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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 16.11.2007
Aktenzeichen: 23 W 179/07
Rechtsgebiete: Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz, Gesetz über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit


Vorschriften:

Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz § 18
Gesetz über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit § 1
Das Deutsche Rote Kreuz e. V. und seine Untergliederungen genießen keine Gerichtskostenfreiheit nach dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz aus dem Jahre 1937.
23 W 179/07

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts H. - Einzelrichter - vom 20.08.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht ####### am 16. November 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Alleingesellschafter der DRK Kreisverband ####### e.V. (Drittwiderbeklagter) ist, betreibt mehrere Seniorenheime. Sie nahm den Beklagten vor dem Landgericht H. auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 177.822,97 € in Anspruch. Dieses Darlehen hatte der Beklagte in seiner damaligen Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin erhalten, um damit einer "Investitionsgesellschaft ####### GbR" zusätzliches Eigenkapital zu verschaffen. Eine direkte Beteiligung des DRK-Kreisverbandes war mit dem Investitions- bzw. Abschreibungsmodell der Investitionsgesellschaft steuerlich unvereinbar, sodass der Umweg über das Darlehen an eine Privatperson gewählt wurde, die sich damit wiederum an der GbR beteiligen sollte. Das Geschäft scheiterte, weil der Beklagte die Darlehensvaluta zweckwidrig verwendete.

Mit Einreichung der Klage leistete die Klägerin einen Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 4.068 €. Das Landgericht H. verurteilte den Beklagten am 23.06.2006 zur Zahlung von 177.822,97 €, die Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht Celle am 14.02.2007 zurück.

Am 21.06.2007 erließ das Landgericht H. eine Zweitschuldnerkostenrechnung gegen die Klägerin in Höhe von 4.818 € abzüglich der anzurechnenden Vorschüsse in Höhe von 4.068 €, mithin noch 750 €. Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 22.05.2007 Rückzahlung des Gerichtskostenvorschusses von 4.068 € beantragt hatte, weil sie für sich Gerichtskostenfreiheit nach dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz vom 09.12.1937 in Anspruch nahm, legte ihr Prozessbevollmächtigter, der zugleich die Drittwiderbeklagte vertreten hatte, nun mit Schreiben vom 30.07.2007 Erinnerung gegen die Zweitschuldnerkostenrechnung vom 21.06.2007 ein. Der Einzelrichter des Landgerichts H. wies die Erinnerung mit Beschluss vom 20.08.2007 zurück, weil die Klägerin in Niedersachsen nicht von den Gerichtskosten befreit sei. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Der Einzelrichter des Senats hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 66 Abs. 6 Satz 2 GKG) auf den Senat übertragen.

II.

1. Durch die Kostenrechnung beschwert ist die DRK Gesellschaft mbH, während die Erinnerung und die Beschwerde von ihrem Prozessbevollmächtigten im Namen der Drittwiderbeklagten, des DRK Kreisverbandes ####### e.V., eingelegt wurden. Auf Hinweis des Gerichts hat der Prozessbevollmächtigte beider juristischer Personen jedoch klargestellt, dass es sich bei der Benennung der Drittwiderbeklagten als Rechtsmittelführerin um ein Büroversehen handele, sowohl die Erinnerung wie die Beschwerde seien für die Klägerin erhoben worden.

Damit ist die Beschwerde zulässig.

2. Sie ist indes unbegründet. Die DRK Gesellschaft mbH kann die in § 18 des Gesetzes über das Deutsche Rote Kreuz vom 09.12.1937 vorgesehene Gerichtskostenfreiheit nicht für sich in Anspruch nehmen.

a) Das Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz aus dem Jahre 1937 schloss den bis dahin bestehenden Deutsche Rote Kreuz e.V. mit dem Reichsfrauenbund und den Untergliederungen des Deutschen Roten Kreuzes zu einer Einheit "Deutsches Rotes Kreuz" zusammen, § 1 des Gesetzes. Gleichzeitig wurde die Rechtspersönlichkeit des Deutschen Roten Kreuzes als Verein mit den traditionell nach Vereinsrecht organisierten Untergliederungen auf Landes- und Bezirksebene umgewidmet in eine von der Reichsregierung kontrollierte Institution öffentlichen Rechts, die die Aufgaben des bisherigen Deutschen Roten Kreuzes e.V. übernehmen sollte. Gemäß § 7 des Gesetzes wurden die nach § 1 zusammengeschlossenen Verbände, Vereine und sonstigen Untergliederungen des eingetragenen Vereins mit dem Inkrafttreten des Gesetzes aufgelöst. Die neue Rechtsform als öffentlich-rechtliche Institution und auch die neu eingeführte staatliche Kontrolle wird verdeutlicht durch § 5 des Gesetzes, wonach der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes vom "Führer und Reichskanzler" berufen und abberufen wurde und er seinen Stellvertreter nur mit Zustimmung des Reichsministers des Innern, des Reichskriegsministers und Oberbefehlshabers der Wehrmacht sowie des Stellvertreters des Führers berufen konnte. Der Reichsminister des Innern führte gemäß § 6 des Gesetzes die Aufsicht über das Deutsche Rote Kreuz.

Aus allem ergibt sich, dass durch das Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz vom 09.12.1937 der damalige Verein in eine anstaltsähnliche Institution des Reiches umgewandelt und deshalb - wie andere staatliche und der NSDAP nahestehende Organisationen jener Zeit - von Gerichtsgebühren befreit wurde (vgl. zum damaligen Kreis der Berechtigten für eine Gerichtsgebührenbefreiung Baumbach, Die Reichskostengesetze, 8. Aufl. 1938, § 90 GKG Anm. 2-4).

b) Das Deutsche Rote Kreuz in der Rechtsform des Gesetzes vom 09.12.1937 wurde nach dem 2. Weltkrieg durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10.10.1945 aufgelöst. Nach Art. I 1. dieses Kontrollratsgesetzes wurden "die NSDAP, ihre Gliederungen, die ihr angeschlossenen Verbindungen und die von ihr abhängigen Organisationen, einschließlich der halbmilitärischen Organisationen und aller anderen Nazi-Einrichtungen, die von der Partei als Werkzeuge ihrer Herrschaft geschaffen wurden", abgeschafft und für ungesetzlich erklärt. Diese Bestimmung erstreckte sich auch auf das Deutsche Rote Kreuz nach dem Gesetz vom 09.12.1937 (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15.06.1970 - V C 69.69 -, juris; OLG Koblenz JurBüro 1995, 650).

Das Deutsche Rote Kreuz in seiner heutigen Rechtsform wurde 1950 als Verein neu gegründet (vgl. die Satzung des Deutschen Roten Kreuzes in der Fassung vom 04.02.1950) und in das Vereinsregister eingetragen. Nach § 1 seiner Satzung in der Fassung vom 12.11.1993 ist das deutsche Rote Kreuz die Gesamtheit aller Mitglieder, Verbände, Vereinigungen und Einrichtungen des Roten Kreuzes in der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um eine Dachorganisation, deren Mitglieder die Landesverbände sind, die wiederum die Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz den ihnen angeschlossenen Kreisverbänden, Ortsvereinen, Vereinigungen und deren Mitgliedern vermitteln. Die Mitgliedsverbände sind selbstständig (vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Satzung vom 12.11.1993).

Diese Verfassung des Deutschen Roten Kreuzes entspricht derjenigen vor Erlass des Gesetzes vom 09.12.1937 und hat nichts gemein mit dem Deutschen Roten Kreuz, das durch das Gesetz vom 09.12.1937 ins Leben gerufen wurde. So fehlt dessen Eingliederung in die staatliche Organisation, es fehlt die Einheitsfunktion für das gesamte Staatsgebiet, es fehlt die besondere staatliche Kontrolle, die das Gesetz von 1937 vorsah. Zudem ist die Organisation von 1937 durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 aufgelöst und der 1950 gegründete Verein hat ihre Nachfolge allenfalls in einer vergleichbaren Zielsetzung, nicht aber in der Rechtspersönlichkeit angetreten. Deshalb gilt das Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz vom 09.12.1937 und die dort unter § 18 vorgesehene Gebührenfreiheit nicht für den 1950 gegründeten eingetragenen Verein Deutsches Rotes Kreuz (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 08.05.2007 - 23 W 94/07 -; ebenso OLG Koblenz, a. a. O.; OLG München, MDR 1998, 184 und OLG Hamburg MDR 2007, 55 sowie Beschluss vom 04.10.2006 - 8 W 165/06 -).

c) Auch eine entsprechende Anwendung der in § 18 des Gesetzes über das Deutsche Rote Kreuz vom 09.12.1937 vorgesehenen Gebührenfreiheit auf das Deutsche Rote Kreuz und seine Untergliederungen in der heutigen Rechtsform kommt nicht in Betracht (vgl. den Senatsbeschluss vom 08.05.2007 a.a.O.; OLG Hamburg MDR 2007, 55; anders vor allem OLG Hamburg, Beschluss vom 04.10.2006 a. a. O. und Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 2 S. 23). Das OLG Hamburg begründet seine entgegenstehende Auffassung in dem Beschluss vom 04.10.2006 insbesondere mit der ähnlichen Zwecksetzung der Institution von 1937 und dem heutigen Verein und wendet die Gebührenfreiheit auf das heutige Deutsche Rote Kreuz an, weil die gemeinnützigen mildtätigen Zwecke und die Einbindung in die internationale Organisation des Roten Kreuzes für beide Organisationen Geltung hätten. Diese Argumentation verkennt allerdings die gänzlich unterschiedliche Rechtspersönlichkeit beider Organisationen und berücksichtigt zudem nicht, dass die gemeinnützigen mildtätigen Zwecke der NS-Organisation auch und wohl nicht zuletzt militärischen Zwecken dienten, wie die Einbindung des Reichskriegsministers und Oberbefehlshabers der Wehrmacht in die Entscheidungsgremien belegt. Zudem hat die Einbindung in die internationale Organisation des Roten Kreuzes zweifellos auch dazu gedient, über das reichsstaatlich kontrollierte Deutsche Rote Kreuz bestimmenden und steuernden Einfluss auf die internationalen Gremien des Roten Kreuzes zu nehmen.

Darüber hinaus besteht auch weder eine gesetzliche Regelungslücke noch ein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des für eine staatliche Organisation geschaffenen Gesetzes von 1937 auf das Deutsche Rote Kreuz in seiner heutigen Form.

aa) Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 08.05.2007 ausgeführt, dass die für eine Analogie erforderliche Regelungslücke in Niedersachsen nicht besteht. Durch das Gesetz über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten in der Gerichtsbarkeit vom 10.04.1973 (Nds.GVBl S. 111) ist die Gebührenfreiheit im Gerichtswesen ausdrücklich geregelt. Danach sind Körperschaften, Vereinigungen und Stiftungen, die gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken i. S. des Steuerrechts dienen, nur gemäß § 1 Abs. 2 von der Zahlung der Gebühren nach der Kostenordnung und der Gebühren in Justizverwaltungsangelegenheiten befreit, gemäß § 1 Abs. 1 aber nicht von der Zahlung der Gebühren der ordentlichen Gerichte in Zivilsachen. Die Angelegenheit ist in Niedersachsen deshalb abschließend geregelt in dem Sinne, dass gemeinnützigen Organisationen bewusst nur in einem begrenzten Umfang von der Gebührenpflicht befreit werden sollten (vgl. für das jeweilige Landesrecht auch OLG Koblenz, a. a. O., OLG Hamburg, MDR 2007, 55 sowie OLG München, MDR 1998, 184).

Diese niedersächsische Regelung bzw. ihre Auslegung durch den Senat steht - anders als die Klägerin meint - auch bereits deshalb nicht im Widerspruch zu Art. 31 GG, weil es entgegenstehendes Bundesrecht nicht gibt. Die Gerichtsgebührenbefreiung durch das in Bundesrecht überführte Reichsgesetz vom 09.12.1937 betrifft - wie ausgeführt - nicht das Deutsche Rote Kreuz in seiner heutigen Gestalt.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Bundesgesetzgeber dieses Gesetz bisher nicht aufgehoben habe und meint, deshalb sei es weiter anzuwenden, muss jedenfalls nach einzelnen Bestimmungen des Gesetzes differenziert werden. Auch die Klägerin wird nicht behaupten wollen, dass etwa die im Gesetz von 1937 niedergelegte Verfassung des Deutschen Roten Kreuzes - mit den Genehmigungsvorbehalten durch den "Führer" und seinen Stellvertreter, die Einbindung des Reichskriegsministers oder die Auflösung aller Landesverbände und Unterorganisationen des Deutschen Roten Kreuzes - weiterhin gelten solle. Andererseits könnten einzelne Bestimmungen des Gesetzes möglicherweise auch für das heutige Deutsche Rote Kreuz noch gelten, ohne dass der Senat dies letztlich entscheiden müsste. Die notwendige Differenzierung ergibt jedenfalls, dass § 18 des Gesetzes vom 09.12.1937 über die Gerichtsgebührenfreiheit des Deutschen Roten Kreuzes ebenso wie die Vorschriften des Gesetzes über die Verfassung des damaligen Roten Kreuzes leer läuft.

Das Bundesministerium der Justiz plant im übrigen einen Gesetzentwurf, mit dem "unstreitig entbehrlich gewordenes Bundesrecht" und u. a. das Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz von 1937, aufgehoben werden soll (vgl. Art. 7 und die Begründung des Referentenentwurfes des BMJ vom 05.05.2006).

bb) Im Hinblick auf eine analoge Anwendung von § 18 des Gesetzes über das Deutsche Rote Kreuz von 1937 fehlt es auch an jedem Bedürfnis, den Verein Deutsches Rotes Kreuz gegenüber anderen Vereinen oder Organisationen mit gemeinnütziger und mildtätiger Zielsetzung zu privilegieren. Die Privilegierung durch das Gesetz von 1937 beruhte auf der Entscheidung des NS-Gesetzgebers, das Deutsche Rote Kreuz in die staatliche Organisation einzugliedern und es staatlicher Kontrolle zu unterstellen. Unter der heutigen Rechtslage besteht indessen kein Grund und keine Rechtfertigung für eine solche Bevorzugung des Deutschen Roten Kreuzes gegenüber vergleichbaren anderen Organisationen.

Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, welches Bedürfnis gerade im vorliegenden Fall dafür sprechen könnte, den Streit aus einer gescheiterten Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften durch einen Verzicht auf Gerichtsgebühren zu subventionieren.

d) Danach kann offen bleiben, in welcher Weise die Klägerin als Kapitalgesellschaft, die nach der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes e. V. jedenfalls nicht zu dessen Mitgliedsverbänden zählt, überhaupt irgendwelche Rechte des Vereins, wenn sie denn bestehen, für sich beanspruchen könnte. Allein die Funktion ihres Alleingesellschafters als Mitgliedsverband des Roten Kreuzes e. V. begründet ein solches Recht jedenfalls nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

Ende der Entscheidung

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