung stellt, geht dies zu ihren Lasten.

II.

Der Senat war auch nicht aus prozessualen Gründen dazu verpflichtet, die Frage der Zulässigkeit vor der Frage der Begründetheit abschließend zu klären. Der prozessuale Vorrang der Zulässigkeitsfrage gilt nicht schrankenlos. Nach Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein Vorrang der Zulässigkeitsfrage im Beschwerdeverfahren zumindest dann zu verneinen, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen (duae difformes) nicht besteht und die prozessualen Rechte des Beschwerdeführers durch diese Vorgehensweise auch nicht verkürzt werden (vgl. OLG Frankfurt MDR 1995, 1164, 1165) bzw. die Auswirkungen einer Zurückverweisung wegen Unzulässigkeit die selben wie wegen Unbegründetheit sind und dem Beschwerdeführer dadurch keine weiteren Nachteile entstehen (vgl. KG NJW 1976, 2353 - OLG Köln NJW 1974, 1515 unter Hinweis auf das Gebot der verfahrensökonomischen Behandlung). Auch der Bundesgerichtshof bejaht den Vorrang der Zulässigkeitsprüfung nur für solche Prozessvoraussetzungen, bei denen ein schutzwürdiges Interesse der Partei besteht, dass lediglich ein in den Rechtskraftwirkungen beschränktes Prozessurteil ergeht (vgl. BGH NJWRR 2000, 634, 635), was bei der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, nicht aber bei dem Rechtsschutzinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO oder aber der Prozessführungsbefugnis eines Verbandes der Fall sei (BGH a. a. O.). Gleiches gilt für die Fälle sog. doppelrelevanter Tatsachen, d. h. solcher Tatsachen, die sowohl für die Frage der Zulässigkeit als auch der Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich ist (vgl. BGHZ 124, 237 ff., zitiert nach JURIS Rdz. 16 ff.). Ob nach diesen Grundsätzen der Vorrang der Zulässigkeitsfrage abzulehnen ist, kann aber ebenfalls dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Auffassung vertreten würde, dass der Vorrang der Zulässigkeitsfrage wegen der Rechtskraftwirkungen einer Entscheidung grundsätzlich beachtlich sei (vgl. Baumach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Auflage, Grundz § 253 Rdz. 14), kommt im vorliegenden Fall keine andere Bewertung in Betracht, weil das Rechtskraftargument dann nicht greifen kann, wenn es an einer (materiellen) Rechtskraft fehlt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Prozesskostenhilfe versagende Beschlüsse auch im Falle der Unanfechtbarkeit keine materielle Rechtskraft erlangen (vgl. BGH NJW 2004, 1805, 1806. OLG Celle Nds.Rpfl. 2004, 104. OLG Bremen OLGR 2007, 792, 793).

III.

Vor diesem Hintergrund kann auch dahingestellt bleiben, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch schon deshalb nicht in Betracht gekommen wäre, weil die Beklagte nach wie vor nicht in ausreichender Weise dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu bestreiten. Die Angaben der Beklagten in ihrer am 19. April 2007 unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genügen nicht den Erfordernissen des § 117 Abs. 2 ZPO, weil die Angaben ersichtlich unvollständig sind. Außerdem sind die Angaben teilweise nicht belegt und sind überdies einige Angaben mit den schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten hierzu nicht in Einklang zu bringen.

Ende der Entscheidung

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