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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 10.05.2000
Aktenzeichen: 3 ARs 9/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 111 a
Über die Beschwerde gegen eine Anordnung des Ermittlungsrichters entscheidet nach Anklageerhebung das erkennende Gericht (hier Strafrichter) und nicht die Strafkammer als Beschwerdekammer (Umdeutung der eingelegten Beschwerde in Aufhebungsantrag).
Oberlandesgericht Celle

3 ARs 9/00 33 Qs 5/2000 LG 703 Js 61318/99 StA

Beschluss

(Zuständigkeitsbestimmung)

In der Strafsache

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Vorlage durch den Strafrichter am Amtsgericht vom 16. Februar 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 10. Mai 2000 beschlossen:

Tenor:

Der Strafrichter am Amtsgericht ist zur Entscheidung der vorliegenden Sache ("Beschwerde" gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters vom 28. September 1999) zuständig.

Gründe:

I.

Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts hat dem Angeschuldigten mit Beschluss vom 28. September 1999 gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Hiergegen hat der Angeschuldigte am 16. Dezember 1999 Beschwerde eingelegt. Vor einer Entscheidung darüber ist am 28. Dezember 1999 Anklage zum Strafrichter in erhoben worden. Mit Verfügung vom 30. Dezember hat der Strafrichter u.a. die Anklagezustellung verfügt, "der Beschwerde nicht abgeholfen" und die Akten über die Staatsanwaltschaft dem Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde zugeleitet.

Mit Beschluss vom 10. Januar 2000 hat die 3. Strafkammer des Landgerichts sich als Beschwerdegericht für unzuständig erklärt, weil nach erfolgter Anklageerhebung die Beschwerde gegen die Entscheidung des Ermittlungsrichters als Antrag an den Strafrichter zu behandeln sei, über den dieser zunächst zu entscheiden habe.

Der Strafrichter in hält sich ebenfalls für unzuständig, weil das Amtsgericht nach § 73 GVG sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im anhängigen Strafverfahren als einheitliche, vom Zeitpunkt der Anklageerhebung nicht berührte Eingangsinstanz anzusehen sei und daher Beschwerden gegen Entscheidungen nicht nur des Strafrichters, sondern auch des Ermittlungsrichters gemäß §§ 304 ff. StPO stets der nächst höheren Instanz, also dem Landgericht, zur Entscheidung vorzulegen seien - und zwar auch dann, wenn schon Anklage erhoben worden sei -.

Mit Verfügung vom 16. Februar 2000 hat der Strafrichter die Vorgänge über die Staatsanwaltschaft dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt (Eingang: 3. Mai 2000).

II.

1. Der Senat ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß §§ 14, 19 StPO zuständig.

2. Über die noch nicht erledigte "Beschwerde" des Angeschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts vom 28. September 1999 hat nicht die Strafkammer als Beschwerdeinstanz, sondern zunächst der Strafrichter in in eigener originärer Zuständigkeit zu entscheiden. Die Beschwerde ist in einen Antrag auf Aufhebung dieses Beschlusses umzudeuten. Erst die ergehende Entscheidung des Strafrichters unterliegt der Anfechtung.

a) Es entspricht einhelliger Meinung, dass die Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters nach Anklageerhebung auf das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständige Gericht, nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf das erkennende Gericht und im Falle der Berufungseinlegung auf das Berufungsgericht übergehen. Nach herrschender Meinung ist eine Beschwerde gegen eine Entscheidung zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn bis zur Entscheidung darüber ein Zuständigkeitswechsel eintritt, vom nunmehr zuständigen Gericht als originärer Antrag zu behandeln, abweichend von dem vorangegangenen Beschluss im Sinne des Beschwerdebegehrens sachlich zu entscheiden. Dies gilt insbesondere in den Fällen der Erhebung der öffentlichen Klage und auch dann, wenn bei demselben Amtsgericht sich lediglich die Zuständigkeit vom Ermittlungsrichter zum Strafrichter oder zum Vorsitzenden des Schöffengerichts verschiebt. Dasselbe gilt für die Fälle, dass Anklage zur Strafkammer erhoben wird oder dass dem Berufungsgericht die Akten nach § 321 StPO vorgelegt werden. In all diesen Fällen kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerde vor oder nach dem maßgeblichen Zeitpunkt (Erhebung der öffentlichen Klage; Vorlage der Akten nach § 321 StPO) erhoben wurde. Erst die nunmehr ergehende Entscheidung des jetzt zuständigen Richters ist beschwerdefähig (Löwe-Rosenberg-Schäfer, 24. Aufl., Rdnr. 90 zu § 111a StPO; Senatsbeschluss NJW 1961, 1417; OLG Hamm NJW 1969, 149; OLG Karlsruhe MDR 1974, 159; Beschluss des hiesigen 1. Strafsenats in NStE Nr. 4 zu § 111a StPO; a.M. KMR-Plöd, StPO, Rdnr. 2 zu § 310; OLG Stuttgart NStZ 1990, 141).

b) Der Senat gibt der herrschenden Meinung den Vorzug, zumal es bei der Entscheidung des OLG Stuttgart (a.a.O.) und der Kommentierung bei KMR-Plöd (a.a.O.) nicht um die konkrete vorliegende Fallkonstellation geht, sondern um die Frage der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde in der Berufungsinstanz.

Mit der förmlichen Beschwerde anfechtbar sind nur aktuelle Entscheidungen des jeweils mit der Sache befassten Gerichts. Denn nur dieses ist auf Grund des engen Zusammenhangs zwischen vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO und endgültiger Entziehung derselben nach § 69 StGB in der Lage, nach neuestem Erkenntnisstand sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Mit der Sache befasst ist seit der Erhebung der öffentlichen Klage der Strafrichter in. Deshalb muss dieser auf eine "Beschwerde" hin die Entscheidung des Ermittlungsrichters in eigener originärer Zuständigkeit überprüfen und sie zunächst quasi zu seiner eigenen machen, bevor sie dann anfechtbar wird und von der nächsten Instanz überprüft werden kann. Die Entscheidung des Ermittlungsrichters hingegen ist - hinsichtlich ihrer förmlichen Anfechtbarkeit - durch die Anklageerhebung prozessual überholt. In diesem Zusammenhang erscheint es auch begrifflich widersinnig, dass der Strafrichter der Beschwerde über einen Beschluss, den nicht er, sondern der Ermittlungsrichter erlassen hat, abhelfen oder nicht abhelfen können soll. Der Verweis auf die "einheitliche Eingangsinstanz" verfängt nicht. Weiter ist zu bedenken, dass - würde der Auffassung des Amtsgerichts gefolgt - bei einer Anklageerhebung vor der Strafkammer diese sowohl in der Hauptsache als auch als Beschwerdeinstanz über Beschlüsse des Ermittlungsrichters entscheiden würde.

Der "Nichtabhilfebeschluss" des Strafrichters vom 30. Dezember 1999 stellt für sich keine anfechtbare Entscheidung dar, weil er in Verkennung der eigenen originären Zuständigkeit ergangen ist und im Übrigen entgegen § 34 StPO eine Begründung fehlte. Außerdem fehlt es insoweit auch an einer Anfechtung.

Hiernach war der Strafrichter in als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Ende der Entscheidung

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