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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 24.09.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 328/03
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 56 c
StGB § 56 c Abs. 2 Nr. 2
StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 2
StPO § 304
StPO § 453 b
StPO § 453 c
StPO § 473 Abs. 1
Die Anordnung in einem Bewährungsbeschluss, dass der Verurteilte jeden Wechsel der Wohnung oder des Aufenthalts dem Gericht mitzuteilen habe, stellt eine Weisung im Sinne von § 56 c StGB dar, deren Nichtbefolgung den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen kann; vor Erlass eines Sicherungshaftbefehls sind vorläufige Maßnahmen zu treffen, um sich der Person des Verurteilten zu versichern.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

2 Ws 328/03

In der Bewährungssache

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 7. großen Strafkammer des Landgerichts ####### vom 25. August 2003 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht ####### am 24. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse zu tragen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts ####### vom 24. Oktober 2001 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht hat in dem Bewährungsbeschluss vom selben Tage die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt und dem Verurteilten aufgegeben, während der Bewährungszeit jeden Wechsel der Wohnung oder des Aufenthalts dem Gericht unaufgefordert unter Angabe des Aktenzeichens mitzuteilen.

Im März 2003 hat das bewährungsaufsichtsführende Landgericht ####### festgestellt, dass der Verurteilte nicht mehr unter seiner zuletzt bekannten Anschrift in ####### erreichbar ist. Dem Gericht ist es trotz mehrerer Nachfragen bei Einwohnermeldeämtern, bei der Ausländerbehörde in ####### und bei dem früheren Verteidiger des Verurteilten nicht gelungen, den aktuellen Aufenthalt des Verurteilten zu ermitteln. Es liegen auch keine Informationen vor, ob der aus der Türkei stammende Verurteilte, dessen Aufenthaltserlaubnis seit 12. März 2003 erloschen ist, abgeschoben worden ist oder Deutschland freiwillig verlassen hat.

Die Staatsanwaltschaft hat im Hinblick darauf, dass der Verurteilte seiner in dem Bewährungsbeschluss enthaltenen Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist, beim Landgericht ####### den Erlass eines Sicherungshaftbefehls gemäß § 453 c StPO - hilfsweise die Verlängerung der Bewährungszeit um ein Jahr - beantragt. Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 25. August 2003 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt.

II.

Das als einfache Beschwerde nach § 304 StPO zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Sicherungshaftbefehls liegen derzeit nicht vor.

1. Nach § 453 c StPO kann ein Sicherungshaftbefehl erlassen werden, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird. Vorliegend kommt allein ein Widerruf gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen Verstoßes gegen eine Weisung in Betracht. Der Verurteilte ist seit spätestens März 2003 unbekannten Aufenthalts. Er verstößt damit gegen die ihm im Bewährungsbeschluss vom 24. Oktober 2001 auferlegte Verpflichtung, jeden Wechsel seiner Wohnung oder seines Aufenthalts dem Gericht unaufgefordert mitzuteilen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts, das sich der Sache nach an die Entscheidung OLG Köln NStZ 1994, 509 hält, ohne diese zu erwähnen, handelt es sich bei der Anordnung im Bewährungsbeschluss, der Angeklagte habe während der Bewährungszeit jeden Wechsel der Wohnung und des - ersichtlich ständigen - Aufenthalts dem Gericht mitzuteilen, um eine Weisung im Sinne von § 56 c StGB; diese ist auch bestimmt genug, weil zu Missverständnissen keinen Anlass gebend.

Nach § 453 b StPO obliegt dem Bewährungsgericht während der Bewährungszeit die Überwachung des Probanden. Dazu darf es sich auch Weisungen bedienen (vgl. gerade für den Fall der Nichtmitteilung eines Wohnungswechsels Fischer, KK z. StPO 5. Aufl. § 453 c Rdnr. 3; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 453 c Rdnr. 5; dabei ist allerdings unzutreffend von einer Auflage die Rede), solange diese Weisung zumindest auch den Zweck verfolgt, dem Verurteilten zu helfen, in seinem weiteren Leben Straftaten zu vermeiden, und nicht eine reine Kontrollfunktion übrig bleibt (vgl. BVerfG NJW 1993, 3315, 3316 für Urinkontrollen bei einem Betäubungsmittelabhängigen; vgl. auch BVerfG NJW 1995, 2279, 2280). Das Gesetz selbst gibt mit § 56 c Abs. 2 Nr. 2 StGB einen Hinweis darauf, dass eine Überwachung des Probanden in eine Weisung eingeschlossen sein kann, denn die Weisung, sich bei Gericht zu bestimmten Zeiten zu melden, die dort ausdrücklich aufgeführt ist, wird regelmäßig in erster Linie einer Kontrolle des Verurteilten dienen. Demgegenüber ist die Weisung, Wohnungswechsel und Veränderungen des dauernden Aufenthaltsortes für den Probanden erheblich weniger belastend und wird sich meist empfehlen, nachdem das Gesetz eine solche Anordnung nicht mehr ausdrücklich vorsieht (vgl. auch Gribbohm, LK z. StGB 11. Aufl. § 56 c Rdnr. 7). Da der Katalog der Weisungen nach § 56 c StGB nicht abschließend ist, ist eine entsprechende Anordnung als Weisung zulässig, sofern damit mehr erstrebt wird - nämlich Einflussnahme auf die künftige Lebensführung des Probanden - als eine reine Überwachung (für die Zulässigkeit einer solchen Anordnung als Weisung OLG Celle, Beschluss des 1. Strafsenats vom 19. August 2003 - 1 Ws 282/03 -; OLG Hamm, Beschluss des 3. Strafsenats vom 18. Dezember 1990 - 3 (s) Sbd 1 - 19/90 -; ablehend insbesondere OLG Köln NStZ 1994, 509; siehe auch OLG Bamberg NJW 1972, 2322, 2323; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 56 c Rdnr. 3 a. E.; Schönke/Schröder/Stree, StGB 26. Aufl. § 56 c Rdnr. 6 a. E.). Im vorliegenden Fall hat das die Anordnung treffende Landgericht ersichtlich beabsichtigt, dem Probanden durch die Pflicht zur Mitteilung von Wohnungs- und Aufenthaltswechseln das Gefühl zu geben, sich nicht mehr völlig unkontrolliert in Kreisen von Betäubungsmittelhändlern bewegen zu können, wie es bis zur Verurteilung geschehen war. Dass sich das Landgericht dabei auf eine wenig belastende Weisung beschränkt hat, nimmt seiner Anordnung nicht den Weisungscharakter. Ein Widerruf der Strafaussetzung kommt danach hier grundsätzlich in Betracht.

2. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Verurteilte durch sein gezeigtes Verhalten gröblich oder beharrlich gegen die ihm erteilte Weisung verstoßen hat und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird (§ 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB), weil der Erlass eines Sicherungshaftbefehls zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverhältnismäßig wäre. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind auch bei Vorliegen hinreichender Gründe für die Annahme eines Widerrufs der Strafaussetzung zunächst vorläufige Maßnahmen zu treffen, um sich der Person des Verurteilten zu versichern; nur notfalls, also wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, kommt der Erlass eines Sicherungshaftbefehls in Frage (vgl. Fischer, KK zur StPO 5. Aufl. § 453 c Rdnr. 4; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 453 c Rdnr. 9). Die hier in Betracht kommenden vorläufigen Maßnahmen wie z.B. Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung und sonstige Fahndungsmaßnahmen sowie Aufenthaltsan-frage bei dem Bundesverwaltungsamt - Ausländerzentralregister - in Köln (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1999, 476; Fischer, KK zur StPO a.a.O.; Meyer-Goßner, a.a.O.) sind im vorliegenden Verfahren noch nicht ausgeschöpft worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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