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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: 22 Ss 142/03
Rechtsgebiete: StGB, StPO, PUAG


Vorschriften:

StGB § 2 Abs. 3
StGB § 153
StGB § 153 Abs. 2
StGB § 154
StPO § 249 Abs. 1
StPO § 59
PUAG § 24
Eine beschworene Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtags kann trotz Art. 27 Abs. 6 S. 2 NdsVerf. wegen der in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes erlassenen geltenden Fassungen der §§ 153, 154 StGB jedenfalls nicht als Meineid bestraft werden.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

22 Ss 142/03

In der Strafsache

wegenMeineids

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Schöffengerichts ####### vom 10. Februar 2003 in der Sitzung vom 4. November 2003, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ####### als Vorsitzender,

Richter am Oberlandesgericht #######, Richter am Oberlandesgericht ####### als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt ####### als Beamter der Generalstaatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt ####### als Verteidiger,

####### als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an ein anderes Schöffengericht in ####### zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Schöffengericht ####### hat den Angeklagten durch Urteil vom 10. Februar 2003 von dem Vorwurf freigesprochen, vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch geschworen zu haben.

II.

Nach den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte nach Bestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung seit 1986 persönlicher Referent des damaligen ####### Oberbürgermeisters ####### gewesen und diesem zunächst in das Niedersächsische Innenministerium und sodann im Oktober 1998 als Leiter des persönlichen Büros des Ministerpräsidenten in die Niedersächsische Staatskanzlei gefolgt. Ab 1. Mai 1999 war er Leiter der Abteilung II (Recht, Verwaltung und Medien), ab dem 2. August 1999 Leiter der Abteilung I (Richtlinien der Politik, Ressort, Koordinierung, Grundplanung). Nach dem Rücktritt von ####### am 26. November 1999 war der Angeklagte zunächst als Leiter des Aufbaustabs der Landesvertretung in Berlin und anschließend im niedersächsischen Finanzministerium tätig.

Der niedersächsische Landtag beschloss in seiner 41. Sitzung vom 26. Januar 2000 die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, der u. a. die Aufgabe hatte, aufzuklären, inwieweit der ehemalige Minister und Ministerpräsident ####### seine Amtspflichten verletzt oder die Grundsätze über die Vermeidung von Vorteilsannahmen nicht beachtet habe. Zu der Aufgabenstellung gehörte auch die Klärung der Frage, inwieweit mit der Nutzung der Wohnung im Gästehaus der Landesregierung ####### in ####### durch den ehemaligen Ministerpräsidenten ####### geldwerte Vorteile verbunden waren, die er nicht durch ein angemessenes Entgelt ausgeglichen habe. Ferner sollte u. a. aufgeklärt werden, welche Mandate, Ehrenämter oder vergleichbare Funktionen ####### in seiner Zeit als Minister oder Ministerpräsident neben diesen Ämtern inne hatte und welche Einnahmen oder sonstige materiellen Vergünstigungen ihm daraus erwachsen waren.

Auf Beschluss des Untersuchungsausschusses vom 18. Februar 2000 wurde der Angeklagte am 3. März, 7. März und 13. April 2000 als Zeuge vernommen. Am 4. Mai 2000 wurde er auf seine Aussage vereidigt. Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ####### vom 14. Juni 2002 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, in drei Punkten vor dem Untersuchungsausschuss falsch geschworen zu haben.

a)In der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 7. März 2000 wurde der Angeklagte u. a. zu der Aufsichtsratstätigkeit des ehemaligen Ministerpräsidenten ####### befragt. Dabei ging es auch darum, ob und wann der Angeklagte und der frühere Ministerpräsident Kenntnis davon erlangten, dass Minister und der Ministerpräsident generell Abschläge für Aufsichtsratsvergütungen zu entrichten haben. Der Angeklagte soll dabei wahrheitswidrig erklärt haben, er habe sich nach Erhalt des Entwurfs eines Schreibens vom 11. Mai 1999 auch hinsichtlich des Inhalts eines Hinweises auf die Verpflichtung zur Abschlagszahlung mit dem zuständigen Referat 202 der Niedersächsischen Staatskanzlei auseinandergesetzt, obwohl die Frage der inhaltlichen Richtigkeit dieses Hinweises mit den zuständigen Referatsmitarbeitern ####### und ####### seitens des Angeklagten nie erörtert worden sei.

Nach der gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten und in den Urteilsfeststellungen wiedergegebenen Aussage des Angeklagten vor dem Untersuchungsausschuss hat dieser erklärt, dass das Erfordernis von Abschlagszahlungen ihm durch den Entwurf eines Schreibens an ####### bekannt wurde, das die Abführung von Aufsichtsratsvergütungen des #######-Werks betraf. Auf die Frage des Ausschussvorsitzenden, wen er nach dem 1. Mai 1999 über die Notwendigkeit von Abschlagszahlungen informiert habe, erklärte er wörtlich: "Ich habe mich erst mal mit dem zuständigen Referat damit auseinandergesetzt. Das ging ja hin und her, weil ich zunächst mal wissen wollte, wie die grundsätzliche Rechtslage dazu ist, die ich bis dahin nicht kannte oder zumindest nicht mehr wusste" (UA S. 6). Im Folgenden erklärte er: "Wir haben mehrere Gespräche darüber geführt, weil ich zunächst davon ausging, dass diese Formulierung nicht zutreffend sei. Wir haben darüber relativ lange gesprochen. Anschließend habe ich mich überzeugen lassen, dass es zutreffend ist, so zu verfahren" (UA S. 7).

Nach den Urteilsfeststellungen hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, es habe tatsächliche und rechtliche Probleme zur Notwendigkeit von Abschlagszahlungen gegeben, die er habe klären wollen. Er habe sich mit dem zuständigen Referat auseinander gesetzt und mehrere Gespräche geführt.

Das Schöffengericht ist der Auffassung, die Aussage des Angeklagten vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sei objektiv nicht falsch gewesen. Die Frage, ob er nicht nur die Abführungspflicht an sich, sondern auch die Notwendigkeit von Abschlagszahlungen mit den Angehörigen des zuständigen Referats inhaltlich erörtert habe, sei ihm so nicht gestellt worden, sodass er sie auch nicht ausdrücklich verneint habe und hierdurch etwa falsch ausgesagt habe. Aus der Aussage ergebe sich nicht, dass er sämtliche von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen oder auch nur einen bestimmten Teil davon mit dem Referat erörtert habe. Im Übrigen habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Notwendigkeit von Abschlagszahlungen mit dem Zeugen #######, dem Leiter des Referats 202, erörtert worden sei. Der Zeuge habe erklärt, bei Übergabe des Vermerks vom 11. Mai 1999 ein längeres Einführungsgespräch mit dem Angeklagten geführt zu haben, in dem der Inhalt der Verfügung erörtert worden sei. Ferner habe der Zeuge angegeben, es habe zwischen Mai und Juli zwei weitere Gespräche gegeben, in denen es einmal um den Beginn der Aufsichtsratstätigkeit des Ministerpräsidenten bei der ####### und zum Anderen um die rechtliche Einordnung des Aufsichtsratsmandats bei der ####### gegangen sei. Der Ministerpräsident und der Angeklagte seien zunächst der Auffassung gewesen, dass der Ministerpräsident als kommunaler Vertreter oder als Energieexperte im #######Aufsichtsrat gesessen habe und demzufolge nicht abführungspflichtig sei. In diese Gespräche sei schließlich auch der Staatssekretär ####### eingebunden worden, was zu der Feststellung geführt habe, dass es sich um ein Mandat handele, das der Ministerpräsident nur als Mitglied der Landesregierung erlangen konnte. Bei diesen Fragen - so führt das Schöffengericht aus - habe es sich unmittelbar auch um inhaltliche Erörterungen bezüglich der Abschlagszahlungen gehandelt. Da sich der Entwurf der Verfügung vom 11. Mai 1999 nach Angaben des Zeugen ####### und des Referatsmitarbeiters ####### in der Hauptverhandlung nur auf die Vergütungen durch das #######-Werk bezog, habe sich die Erörterung bezüglich der ####### und ####### zwangsläufig auch auf die Frage beziehen müssen, ob hierfür Abschlagszahlungen zu leisten seien. Es sei davon auszugehen, dass sich sämtliche Erörterungen, die die Abführungspflicht als solche betrafen, inzidenter auch auf die Frage der Abschlagszahlungen bezogen hätten. Denn nur auf Aufsichtsratsvergütungen, die überhaupt abzuführen seien, könnten Abschläge verlangt werden.

b)Dem Angeklagten ist ferner zur Last gelegt worden, er habe in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses ausgesagt, die Zeugin #######, seine Nachfolgerin als AL II, bei Übergabe der Abteilung über die offenen Punkte und das, was er insoweit bereits gemacht habe, informiert zu haben, und in der 21. Sitzung des Ausschusses auf Nachfrage angegeben, ein Übergabegespräch mit der Ministerialdirigentin ####### geführt zu haben, während eine Information bzw. ein solches Übergabegespräch tatsächlich nicht stattgefunden habe. Nach der gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten und in dem Urteil wiedergegebenen Aussage hat der Angeklagte am 7. März 2000 in der 11. Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Nutzung der Wohnung des Gästehauses der Landesregierung durch den ehemaligen Ministerpräsidenten auf die Frage, warum er eine Akte erst am 25. November - nach seinem Ausscheiden als AL II - übergeben habe, erklärt: "Ich weiß nur für den Bereich - richtig -, dass wir uns, als ich die Abteilung übergeben habe, über dieses Problem mit Frau ####### unterhalten haben und ich gesagt habe, was ich in der Zeit gemacht habe" (UA S. 21). Weiter erklärte er: "Nach meiner Erinnerung habe ich, als ich die Abteilung sozusagen übergeben habe, diese Punkte - da waren ja mehrere Punkte, die man sozusagen bespricht, weil sie noch nicht fertig sind - angesprochen und auch deutlich gemacht, in welchem Bereich ich da jetzt gehandelt habe" (UA S. 21). In der 21. Sitzung am 13. April 2000 erklärte er auf die Frage, wann er seine Nachfolgerin hinsichtlich der Wohnung im Gästehaus informiert habe: "Meiner Meinung nach haben wir ein Übergabegespräche gemacht. Ich kann das jetzt nicht auf den Tag sagen, aber da muss das passiert sein. Zumindest hat ja Frau ####### mit Herrn ####### darüber Gespräche geführt" (UA S. 22).

Auch hinsichtlich dieses Komplexes hat sich nach Überzeugung des Schöffengerichts der Vorwurf einer Falschaussage gegen den Angeklagten nicht bestätigt. Zwar stehe aufgrund der übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Zeugin ####### in der Hauptverhandlung fest, dass ein förmliches Übergabegespräch nicht stattgefunden habe. Die Frage, ob ein Übergabegespräch stattgefunden hatte, sei dem Angeklagten im Untersuchungsausschuss jedoch nicht ausdrücklich gestellt worden, sodass er sie auch nicht ausdrücklich bejaht habe und etwa hierdurch ausdrücklich falsch ausgesagt haben könne. Anhand der Aussage des Angeklagten lasse sich nicht die bestimmte Behauptung eines Übergabegesprächs feststellen. Der Angeklagte habe zu demselben Lebenssachverhalt drei verschiedene Beschreibungen abgegeben. Er habe einmal gesagt, er habe sich mit der Zeugin ####### "bei Übergabe über dieses Problem unterhalten", dann "Als ich die Abteilung sozusagen übergeben habe, habe ich diese Punkte angesprochen" und erst in einer anderen Passage "Meiner Meinung nach haben wir ein Übergabegespräch geführt". Damit habe der Angeklagte in zwei Fällen ausdrücklich nicht von einem Übergabegespräch sondern von einer Unterhaltung gesprochen. Im dritten Fall habe er den Begriff "Übergabegespräch" durch die Erklärung "meiner Meinung nach" relativiert.

c)Schließlich soll der Angeklagte vor dem Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt haben, er habe nicht mit dem persönlichen Referenten ####### über ein Schreiben vom 25. November 1999 an das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung gesprochen, in dem mitgeteilt wurde, dass die Zweitwohnungsentschädigung für die Zeit vom 1. April 1999 bis 31. Oktober 1999 zu Unrecht an den Ministerpräsidenten ####### gezahlt worden sei und verrechnet werden könne, obwohl der persönliche Referent ####### ihm das Schreiben vor Absendung zur Kontrolle vorgelegt und auf einen Hinweis des Angeklagten hin das Schreiben nicht unter dem Briefkopf des Ministerpräsidenten sondern unter seinem Briefkopf abgefasst und dem Angeklagten erneut gezeigt habe. Nach der gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten Aussage des Angeklagten hat dieser vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erklärt, von einem Schreiben des persönlichen Referenten wegen einer Entschädigung für getrennte Haushaltsführung sei ihm "hinterher berichtet" (UA S. 33) worden. Mit dem persönlichen Referenten habe er über diesen Punkt nicht gesprochen (UA S. 34) und er wisse auch nicht, ob der Referent Schreiben zum Thema Nutzungsentschädigung aufgesetzt habe (UA S. 35). Nach Überzeugung des Schöffengerichts ließ sich auch insoweit eine Falschaussage objektiv nicht feststellen. Dem Angeklagten sei im parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht die Frage gestellt worden, ob er das Schreiben vom 25. November 1999 gesehen und gelesen habe, sodass er sie auch nicht ausdrücklich verneint und hierdurch falsch ausgesagt habe. Die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung habe ergeben, dass es drei Schreiben zur Behandlung des Trennungsgeldes gegeben habe.

1.Den Entwurf eines entsprechenden Schreibens mit dem Briefkopf des Ministerpräsidenten.

Nach Angaben des Zeugen ####### habe er dieses Schreiben dem Angeklagten vorgelegt, der empfohlen habe, den Briefkopf zu ändern und das Schreiben zurückgereicht habe.

2.Ein Schreiben mit dem Briefkopf des persönlichen Referenten vom 25. November 1999, das der Angeklagte nach Angaben des Zeugen ####### tatsächlich nicht gesehen habe.

3.Ein Schreiben der Zeugin ####### mit dem Briefkopf "Niedersächsische Staatskanzlei" aus dem Dezember 1999, durch das das Schreiben vom 25. November 1999 zurückgerufen wurde. Auch dieses Schreiben habe der Angeklagte nach Bekundung der Zeugin ####### nie gesehen.

Nach Auffassung des Schöffengerichts kann sich die Aussage des Angeklagten, ihm sei nachträglich über ein Schreiben des persönlichen Referenten berichtet worden, auf das zweite geänderte Schreiben beziehen, das er tatsächlich nie gesehen hat. Die Angabe des Angeklagten, er sei höchstens in Gesprächen darüber mit dem Schreiben befasst gewesen, aber nicht mit dem Vorgang selbst, sei zutreffend. Der Begriff "nicht befasst sein" sei zugunsten des Angeklagten weit auszulegen in dem Sinne, dass er nicht dafür zuständig gewesen sei und den Vorgang auch nicht bearbeitet habe.

III.

1.Gegen dieses Urteil richtet sich das rechtzeitig eingelegte und zunächst unbestimmte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das sie fristgerecht als Revision bezeichnet und mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.

2.Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

Die Beweiswürdigung ist lückenhaft und enthält unzutreffende Bewertungen der Angaben des Angeklagten vor dem Untersuchungsausschuss.

Grundsätzlich ist vorauszuschicken: Bei einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird der Gegenstand der Vernehmung durch das im Einsetzungsbeschluss umschriebene Beweisthema begrenzt, das nicht durch den Ausschuss und seine Mitglieder erweitert werden kann (OLG Koblenz StV 1988, 531). Jedoch sind zusätzliche Fragen und Vorhalte zulässig, sofern sie sich im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit des Ausschusses halten (vgl. BGH [6. Zivilsenat] NJW 1979, 266). Antworten auf derartige Fragen müssen unabhängig von ihrer Erheblichkeit wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden.

Die wiedergegebenen Passagen der Aussage des Angeklagten als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss lassen nicht erkennen, dass er anders als auf konkretes Befragen ausgesagt hat. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Angaben bzw. Fragen mit dem Untersuchungsgegenstand des Ausschusses in keinem inneren Zusammenhang standen. Die dem Angeklagten seinerzeit gestellten Fragen waren zwar teilweise allgemein gehalten, jedoch konkret zu beantworten und betrafen auch den Untersuchungsgegenstand.

a)Vorwurf zu a) der Anklageschrift (Verpflichtung zur Abschlagszahlung als Gegenstand inhaltlicher Erörterungen).

Im Gegensatz zu den Ausführungen des Schöffengerichts ist dem Angeklagten von dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss eindeutig die Frage gestellt worden, wen er über die Abschlagszahlungen informiert habe, die er ebenso eindeutig dahin beantwortete, sich mit dem zuständigen Referat darüber auseinandergesetzt zu haben, weil er diese Frage für klärungsbedürftig gehalten habe (UA S. 6). Es ist deshalb unzutreffend, wenn das Schöffengericht ausführt (UA S. 13), die Frage nach einer inhaltlichen Erörterung nicht nur der Abführungspflicht von Aufsichtsratsvergütungen an sich sondern auch der Notwendigkeit von Abschlagszahlungen sei dem Angeklagten so nicht gestellt, sodass er sie auch nicht ausdrücklich verneint habe. Den Angaben des Angeklagten vor dem Untersuchungsausschuss wird damit eine Deutung gegeben, die sie nicht hatten.

Das Amtsgericht hat sich außerdem mit den zu einer Widerlegung der Angaben des Angeklagten möglicherweise geeigneten Aussagen der Zeugen ####### und ####### in der Hauptverhandlung nur unzureichend befasst. Zu dem so genannten "Einführungsgespräch" des Zeugen ####### mit dem Angeklagten bei Übergabe des Vermerks wird ohne nähere Einzelheiten lediglich mitgeteilt, dass der Inhalt der Verfügung mündlich erörtert worden sei. Eine gleich lautende Formulierung findet sich zusammenfassend zur Kennzeichnung des Inhalts der beiden nachfolgenden Gespräche des Zeugen ####### mit dem Angeklagten (UA S. 18): Der Zeuge ####### habe ferner angegeben, dass es zwischen Mai und Juli zwei weitere Gespräche gegeben habe, in denen es zum einen um den Beginn der Aufsichtsratstätigkeit des Ministerpräsidenten bei der ####### und zum Anderen um die rechtliche Einordnung des Aufsichtsratsmandats bei der ####### gegangen sei. Hätte sich der Inhalt der Gespräche hierauf beschränkt, wäre nur die Abführungspflicht allgemein thematisiert worden, jedoch nicht die hier in Rede stehende spezielle Fragestellung der Notwendigkeit von Abschlagszahlungen bei bestehender Abführungspflicht. Die Auffassung des Schöffengerichts, bei diesen Fragen handele es sich unmittelbar auch um inhaltliche Erörterungen bezüglich der Abschlagszahlungen, ist nicht nachvollziehbar.

Der Inhalt der Aussage des Zeugen ####### vor dem Schöffengericht fehlt in dem Urteil zudem nahezu völlig. Es wird lediglich mitgeteilt, dass dieser angegeben habe, der Entwurf der Verfügung vom 11. Mai 1999 habe sich nur auf die Vergütungen des #######-Werks bezogen. Dieses hatte auch der Zeuge ####### nach den Urteilsgründen bestätigt. Auch der Angeklagte hatte dies als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss erklärt (UA S. 6). Gleichzeitig hat er angegeben (UA S. 12), dass hinsichtlich der #######-Aufsichtsratsvergütung keine Rechtsfragen mehr aufzuklären waren. Die von ihm nachfolgend aufgeworfenen und als klärungsbedürftig bzw. für ihn zweifelhaft bezeichneten Fragestellungen bezogen sich allein auf die "Abschlagszahlungen". Dies ergibt sich eindeutig aus der vorangehenden Frage des Abgeordneten #######, welche juristischen Zweifel es denn bei ihm (dem Angeklagten) hinsichtlich der Abschlagszahlungen gegeben habe (UA S. 12). Sofern die Zeugen ####### und ####### angegeben haben sollten, dass die Notwendigkeit einer Abschlagszahlung hinsichtlich der #######-Vergütungen nicht erörtert worden sei und ihnen zu folgen wäre, läge - entgegen der Auffassung des Schöffengerichts - eine objektive Falschaussage vor.

b)Vorwurf zu b) der Anklageschrift (wahrheitswidrige Behauptung eines Übergabegesprächs des Angeklagten mit der Ministerialdirigentin ####### über die offenen Punkte und das von ihm Veranlasste)

Auch hier halten die Erwägungen des Schöffengerichts, es stehe aufgrund der Angaben des Angeklagten und der Zeugin ####### in der Hauptverhandlung zwar fest, dass es ein förmliches Übergabegespräch zwischen beiden nicht gegeben habe, die Frage, ob ein solches Gespräch stattgefunden habe, sei dem Angeklagten von dem Untersuchungsausschuss jedoch nicht gestellt worden, sodass er sie auch nicht ausdrücklich bejaht und dadurch falsch ausgesagt habe (UA S. 24), der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss wiederholt selbst die Tatsache des Übergabegesprächs mit dessen Inhalt eingeführt (UA S. 21 f.). Entgegen der Auffassung des Schöffengerichts lässt sich in der Aussage des Angeklagten die bestimmte Behauptung eines Übergabegesprächs feststellen. Die hierfür wiedergegebenen Äußerungen des Angeklagten ergeben im Kerngehalt die Erklärung, seine Nachfolgerin mündlich über die anstehenden Probleme unterrichtet und mitgeteilt zu haben, welche Maßnahmen er eingeleitet habe. Nichts Anderes ist jedoch das Wesen eines "Übergabegesprächs".

c)Zu Buchstabe c) der Anklageschrift (Erörterung des Entwurfs und der Endfassung des Schreibens vom 25. November 1993 an das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung zur Zweitwohnungsentschädigung).

In diesem Punkt halten die Erwägungen des Schöffengerichts gleichfalls der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es wird zu Unrecht darauf abgestellt, dem Angeklagten sei von dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht die Frage gestellt worden, ob er das Schreiben vom 25. November 1999 gesehen und gelesen habe, sodass er hier nicht falsch ausgesagt haben könne. Vielmehr ging es um den Anklagevorwurf, der persönliche Referent ####### habe dem Angeklagten ein von ihm unter dem Briefkopf des Ministerpräsidenten entworfenes Schreiben zur Kontrolle vorgelegt, der Angeklagte habe eine Änderung des Briefkopfes empfohlen, während der Angeklagte vor dem Untersuchungsausschuss erklärt haben soll, er habe mit dem Zeugen ####### nicht über ein solches Schreiben gesprochen. Der Angeklagte hat hierzu vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, über den Vorgang mit dem persönlichen Referenten nicht gesprochen zu haben, er wisse nicht, ob es Schreiben des Referenten gegeben habe. Demgegenüber hat der Zeuge ####### in der Hauptverhandlung den Anklagevorwurf bestätigt (UA S. 35). Der Angeklagte wäre bei Richtigkeit dieser Aussage damit entgegen seinen Angaben nicht nur nachträglich von dem Schreiben unterrichtet worden, sondern schon vor dessen Absendung am 25. November 1999 damit befasst gewesen und hätte zudem eine Abänderung angeordnet oder vorgeschlagen. Seine Angaben vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wären damit falsch. Das Urteil lässt jede Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der Aussage des Zeugen ####### in der Hauptverhandlung und dessen Glaubwürdigkeit vermissen.

Der von dem Verteidiger in der Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag, den Vorsitzenden des Schöffengerichts zum Beweise dafür zu vernehmen, er habe in das Urteil versehentlich einen nicht den Gegenstand des Verfahrens bildenden Entwurf eines Schreibens unter dem Briefkopf des Ministerpräsidenten eingefügt, ist bereits deshalb unzulässig, weil der Überprüfung durch den Senat auf die in diesem Zusammenhang nur bedeutsame Sachrüge allein die Urteilsurkunde zugänglich ist, unbeschadet dessen, ob dem erkennenden Gericht bei ihrer Abfassung ein Irrtum unterlaufen ist. Außerdem ist die Beweisbehauptung für die Senatsentscheidung ohne Bedeutung.

IV.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass im Hinblick auf § 2 Abs. 3 StGB eine Bestrafung des Angeklagten wegen Meineids nicht mehr in Betracht kommt, auch wenn eine falsche Aussage des Angeklagten vor dem Untersuchungsausschuss festgestellt wird. Vielmehr steht lediglich noch der Vorwurf einer falschen uneidlichen Aussage im Raum.

Nach bisher herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur handelte es sich bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen um eine i. S. der §§ 153, 154 StGB zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständige Stelle, sofern sie zur Vorbereitung von Handlungen des Parlaments eingesetzt werden, für die das Parlament zuständig ist und soweit sich die Ausschüsse bei ihren Ermittlungen im Rahmen des ihnen erteilten Untersuchungsauftrags halten (vgl. u. a. BVerfGE 67, 100, 131 = NJW 1984, 2271, 2273; BGHSt. 17, 128; OLG Koblenz StV 1988, 531; OLG Köln NJW 1988, 2485; LK-Ruß StGB 11. Aufl., § 153 Rdnr. 6; Schönke/Schröder/Lenckner, 26. Aufl., § 154 Rdnr. 11; Wagner GA 1976, 257; Wiefelspütz ZRP 2002, 14). Die Begründung hierfür stützt sich auf Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG, nach dem auf Beweiserhebungen der Untersuchungsausschüsse des Bundestags die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung finden. Für Untersuchungsausschüsse des Niedersächsischen Landtags enthält Art. 27 Abs. 6 Satz 2 NdsVerf. eine entsprechende Regelung. Diese Verweisung bezieht sich auf "alle einschlägigen, d. h. Beweisaufnahme und Beweismittel regelnden Vorschriften" (BVerfGE a. a. O. S. 133). Damit haben die Untersuchungsausschüsse die Bestimmungen der StPO für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zu beachten und unterliegen auch dem Vereidigungsgebot von Zeugen gemäß § 59 StPO, sofern Ausnahmen nicht gesetzlich vorgeschrieben (z. B. §§ 60, 63, 65 StPO) oder zugelassen sind (§ 61 StPO). Diese Rechtslage hat sich durch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) vom 19. Juni 2001 geändert. Die pauschale Bezugnahme des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG ist durch eine einfachgesetzliche Verfahrensregelung ersetzt worden, die in § 24 PUAG eine Vereidigung von Zeugen nicht vorsieht. Durch Art. 2 PUAG ist § 153 StGB ein zweiter Absatz angefügt worden, nach dem ein Untersuchungsausschuss eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle gleichgestellt worden ist. Bereits hieraus ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit einer beschworenen Falschaussage vor den Untersuchungsausschüssen wegen Meineids beseitigt hat (Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 153 Rdnr. 3; Hamm ZRP 2002, 11, 13; Vormbaum JZ 2002, 166, 170; so wohl auch Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 153 Rdnr. 2 b). Anderenfalls hätte ein dem § 153 Abs. 2 StGB entsprechender Absatz auch § 154 StGB angefügt werden müssen. Aus der Begründung zu § 24 PUAG ergibt sich zudem, dass diese Auffassung auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Dort wird ausgeführt, dass die Möglichkeit der Vereidigung von Zeugen durch den Untersuchungsausschuss nicht gegeben sein soll, deswegen aber § 153 Abs. 2 StGB eingeführt werden müsse, um die Strafbarkeit uneidlicher Falschaussagen sicherzustellen.

Es kann dahinstehen, ob der Bundesgesetzgeber mangels landesrechtlicher Gesetzgebungskompetenz durch die genannten Regelungen auch den Untersuchungsausschüssen des Niedersächsischen Landtags die Möglichkeit der Vereidigung von Zeugen nehmen konnte (für eine fortbestehende Möglichkeit der Vereidigung durch Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder z. B. Wiefelspütz a. a. O. S. 17). Eine beschworene Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags kann wegen der in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes erlassenen geltenden Fassungen der §§ 153, 154 StGB jedenfalls nicht als Meineid bestraft werden.

Ende der Entscheidung

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