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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 222 Ss 34/02 (Owi)
Rechtsgebiete: OWiG
Vorschriften:
OWiG § 9 | |
OWiG § 14 | |
OWiG § 47 | |
OWiG § 130 | |
OWiG § 30 Abs. 4 | |
OWiG § 9 Abs. 2 Nr. 2 | |
OWiG § 9 Abs. 1 Nr. 1 | |
OWiG § 30 Abs. 1 Nr. 1 |
2. Beauftragter i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kann auch eine juristische Person sein.
Oberlandesgericht Celle Beschluss
222 Ss 34/02 (Owi) 224 Js 14035/01 StA #######r
In der Bußgeldsache
wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ####### gegen das Urteil des Amtsgerichts ####### vom 24. September 2001 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 23. Mai 2002 beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts ####### zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk hat gegen die Nebenbeteiligte im selbstständigen Verfahren gemäß § 30 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch Bußgeldbescheid vom 15. Dezember 2000 ein Bußgeld in Höhe von 100.000,- DM festgesetzt, weil ihre damaligen Geschäftsführer #######, gegen die das Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt worden ist, vorsätzlich entgegen § 49 Abs. 1 Nr. 18 des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages Schleichwerbung verbreitet hätten. Bei der am 16. September 2000 um 20.15 Uhr im Auftrage der ####### ausgestrahlten Livesendung "#######" sei gegen das Schleichwerbungsverbot, auf dessen Einhaltung die Nebenbeteiligte vertraglich ausdrücklich hingewiesen worden sei, verstoßen worden, indem der Moderator ####### nach einem Telefonanruf der Firma ####### wiederholt unter Nennung des Firmennamens auf die von dieser unentgeltlich gestellten Reisemobile hingewiesen habe.
Das Amtsgericht ####### hat die Nebenbeteiligte aus Rechtsgründen freigesprochen. Eine schuldhafte oder vorwerfbare Tat eines oder mehrerer der Geschäftsführer liege nicht vor. Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 18 des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages richte sich gegen denjenigen, der als Veranstalter Schleichwerbung verbreite. Die Nebenbeteiligte sei nicht Veranstalterin der Sendung gewesen, sondern lediglich Produzentin. Sie habe ihr Produkt an die ####### verkauft, welche die Sendung als Veranstalterin verbreitet habe. Eine Übertragung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Veranstalterin aus dem Rundfunkstaatsvertrag auf die Nebenbeteiligte durch einen zivilrechtlichen Vertrag sei nicht möglich. Weil die Nebenbeteiligte nicht Normadressatin des § 49 Abs. 1 Nr. 18 des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags sei, sei den Geschäftsführern auch keine Verletzung einer Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG vorzuwerfen. Eine Beauftragung der Nebenbeteiligten im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG scheide aus, weil es sich bei dem Beauftragten immer um eine natürliche Person handeln müsse. Eine Beteiligung an einer gegebenenfalls durch die ####### oder deren Geschäftsführer begangenen Ordnungswidrigkeit (§ 14 OWiG) scheitere daran, dass eine notwendigerweise vorsätzliche Haupttat des Geschäftsführers der ####### nicht erkennbar sei; die Niedersächsische Landesmedienanstalt selbst habe diesem nur eine fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht vorgeworfen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ####### mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils sind lückenhaft; sie vermögen den Freispruch nicht zu tragen.
1. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob das Amtsgericht zu Recht die Veranstaltereigenschaft der Nebenbeteiligten verneint hat.
a) Der vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält ebensowenig wie die vorangegangenen Fassungen und derzeit geltende fünfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Definition des Begriffs "Veranstalter". § 49 des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags richtet sich an Veranstalter von bundesweit verbreitetetem privaten Rundfunk. Rundfunk ist nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Rundfunk ist danach auch eine einzelne Sendung; Veranstalter kann mithin sein, wer eine einzelne Rundfunksendung herstellt und ausstrahlt. Dies entspricht auch der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 9. November 1993 (Nds. GVBl. 1993, 523) bzw. in § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Niedersächsischen Mediengesetzes vom 1. November 2001 (Nds. GVBl. 2001, 680), wonach Rundfunkveranstalter ist, wer ein Rundfunkprogramm oder eine Rundfunksendung unter eigener Verantwortung gestaltet und verbreitet.
Das Bundesverfassungsgericht hat definiert, dass als Veranstalter eines Rundfunkprogramms anzusehen ist, wer seine Struktur festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet. Durch diese auf das gesamte Programm bezogenen Tätigkeiten unterscheidet er sich vom bloßen Zulieferer einzelner Sendungen oder Programmteile. Nicht notwendig ist dagegen, dass der Veranstalter das Programm selbst ausstrahlt oder die einzelnen Sendungen selbst produziert. Ob jemand ein Programm in dem genannten Sinn veranstaltet, beurteilt sich nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Unerheblich ist, ob sie auch vom Gesetz als Rundfunkveranstaltung bezeichnet oder anerkannt wird (BVerfGE 97, 298, 310; so auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, Stand Januar 2001, § 20 Rdn. 10).
Legt man die Begriffsbestimmung im Niedersächsischen Rundfunkgesetz bzw. im Niedersächsischen Mediengesetz sowie entsprechend angewendet auf die einzelne Sendung die Veranstalterdefinition des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, entscheidet sich die Frage, ob der Hersteller einer einzelnen bundesweit verbreiteten Sendung Veranstalter oder lediglich Zulieferer (des Programmveranstalters) ist, daran, ob er die Entscheidungsbefugnis bezüglich ihres Inhalts und ihrer Ausstrahlung hat, nicht hingegen danach, ob er nach dem Rundfunkstaatsvertrag zugelassen und lizensiert ist.
b) Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Nebenbeteiligte nicht Veranstalterin der fraglichen Livesendung am 16. September 2000 war. Sie enthalten keine Angaben dazu, wer den Inhalt der Sendung bestimmt hat, ob die Nebenbeteiligte die Sendung streng nach Weisung und Vorgaben der ####### erstellt hat oder ob sie inhaltliche Gestaltungsfreiheit hatte. Auch ist nicht festgestellt, ob die ####### unter den besonderen Bedingungen der Live-Ausstrahlung überhaupt Einfluss auf den Inhalt der Sendung nehmen konnte. Nicht festgestellt ist ferner, wie die Ausstrahlung rein technisch erfolgt ist, d. h. wer die Technik für die Ausstrahlung der Livesendung zur Verfügung gestellt und bedient hat und wer die Entscheidungsbefugnis darüber besaß, die Ausstrahlung durchzuführen und nicht abzubrechen.
2. Wenn die Nebenbeteiligte nicht selbst Veranstalterin der fraglichen Sendung am 16. September 2000 gewesen sein sollte, wird das Amtsgericht zu klären haben, ob sie als Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG gehandelt hat. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um eine Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zu verneinen.
a) Mit der Frage, ob Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nur eine natürliche Person oder auch eine juristische Person sein kann, haben sich Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, noch nicht auseinandergesetzt. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts, dass Beauftragter im Sinne dieser Vorschrift nur eine natürliche Person sein kann. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich dies nicht. Der Begriff "jemand" steht zwar in § 9 OWiG als Synonym für eine handelnde Person, die demgemäß eine natürliche Person sein muss. § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG zeigen aber, dass die handelnde natürliche Person Organ einer weiteren juristischen Person sein kann, die als solche vertretungsberechtigtes Organ ist (GmbH & Co. KG). Demgemäß dürfte es auch in § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zulässig sein, eine juristische Person zu beauftragen, die durch ihr Organ oder einen weiteren Beauftragten handelt.
Die Systematik des Ordnungswidrigkeitengesetzes sieht gerade durch die Vorschriften der §§ 9, 30 und 130 OWiG Möglichkeiten vor, die Handlungen natürlicher Personen einer juristischen Person zuzurechnen. Die Vorschriften sollen eine intensive Bekämpfung von Zuwiderhandlungen in Betrieben und Unternehmen bewirken, da sie die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen in solchen Einrichtungen erheblich ausdehnen (Többens NStZ 1999, 1 m. w. N.). Dieser Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG spricht dafür, auch juristische Personen als Beauftragte zu erfassen. Anderenfalls könnte die Bußgeldbewährung der Erfüllung unternehmensbezogener Pflichten in weitem Umfang dadurch unterlaufen werden, dass die betreffenden Aufgaben auf ein als juristische Person organisiertes Unternehmen übertragen werden. Unstreitig ist darüber hinaus in der Kommentarliteratur, dass Betriebsfremde wie Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater mit der Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben beauftragt werden können (vgl. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 13. Aufl., § 9 Rdn. 23; KK-Rogall, OWiG, 2. Aufl., § 9 Rdn. 81). Die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters kann aber auch durch entsprechende Gesellschaften mit beschränkter Haftung ausgeübt werden, die ihrerseits durch einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater vertreten werden (§ 32 Abs. 3 StBerG; § 1 Abs. 3 WPO). Auch dies spricht dafür, die Beauftragung einer juristischen Person für zulässig zu halten.
b) Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, ob die Nebenbeteiligte von der ####### im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG mit der Einhaltung des Schleichwerbungsverbots beauftragt worden ist. Insoweit bedarf es näherer Feststellungen zu der zwischen der Nebenbeteiligten und der ####### vereinbarten Aufgabenverteilung und zu dem Ablauf der Livesendung. Eine Eigenverantwortlichkeit des Beauftragten im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn er in der Lage ist, von sich aus und ohne Nachfrage bei anderen Stellen die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Vermeidung der Zuwiderhandlung erforderlich sind (vgl. KK-Rogall a.a.O. Rdn. 80 m. w. N.). Ob die Nebenbeteiligte die Befugnis hatte, unmittelbar die Einhaltung des Schleichwerbungsverbots durchzusetzen, ist offen. Da es sich bei der Nebenbeteiligten um eine juristische Person handelt, wird das Amtsgericht weiterhin Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die damaligen Geschäftsführer der Nebenbeteiligten ihre Pflichten verletzt haben, sei es direkt oder indem sie ihrer Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG nicht nachgekommen sind.
3. Der Senat vermag anhand der Urteilsfeststellungen nicht einmal zu überprüfen, ob in der fraglichen Sendung Schleichwerbung (vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 6 des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags) verbreitet worden ist. Es fehlen ausreichende tatsächliche Angaben zu den Umständen innerhalb und außerhalb der Sendung, aus denen sich eine Schleichwerbung für die Firma ####### ergeben kann. Hierbei wird es zum einen darauf ankommen, wer welche Verträge mit der Firma ####### über die Gestellung der Reisemobile geschlossen hat, ob etwa der Firma ####### eine namentliche Erwähnung in der Sendung und eine lobende Hervorhebung der Reisemobile zugesagt worden ist. Zum anderen sind auch die Umstände im Sendeablauf, welche sich auf die Reisemobile beziehen, im Einzelnen darzustellen, um die Überprüfung zu ermöglichen, ob sich die Erwähnung der Reisemobile im Rahmen des dramaturgisch eventuell notwendigen gehalten hat oder nicht (zu den Kriterien, die für eine Schleichwerbung sprechen, vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner a.a.O. § 7 Rdn. 48).
4. Das Amtsgericht hat auch eine Tatbeteiligung der Nebenbeteiligten an einem Verstoß gegen das Schleichwerbungsverbot durch die ####### gemäß § 14 OWiG auf der Grundlage unzureichender Feststellungen verneint. Ob eine (bedingt) vorsätzliche Handlung des Geschäftsführers der ####### vorgelegen hat, musste das Tatgericht selbständig anhand aller Umstände feststellen, ohne Bindung an die Würdigung des Verhaltens durch die Niedersächsische Landesmedienanstalt im Bußgeldbescheid. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Abgrenzung der Verantwortlichkeit zwischen der Nebenbeteiligten und der ####### (siehe auch schon oben unter II. 1. und 2.), zur betriebsinternen Organisation der #######, zu der Absprache mit der Firma ####### und zum Ablauf der Sendung (siehe oben unter II 3.) bedurft.
Ende der Entscheidung
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