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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 22 W 12/05
Rechtsgebiete: AufenthG, MRK, FGG


Vorschriften:

AufenthG § 62
MRK Art. 6 Abs. 3e
FGG § 14
1. Befindet sich ein Ausländer in Abschiebehaft, hat die Staatskasse die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers zu tragen, soweit dies für eine Verständigung des Betroffenen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten und für eine sachgemäße Vertretung des Betroffenen erforderlich ist.

2. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen. Ist der Betroffene zwischenzeitlich in sein Heimatland abgeschoben worden, ist die Frage der Bedürfigkeit neu zu prüfen; eine Bezugnahme auf früher eingereichte Unterlagen ist dann regelmäßig nicht ausreichend.


Oberlandesgericht Celle Beschluss

22 W 12/05

In der Abschiebehaftsache

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hannover vom 17. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### am 5. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die am 9. November 2004 erfolgte Verlängerung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht Hannover rechtswidrig war.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Auslagen des Betroffenen werden nicht erstattet.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F. wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene war als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Seinen Asylantrag wie auch den Antrag auf Durchführung des weiteren Asylverfahrens hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Braunschweig abgelehnt. Weil er in der Folgezeit nicht freiwillig ausreiste, hat das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld am 29. September 2004 die Abschiebehaft - Sicherungshaft - angeordnet.

Das Amtsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 9. November 2004 nach vorheriger mündlicher Anhörung des Betroffenen die Abschiebehaft auf Antrag des Landkreises Goslar um längstens sechs Wochen verlängert.

Einen am 3. November 2004 gestellten Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen, die Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers für ein Vorbereitungsgespräch mit dem Betroffenen zu übernehmen, hatte das Amtsgericht zuvor am 5. November 2004 abgelehnt.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hat der Betroffene noch am selben Tage sofortige Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Am 24. November 2004 ist der Betroffene abgeschoben worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die sofortige Beschwerde verworfen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt.

Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigten am 29. Dezember 2004 zugestellten Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner bei Gericht am 12. Januar 2005 eingegangenen weiteren sofortigen Beschwerde und beantragt festzustellen, dass die Inhaftierung des Betroffenen in Abschiebehaft rechtswidrig war. Er rügt insbesondere den Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Weiter beantragt er, ihm auch für diesen Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.

II.

Die nach §§ 27, 29 FGG i.V.m. § 7 FrhEntzG zulässige weitere sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Gesetzes.

Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Hannover verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen ist, und es hat den Verfahrensfehler selbst auch nicht geheilt. Der Betroffene hatte nicht die Möglichkeit, seine Rechte hinreichend wahrzunehmen. Ihm stand ein Recht auf Übernahme der Kosten für ein Gespräch mit seinem Verfahrensbevollmächtigten unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Vorbereitung des Verfahren zu.

Befindet sich ein Ausländer in Abschiebehaft, hat die Staatskasse die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers zu tragen, soweit dies für eine Verständigung des Betroffenen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten und für eine sachgemäße Vertretung des Betroffenen erforderlich ist.

Ausländer in der Bundesrepublik haben die gleichen prozessualen Grundrechte sowie den gleichen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren und auf umfassenden und objektiven gerichtlichen Schutz wie Deutsche (BVerfG NJW 1975, 1597). Nach Art. 6 Abs. 3e MRK hat jede angeklagte Person das Recht, die unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache nicht spricht. Die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung ist auch auf Freiheitsentziehungen außerhalb des Strafverfahrens zu übertragen (BVerfG NJW 2004, 50). In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Anspruch auf Beiziehung eines Dolmetschers nicht nur für die Hauptverhandlung (§ 185 GVG), sondern für das gesamte Verfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche - soweit erforderlich - gilt (BGHSt 46, 178).

Das Amtsgericht hat den im Vorfeld der mündlichen Anhörung gestellten Antrag des Betroffenen auf Hinzuziehung eines Dolmetschers für Vorbereitungsgespräche nach alldem zu Unrecht abgelehnt. Ein derartiges Gespräch wäre - trotz des kurzen Zeitraums zwischen Antragstellung und Anhörung - noch möglich gewesen. Dass sich der Betroffene während der Anhörung bzw. in deren kurzen Unterbrechungen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten mit Hilfe des Dolmetschers besprechen konnte, ist für eine sachgerechte Vertretung nicht als ausreichend anzusehen. Hinreichende Zeit zur Vorbereitung von etwaigen Anträgen oder Beweisanregungen bestand nicht mehr. Dies gilt insbesondere, weil das Gericht angesichts der am nächsten Tage ablaufenden Frist bereits am Tage der Anhörung entscheiden musste und auch entschieden hat.

Das Landgericht, dem die Akten auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hin am 15. November 2004 vorgelegt worden sind, hat den Betroffenen im Hinblick auf die am 24. November 2004 erfolgte Abschiebung nicht erneut mündlich angehört und ihm auch keine Gelegenheit zur Besprechung mit seinem Verfahrensbevollmächtigten unter Hinzuziehung eines Dolmetscher gewährt. Der Verfahrensfehler ist mithin nicht geheilt.

III.

Der Senat hat in der Sache selbst entschieden. Die Sache ist entscheidungsreif. Die erforderlichen Feststellungen sind getroffen; der Verfahrensfehler ist infolge der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung des Betroffenen nunmehr unheilbar.

Auf den entsprechenden Antrag des Betroffenen war daher unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung festzustellen, dass die am 9. November 2004 erfolgte Verlängerung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht Hannover rechtswidrig war.

IV.

Gerichtskosten nach § 14 FrhEntzG waren wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben, § 16 KostO. Dies gilt insgesamt, d.h. sowohl für das Verfahren über die weitere sofortige und die sofortige Beschwerde als auch für die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Abschiebehaft.

Von der Auferlegung der Auslagen des Betroffenen auf den beteiligten Landkreis nach § 16 FrhEntzG hat der Senat abgesehen. Zwar hat das Rechtsmittel des Betroffenen Erfolg, weil die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft durch das Amtsgericht rechtsfehlerhaft war. Voraussetzung für den Auslagenersatz nach § 16 FrEntzG wäre aber, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages auf Freiheitsentziehung durch die Verwaltungsbehörde nicht vorgelegen hätte. Dies aber ist nicht der Fall. Aus den im angefochtenen Beschluss insoweit zutreffend ausgeführten Gründen lagen die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft vor.

Eine Übernahme der notwendigen Auslagen des Betroffenen durch die Staatskasse sieht das Gesetz im Verfahren über die Anordnung der Abschiebehaft auch für den Fall einer erfolgreichen (weiteren sofortigen) Beschwerde nicht vor.

V.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war - unabhängig vom Erfolg der weiteren sofortigen Beschwerde - zurückzuweisen, weil der Antragsteller seine Bedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt hat, § 14 FGG i.V.m. § 114, 117 Abs. 2 ZPO.

Prozesskostenhilfe ist für jede Instanz erneut zu beantragen und zu bewilligen. Maßgeblich ist jeweils der letzte Erkenntnisstand des Gerichts, also der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Dies gilt auch für die Beurteilung der Bedürftigkeit (OLG Frankfurt JurBüro 1986, 1260; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rdn. 53 m.w.N.).

Zwar hat der Betroffene unter dem 4. Oktober bzw. 9. November 2004 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Akten gebracht; er ist aber zwischenzeitlich aus der Abschiebehaft entlassen und in sein Heimatland abgeschoben worden. Inwieweit seine Bedürftigkeit fortbesteht oder aber eine Veränderung der Vermögensverhältnisse eingetreten ist, ist nicht dargetan.

Soweit der Betroffene auf einen entsprechenden Hinweis des Senats hat vortragen lassen, eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation erscheine "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ausgeschlossen, weswegen auf die eingereichten Unterlagen Bezug genommen werde, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Eine Bezugnahme reicht nur dann aus, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse unverändert geblieben sind oder dies zumindest anwaltlich versichert wird (Zöller, ebenda). Dies aber ist hier gerade nicht der Fall.

Ende der Entscheidung

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