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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: 22 W 44/08
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 104 Abs. 2 |
Oberlandesgericht Celle Beschluss
In der Abschiebungshaftsache
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts H. vom 11. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 8. Oktober 2008 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Betroffenen sowie über die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde an das Landgericht H. zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
1.Der Betroffene wendet sich mit seiner weiteren sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts, mit welchem seine gegen den Beschluss des Amtsgerichts N. vom 24. Mai 2008 gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden war. Das Amtsgericht hatte auf einen Feststellungsantrag des Betroffenen entschieden, dass dessen Ingewahrsamnahme am 28. Januar 2008 bis zu seiner richterlichen Vorführung am 29. Januar 2008 nicht rechtswidrig gewesen sei und hat hierzu ausgeführt, ein vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf Art. 104 Abs. 2 GG anscheinend für erforderlich gehaltener Bereitschaftsdienst sei nicht zumutbar und beim Amtsgericht N. daher auch nicht eingerichtet. Art. 104 Abs. 2 GG erfordere nicht, dass ein Richter sich nach Dienstschluss mit einer Fahrtzeit von bis zu einer Stunde zum Gericht begebe. Auch ein kasernierter Justizdienst werde vom Grundgesetz nicht gefordert. Überdies sei der zuständige Richter am Vormittag des 29. Januar 2008 wegen einer Sitzung ohnehin verhindert gewesen, so dass eine nicht unverzüglich erfolgte Vorführung sich nicht ausgewirkt habe. Das Landgericht hat diese Auffassung uneingeschränkt auch seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
2. Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern ergangen. So genügt die Entscheidung zunächst nicht der auch dem Landgericht als Beschwerdegericht nach § 12 FGG obliegenden Pflicht zur Sachaufklärung. Zu besorgen ist überdies eine Verletzung von Art. 104 Abs. 2 GG und § 31 Abs. 1 BVerfGG.
Die angefochtene Entscheidung teilt bereits nicht mit, wann genau am 28. Januar 2008 [offenbar aber vor 16:00 Uhr], durch wen und wo der Betroffene festgenommen wurde. Dies lässt sich auch aus dem übrigen Vorbringen nicht zuverlässig entnehmen. Aus dem Beschluss geht auch nicht hervor, ob es sich um eine geplante oder um eine spontane Festnahme des Betroffenen gehandelt hat, die eine längere Bearbeitungszeit der Beteiligten vor einer Vorführung rechtfertigen könnte. Auch wird nicht mitgeteilt, wann die Beteiligte von der Festnahme des Betroffenen Kenntnis erhielt, und ob bzw. welche Maßnahmen vor einer Zuführung noch erforderlich waren (z.B. Identitätsfeststellung oder ausländerrechtliche Ermittlungen bei einer entfernt belegenen Behörde). Offen bleibt auch, ob die Beteiligte am 28. Januar 2008 eine Vorführung beim Amtsgericht versucht hatte bzw. weshalb die Vorführung erst am 29. Januar 2008 um etwa 14.00 Uhr erfolgte. Ohne diese Feststellungen aber ist im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde eine Überprüfung, ob der in Freiheitsentziehungssachen zu beachtende Beschleunigungsgrundsatz hinreichend beachtet wurde, nicht abschließend möglich.
Namentlich ist so nicht feststellbar, ob bzw. bis wann der Betroffene noch am 28. Januar 2008 einem Richter hätte vorgeführt werden können oder müssen.
Nähere Feststellungen zur - tatsächlichen oder geschäftsplanmäßigen - Erreichbarkeit eines Richters am Amtsgericht N. fehlen ebenso. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind diese Feststellungen gerade nicht entbehrlich.
Höchst vorsorglich weist der Senat indessen darauf hin, dass die angefochtenen Entscheidungen kaum werden Bestand haben können, soweit hierin - mit überdies teilweise fragwürdigen Erwägungen - die nunmehr ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Notwendigkeit des richterlichen Bereitschaftsdienstes (vgl. nur Beschlüsse vom 15.5.2002 [2 BvR 2292/00], 4.2.2005 [2 BvR 308/04] und 13.12.05 [2 BvR 447/05] in Frage gestellt wird (vgl. auch OLG Celle vom 22.12.2004 [16 W 155/04]). Jedenfalls werden hierzu bemühte Versäumnisse der Gerichtsorganisation oder der Justizverwaltung kaum geeignet sein, verzögerte und deshalb rechtswidrige Freiheitsentziehungen zu rechtfertigen. Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein Richter oder der notwendige Folgedienst im Rahmen des erforderlichen Bereitschaftsdienstes notfalls eine Anreise von einer Stunde in Kauf nehmen müssen, um dem Erfordernis des Art. 104 GG Rechnung zu tragen. Schließlich unterliegt nicht unerheblichen Zweifeln, ob sich eine schließlich am 29. Januar 2009 um etwa 14:00 Uhr erfolgte Vorführung letztlich nicht ausgewirkt hat, weil der ,zuständige' Richter am Vormittag des 29. Januar 2008 wegen einer Sitzung "gebunden" war. In dem dem Senat vorliegenden Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts N. dürften sind übliche Vertretungsregelungen getroffen worden.
Wenngleich hiernach viel dafür spricht, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen bis zur schließlich erfolgten Vorführung in den späten Mittagsstunden des Folgetages - zumindest teilweise - rechtswidrig war, kam mangels zureichender Feststellungen eine eigene Sachentscheidung durch den Senat nicht in Betracht. Vielmehr wird nunmehr das Landgericht H. Gelegenheit haben, die gebotenen Feststellungen nachzuholen - und sodann seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung hieran - und an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auszurichten. Auf die Vorschrift des § 31 Abs. 1 BVerfGG wird vorsorglich hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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