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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 08.10.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 296/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 111g Abs. 2
Der Insolvenzverwalter ist antragsberechtigt im Verfahren nach § 111g Abs. 2 StPO und auch im Adhäsionsverfahren (entgegen OLG Frankfurt NStZ 2007, 168; NStZ-RR 2006, 342).
Oberlandesgericht Celle Beschluss

2 Ws 296/07

In der Strafsache

wegen Untreue pp.

hier: Zulassung der Arrestvollziehung und Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Drittbeteiligten

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Drittbeteiligten gegen den Beschluss der Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts H. vom 22. August 2007 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht ####### am 08.10.2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Arrestvollziehung und die Zwangsvollstreckung in die in dem Vermögensermittlungsvorgang 431 Js 18934/06 der Staatsanwaltschaft H. gepfändeten Vermögensgegenstände der Drittbeteiligten C. W. zugunsten des weiteren Beteiligten zugelassen. Gegen diesen Beschluss, zugestellt am 27.08.2007, wendet die Drittbeteiligte sich mit ihrer sofortigen Beschwerde, eingegangen am 29.08.2007, mit der Begründung, der weitere Beteiligte als Insolvenzverwalter sei nicht Verletzter i. S. der §§ 111 g, 111 h StPO. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Nach dem Wortlaut des § 111 g Abs. 2 Satz 2 StPO kann der Beschluss nach § 111 g Abs. 2 Satz 1 StPO zwar nur von der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verletzten mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. In den sog. Verschiebungsfällen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Tatbeteiligte einem Dritten die Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäftes zukommen lässt, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder um die Tat zu verschleiern (vgl. BGHSt 45, 235, 245 ff., Beschluss der Kammer vom 6. März 2007, Bl. 102 d. A.), muss jedoch auch der Drittbeteiligte, gegen den der Arrest angeordnet wird, ein Anfechtungsrecht haben, da in dessen Rechte eingegriffen wird. Ein vergleichbares Anfechtungsrecht ergibt sich in den Fällen der Drittbeteiligung etwa aus § 442 Abs. 2 StPO. Es ist daher von einer Beschwerdebefugnis auch für die Drittbeteiligte auszugehen.

Für die sofortige Beschwerde besteht auch nach Ablauf der Geltungsdauer des dinglichen Arrestes des Amtsgerichts H. vom 03.08.2006 in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts H. vom 10.05.2007 ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung hat nämlich zur Folge, dass das mit der Beschlagnahme entstehende Veräußerungsverbot nach § 111 c Abs. 5 StPO rückwirkend auch zugunsten des Verletzten wirkt (vgl. dazu KK-Nack, StPO, 5. Aufl., § 111 g Rdnr. 8). Dabei wird die Wirksamkeit des Veräußerungsverbotes zugunsten des Verletzten durch die Aufhebung der Beschlagnahme nicht berührt, so ausdrücklich § 111 g Abs. 3 Satz 5 StPO. Durch die Rückwirkung des Veräußerungsverbotes ist die Drittbeteiligte auch nach Ablauf der Geltungsdauer des dinglichen Arrestes beschwert.

III.

Die sofortige Beschwerde ist indessen unbegründet. Verwiesen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, denen der Senat sich anschließt.

Im Zulassungsverfahren des § 111g Abs. 2 StPO prüft das Gericht, ob der titulierte Anspruch des Verletzten aus derjenigen Tat erwachsen ist, die Anlass für die Anordnung des dinglichen Arrestes gewesen ist (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, § 111g, Rdnr. 3). Dies ist hier der Fall. Aus dem vorgelegten Titel des Amtsgerichts M. vom 21.08.2007, 132 C 23637/07, ergibt sich, dass der Anspruch des Antragstellers auch darauf beruht, dass die Drittbeteiligte Gelder i. H. v. 162.002,42 €, die aus einer Untreue ihres Vaters zu Lasten des Antragstellers stammten, an Dritte überwies, und so Einziehung und Sicherstellung der Gelder gefährdete. Der erforderliche Zusammenhang zwischen dem zivilrechtlich titulierten Anspruch und der Untreuehandlungen des Angeklagten liegt damit vor, zumal es sich hier um einen sog. Verschiebungsfall (s.o.) handelt.

Zur Antragsberechtigung des Insolvenzverwalters sei ergänzend Folgendes ausgeführt: In der einschlägigen Kommentarliteratur zu §§ 111 b ff. StPO wird der Begriff des Verletzten nicht gesondert erörtert, vielmehr Bezug genommen auf den Begriff des Verletzten in § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, der den Anknüpfungspunkt für die gesetzlichen Regelungen zur Rückgewinnungshilfe darstellt (vgl. nur KMR-Meyer, StPO, § 111 g, Rdnr. 2; Löwe-Rosenberg-Schäfer, StPO, § 111 b Rdnr. 49; SK-Rudolphi, StPO, § 111 b Rdnr. 9 a, KK-Nack, a.a.O., § 111 b Rdnr. 2). Auch zu § 73 StGB wird die Problematik der Verletzteneigenschaft eines Insolvenzverwalters nicht gesondert problematisiert. Auch hier heißt es einhellig, Verletzter sei der durch die rechtswidrige Tat Geschädigte (vgl. nur SK-Horn, StGB, § 73 Rdnr. 17; Leipziger Kommentar-Schmidt, StGB, § 73 Rdnr. 36; Münchener Kommentar-Joecks, StGB, § 73 Rdnr. 39).

Der Rückgriff auf die Definition des Verletzten in § 77 StGB liegt daher nahe und führt zu dem von der Kammer zutreffend begründeten Auslegungsergebnis, wonach der Insolvenzverwalter antragsberechtigt ist. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich das Antragsrecht des Insolvenzverwalters nach § 77 StGB gerade nicht aus § 77 Abs. 3 StGB ergibt, sondern aus der allgemein zulässigen Vertretungsmöglichkeit hier kraft Amtes aus eigenem Recht (vgl. dazu Tröndle-Fischer, StGB, 54. Aufl., § 77, Rdnr. 22). Dementsprechend überzeugt auch das Argument des OLG Frankfurt nicht, dem Insolvenzverwalter das Antragsrecht nach §§ 111g ff StPO abzusprechen, weil es dort an einer dem § 77 Abs. 3 StGB entsprechenden Regelung fehle.

Dieses Auslegungsergebnis wird auch bestätigt durch die Auslegung des § 403 StPO und die damit verbundene Problematik, ob der Insolvenzverwalter im Adhäsionsverfahren antragsberechtigt ist. Dabei lassen sich aus den Vorschriften zum Adhäsionsverfahren insoweit Parallelen zum Bereich der Arrestvollstreckung ziehen, als es in beiden Bereichen um die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche von Verletzten im Strafverfahren geht. Für den Bereich des Adhäsionsverfahrens gilt, dass der Insolvenzverwalter unstreitig antragsberechtigt ist, wenn der Schuldner erst nach der Insolvenzeröffnung geschädigt wurde. Dies soll lediglich nach teilweiser vertretener Auffassung dann nicht gelten, wenn die Schädigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl, § 403 Rdnr. 5; OLG Frankfurt, NStZ 2007, 168; LG Stuttgart, NJW 1998, 322 für die Konkursordnung).

Soweit diese Auffassung damit begründet wird, dass der Insolvenz- bzw. Konkursverwalter als Rechtsnachfolger im weiteren Sinn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 403 StPO in dem weiten Kreis der als Adhäsionsantragsberechtigten in Betracht kommenden Rechtsnachfolger nicht genannt sei, kann dieses Argument nicht überzeugen. Zwar ist der Insolvenzverwalter nicht Verletzter, er ist aber auch nicht Rechtsnachfolger. Sein Antragsrecht ergibt sich vielmehr daraus, dass er in eigener Parteistellung der Rechte des Schuldners und die der Insolvenzgläubiger an der Masse wahrt und zwar, so die herrschende Meinung, als Partei kraft Amtes (vgl. § 80 InsO; zum Meinungsstand s. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 51, Rdnr. 7).

Auch das Argument, dass der Sinn der Privilegierung des § 403 StPO in der Durchsetzung von Genugtuungsinteressen des persönlich Geschädigten liege, und daher der Insolvenzverwalter nicht antragsberechtigt sein könne, da seine Aufgabe darin bestehe, Interessen von Gläubigern zu schützen, überzeugt nicht. Dann könnten nämlich die Interessen des Gemeinschuldners, der nach Insolvenzeröffnung geschädigt wird, ebenfalls nicht von einem Insolvenzverwalter im Adhäsionsverfahren wahrgenommen werden. Auch nach Insolvenzeröffnung vertritt der Insolvenzverwalter in erster Linie Gläubigerinteressen, sodass es nur konsequent ist, dem Insolvenzverwalter eine Antragsbefugnis auch dann zuzusprechen, wenn der Gemeinschuldner vor der Insolvenzeröffnung geschädigt wird.

Schließlich überzeugt auch das vom OLG Frankfurt angeführte historische Argument letztlich nicht, da zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zum Opferrechtsreformgesetz nach der herrschenden Meinung der Insolvenzverwalter gerade antragsbefugt war, sodass aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Problematik im Opferrechtsreformgesetz gerade keine Schlüsse gezogen werden können (vgl. zur herrschenden Meinung für das Adhäsionsverfahren KMR-Stöckel, StPO, § 403 Rdnr. 3; LR-Hilger, a.a.O., § 403 Rdnr. 4; SK-Felten, StPO, § 403 Rdnr. 4). Wenn aber somit im Adhäsionsverfahren der Insolvenzverwalter nach in der Literatur herrschender und zutreffender Meinung antragsberechtigt ist, dann spricht dies ebenfalls dafür, ihm eine Antragsbefugnis im Rahmen der Arrestvollstreckung nach § 111 g StPO zuzubilligen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

V.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Ende der Entscheidung

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