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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 27.03.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 33/00
Rechtsgebiete: AO, StPO
Vorschriften:
AO § 371 Abs. 1 | |
AO § 371 Abs. 2 | |
AO § 371 Abs. 2 Nr. 1 a | |
AO § 208 Abs. 1 Nr. 3 | |
AO § 193 | |
AO § 196 | |
AO § 371 | |
StPO § 473 Abs. 1 | |
StPO § 473 Abs. 2 |
Oberlandesgericht Celle Beschluss
2 Ws 33/00 12 KLs 141 Js 24059/98 LG Stade 141 Js 24059/98 StA Stade
In der Strafsache
gegen
den Angestellten
wegen Steuerhinterziehung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wolff, die Richterin am Oberlandesgericht Roggenbuck und den Richter am Landgericht Rosenow am 27. März 2000 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Stade vom 27. September 1999 wird verworfen.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben 304 Abs. 4 StPO).
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Stade hat den Angeschuldigten angeklagt, in der Zeit vom 30. September 1992 bis zum 15, August 1995 durch 11 Straftaten Steuerhinterziehungen begangen zu haben, und zwar Einkommensteuerhinterziehungen in Höhe von 7.561,- DM, 33.301,- DM, 51.386,- DM und 268.832,- DM für die Jahre 1991 bis 1994, Umsatzsteuerhinterziehungen in Höhe von 22.826,- DM, 102.000,- DM und 152.739,- DM für die Jahre 1993 bis 1995, Gewerbesteuerhinterziehungen in Höhe von 5.395,- DM, 6.461,- DM und 67.184,- DM für die Jahre 1992 bis 1994 sowie Schenkungssteuerhinterziehung in Höhe von 54.400,- DM im Jahr 1995. Die Staatsanwaltschaft ist dabei von folgendem durch das Ermittlungsergebnis bestätigten Sachverhalt ausgegangen:
Am 11. Januar 1996 nahmen zwei Fahndungsbeamte der Steuerfahndung Lüneburg auf Anordnung des Amtsgerichts Buxtehude an einer Durchsuchung der Kriminalpolizei wegen des Verdachts der Geldwäsche bei dem Angeschuldigten teil. Die Eheleute H hatten im Zeitraum von November 1990 bis September 1995 insgesamt ca. zwei Millionen DM auf ihrem gemeinsamen Konto eingezahlt. Der Angeschuldigte hatte lediglich für das Jahr 1994 eine Einkommensteuererklärung abgegeben, in der er 55.023,- DM als Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit als leitender Angestellter bei einem Geldtransportunternehmen angegeben hatte. Die Herkunft der Gelder konnte nicht ermittelt werden. Den wurde wiederholt mitgeteilt, dass gegen sie kein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig sei; es wurden auch keine Ermittlungen geführt. Die Eheleute wurden aufgefordert, Einkommensteuererklärungen ab 1992 einzureichen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1996 teilte der Angeschuldigte dem Finanzamt Stade mit, dass er neben seiner unselbständigen Tätigkeit ab Ende 1991 im Rahmen einer Partnerschaft auf den Balearen Boote vermittelt habe. Er habe aus dieser Tätigkeit erhebliche Einnahmen erzielt, die er in der Bareinzahlungen auf seinem Konto für die einzelnen Jahre angab. Aufgrund dieses Schreibens wurde gegen den Angeschuldigten das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Steuerverkürzungsbeiträge sind aufgrund der Angaben des Angeschuldigten festgesetzt und von diesem bezahlt worden.
Die Wirtschaftsstrafkammer hat die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten mit der Begründung abgelehnt, der Tatverdacht gegen ihn reiche nicht hin, weil sich der Anklagevorwurf ausschließlich auf das durch keinerlei Unterlagen oder Zeugen belegte Schreiben des Angeschuldigten stütze. Dieses Schreiben habe keinen Beweiswert für die Steuerhinterziehungen. Im übrigen liege in dem Schreiben vom 2. Oktober 1996 zusammen mit der zwischenzeitlich erfolgten vollständigen Nachzahlung der Steuern eine strafbefreiende Selbstanzeige.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nicht zu folgen vermag der Senat zwar der Wirtschaftsstrafkammer insoweit, als sie den hinreichenden Tatverdacht der Steuerhinterziehung aus tatsächlichen Gründen verneint. Auch wenn die Angaben des Angeschuldigten nicht durch Unterlagen oder Schriftstücke belegt sind, hat er sie doch nach anwaltlicher Beratung und in Kenntnis zumindest der steuerlichen Konsequenzen gemacht und hat auch im späteren Verfahren nicht zum Ausdruck gebracht, dass er seine Angaben nicht aufrecht erhalte.
2. Zutreffend hat das Landgericht jedoch das Vorliegen einer wirksamen Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO bejaht.
a) Die Angaben im Schreiben des Angeschuldigten vom 2. Oktober 1996 erfüllen die Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige. Der Steuerpflichtige muss, um Straffreiheit zu erlangen, eine Tätigkeit in Richtung einer Berichtigung oder Ergänzung seiner früheren oder Nachholung unterlassener Angaben entfalten und hierdurch wesentlich dazu beitragen, dass die betreffende Steuer nachträglich richtig festgesetzt werden kann. Er muss seine Fehler nach Art und Umfang offenbaren und von seinem Standpunkt aus, so wie er die Sachlage beurteilt, mit seinen Auskünften und gegebenenfalls Unterlagen dem Finanzamt eine bisher verschlossene Steuerquelle offenbaren. An den Inhalt einer Selbstanzeige dürfen dabei keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, dass das Finanzamt auf dieser Grundlage ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt aufklären und die Steuer berechnen kann (vgl. BGH NJW 1974, 2293). Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom 2. Oktober 1996. Das Finanzamt hat allein aufgrund der darin enthaltenen Angaben, die es in einem Fall sogar zugunsten des Angeschuldigten nach unten korrigiert hat, die Steuern festsetzen können. Andere Anhaltspunkte für die Steuerfestsetzung als die Einzahlungen auf dem Konto des Angeschuldigten, die dieser in dem Schreiben vollständig als Einnahmen aus der Vermittlungstätigkeit bezeichnet hat, haben auch dem Finanzamt nicht zur Verfügung gestanden.
b) Die strafbefreiende Wirkung ist nicht nach § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen.
Ein Steuerstrafverfahren ist gegen den Angeschuldigten erst nach Eingang des Schreibens vom 2. Oktober 1996 beim Finanzamt eingeleitet worden (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO). Der Angeschuldigte musste zur Zeit seiner Selbstanzeige ebensowenig mit der Entdeckung der Tat rechnen (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO), denn die Durchsuchung am 11. Januar 1996 hatte zu keinerlei Hinweisen geführt, woher die Einnahmen des Angeschuldigten stammen könnten.
Weiter steht die Teilnahme der Beamten der Steuerfahndung an der Durchsuchung nicht nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO der Straffreiheit entgegen. Zwar war der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Buxtehude nicht befugt, in dem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen die Eheleute von sich aus die Teilnahme von Beamten der Steuerfahndung anzuordnen. Da keinerlei Verdacht für ein Steuerdelikt bestand, gab es dafür keine Rechtsgrundlage. Die Beamten der Steuerfahndung waren aber jedenfalls nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO berechtigt, ihrerseits zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle bei dem Angeschuldigten zu erscheinen (sogenannte Vorfeldermittlungen). Solange nur Vorfeldermittlungen laufen, kann der Steuerpflichtige jedoch im Regelfall mit strafbefreiender Wirkung Selbstanzeige erstatten (vgl. z.B, Klos, Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung, wistra 1988, 92, 100).
Die Fahndungsbeamten erschienen schließlich nicht zur Steuerprüfung bei dem Angeschuldigten. Steuerliche Prüfung im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO ist jede rechtmäßige Maßnahme der Finanzbehörde, die der Ermittlung und Erfassung der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen dient und das Ziel gehöriger, d. h. richtiger und vollständiger Steuerfestsetzung verfolgt. Darum ging es schon deshalb nicht, weil unbekannt war, wem die Geldbeträge zuzuordnen und ob damit Steuertatbestände und wenn ja, welche verknüpft waren.
Im Übrigen schließt nicht jedes Erscheinen von Beamten zur steuerlichen Prüfung die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige für alle Steuerarten und Steuerabschnitte aus. Für den wichtigsten Fall der steuerlichen Prüfung, die Außenprüfung nach § 193 AO, ist anerkannt, dass es auf die schriftliche Prüfungsanordnung des Beamten nach § 196 AO ankommt (vgl. BGHSt. 35, 188). Auch die Nachschau im Rahmen der Steueraufsicht oder der Aufklärung dienende Einzelmaßnahmen im Zusammenhang mit einem bestimmten Vorgang im Steuerermittlungsverfahren sind steuerliche Prüfung im Sinne des § 371 AO (vgl. BayObLG wistra 1987, 77); darunter können Vorfeldermittlungen fallen. Letztere Arten der steuerlichen Prüfung können eine Selbstanzeige aber nach Auffassung des Senats nur so weit ausschließen, wie der konkrete Auftrag des Prüfers reicht. Ein Prüfungsauftrag lag hier noch nicht einmal intern vor, weil man dafür vor der Durchsuchung keinen Ansatzpunkt hatte. Die Durchsuchung hat zu keinen weiterführenden Erkenntnissen geführt.
§ 371 AO gewährt Straffreiheit nicht als Belohnung für bessere Einsichten und eigene Aufklärungsarbeit des Steuersünders, sondern als Anreiz zur Aufdeckung bisher verschlossener Steuerquellen; diese Vorschrift beruht auf rein fiskalischen Erwägungen (vgl. BGHSt. 35, 36, 37; BayObLG wistra 1985, 117). Dieser fiskalische Zweck wird in dem hier erörterten Bereich besser durch eine restriktive Auslegung der Ausschlussgründe für die Selbstanzeige erreicht; von der Vorschrift des § 371 AO soll mit Wirkung von Straffreiheit bei Selbstanzeige in möglichst großem Umfang Gebrauch gemacht werden können. Der gesetzgeberische Zweck gebietet es, denjenigen steuerlichen Ermittlungsmaßnahmen, die die strengen Anforderungen der Außenprüfung nach § 193 AO nicht erfüllen, nicht einen größeren Wirkungsbereich hinsichtlich des Ausschlusses der strafbefreienden Selbstanzeige zuzumessen als einer Außenprüfung selbst.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Erscheinen der Fahndungsbeamten die strafbefreiende Selbstanzeige nicht ausschloss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
Ende der Entscheidung
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