Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: 3 U 1/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 765
BGB § 767
Die durch die Verlängerung einer Abbaugenehmigung entstehende zeitliche Verzögerung verletzt nicht das Verbot der Fremddisposition des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, wenn der Bürge eine unbefristete Bürgschaft auch für künftige Ansprüche aus der Rekultivierung des Grundstücks übernommen hat.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 1/06

Verkündet am 7. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sch., den Richter am Oberlandesgericht Dr. Sch. und die Richterin am Landgericht G. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. November 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten im Rahmen von Klage und Widerklage um eine Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin. Die Klägerin begehrt die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde, der Beklagte macht widerklagend die Zahlung des Bürgschaftsbetrages geltend.

Die Firma Kieswerk W., Inhaberin Frau M. K., beantragte beim Beklagten eine Abbaugenehmigung, die der Beklagte am 28. März 1996 erteilte (Anlage K 1). Die Abbaugenehmigung war bis April 2001 befristet und enthielt als Auflage gleichzeitig eine Rekultivierungs/Renaturierungsverpflichtung der Frau K.. Die Abbaugenehmigung war außerdem unter der Bedingung erteilt worden, dass Frau K. eine unbefristete Sicherheit in Höhe von 50.000,00 DM zur Sicherung der Erfüllung der naturschutzrechtlichen Nebenbestimmungen (Auflagen) stellte. In Höhe von 25.000,00 DM übernahm die Klägerin die Stellung der Sicherheit. Sie verbürgte sich gegenüber dem Beklagten gemäß Bürgschaftserklärung vom 15. Mai 1996 (Anlage K 2) selbstschuldnerisch unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage bis zu einem Höchstbetrag von 25.000,00 DM für gegenwärtige und künftige Ansprüche der Hauptschuldnerin M. K. hinsichtlich der "Rekultivierung Flur 13 Flurstück 127 der Gemarkung L. in Größe von 03.90.49 ha". Da die Hauptschuldnerin den genehmigten Bodenabbau nicht innerhalb der Befristung abschließen konnte, beantragte sie mit Schreiben vom 28. März 2001 (Anlage BE 1) die Verlängerung der Abbaugenehmigung. Mit 1. Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2001 (Anlage B 1) wurde die Genehmigung durch den Beklagten um 3 1/2 Jahre verlängert, ohne dass die Klägerin hiervon Kenntnis erlangte. Die Hauptschuldnerin setzte den Abbau fort und nahm gleichzeitig teilweise Rekultivierungsmaßnahmen vor.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 6. Mai 2003 wurde über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Verlängerung der Abbaugenehmigung um eine verbotene Fremddisposition über die der Bürgschaft zugrunde liegende Schuld handele, weil sich hierdurch das Rekultivierungsrisiko und das Insolvenzrisiko erheblich erhöht hätten. Die Bürgschaft sei daher erloschen, sodass ihr ein Anspruch auf Herausgabe der Urkunde zustehe. Im Übrigen sei die Hauptschuld verjährt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie die Bankbürgschaftsurkunde vom 15. Mai 1996, mit der zur bankinternen Bearbeitung versehenen Nr. 12 2 0694 682, über eine von der Klägerin zu Gunsten des Beklagten eingegangene Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von 25.000,00 DM, zur Sicherung von Ansprüchen des Beklagten gegenüber Frau M. K. wegen einer Rekultivierung des Grundstückes Flur 13, Flurstück 127 der Gemarkung L. in Größe von 03.90.49 ha, herauszugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat er beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an ihn 12.782,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2005 zu zahlen.

Hilfsweise hat er beantragt,

die Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen Herausgabe der Bankbürgschaftsurkunde vom 15. Mai 1996 über 25.000,00 DM.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Bürgschaft wirksam sei, weil sie - ohne auf die Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 Bezug zu nehmen - unbefristet erteilt worden ist und sich auch auf künftige Forderungen beziehe. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, weil er, was zwischen den Parteien unstreitig ist, gegenüber dem Insolvenzverwalter sofort geltend gemacht worden sei und dieser ihn für den Eventualfall anerkannt habe. Im Übrigen hat der Beklagte behauptet, dass der Rekultivierungsaufwand mehr als 25.000,00 EUR betrage.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. M. zur Höhe des erforderlichen Rekultivierungsaufwandes die Klage abgewiesen und der Widerklage im Hinblick auf den Hilfsantrag stattgegeben. Ein Anspruch auf Auszahlung der Bürgschaftssumme bestehe, weil diese für Ansprüche übernommen sei, die der Beklagte gegenüber M. K. gegenwärtig habe oder künftig erwerben werde. Eine verbotene Fremddisposition über die Bürgschaftsschuld läge nicht vor, weil die Verlängerung der Abbaugenehmigung keine wesentliche Veränderung der ursprünglichen Hauptschuld darstelle. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich im Übrigen, dass die der Bürgschaft zugrunde liegende Hauptschuld zumindest in Höhe der Bürgschaftssumme von 25.000 DM bestehe. Auch sei der Hauptanspruch des Beklagten gegenüber M. K. wegen des Anerkenntnisses des Insolvenzverwalters nicht verjährt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Insbesondere vertritt sie die Ansicht, dass das Landgericht fehlerhaft einen Verstoß gegen das in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB normierte Verbot der Fremddisposition verneint habe. Durch die Verlängerung der Abbaugenehmigung habe sich die Hauptschuld wesentlich verändert. Hierdurch sei für sie ein deutlich höheres Risiko entstanden. Dies gelte zum einen hinsichtlich der Verlängerung des Zeitrisikos, zum anderen hinsichtlich der Bonität der Schuldnerin. Auch wenn sie eine unbefristete Bürgschaft erteilt habe, so habe sie davon ausgehen können, dass sich der zu erwartende Rekultivierungsaufwand aus dem Zeitraum bis zur Befristung der ersten Abbaugenehmigung, d. h. bis zum 1. April 2001, ergeben werde. Durch die Verlängerung der Abbaugenehmigung sei es jedoch zu einem erweiterten Rekultivierungsaufwand gekommen, was das Landgericht fehlerhaft nicht gesehen habe. Würde man die Verlängerung der Abbaugenehmigung im Hinblick auf die Bürgschaftserteilung für zulässig erachten, so würde dies dazu führen, dass der Beklagte und die Schuldnerin immer weitere Verlängerungen hätten vereinbaren können, wodurch sich das Risiko der Klägerin immer weiter erhöht hätte, ohne dass sie hierauf Einfluss gehabt hätte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 15. November 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Lüneburg zu Geschäftszeichen 2 O 309/04 den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Bankbürgschaftsurkunde vom 15. Mai 1996, mit der zur bankinternen Bearbeitung versehenen Nummer 12 2 0694 682 über eine von der Klägerin zu Gunsten des Beklagten eingegangene Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von 25.000 DM zur Sicherung von Ansprüchen des Beklagten gegenüber Frau M. K. wegen einer Rekultivierung des Grundstücks Flur 13 Flurstück 127 der Gemarkung L. in einer Größe von 03.90.49 ha, herauszugeben und unter Aufhebung des am 15. November 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Lüneburg zu Geschäftszeichen 2 O 309/04 die am 28. Dezember 2004 erhobene Widerklage sowie den in der mündlichen Verhandlung vom 1. November 2005 gestellten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 29. September abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er vertritt insbesondere die Auffassung, dass sich eine unzulässige Risikoerhöhung der Klägerin nicht ergeben habe. Denn diese habe eine unbefristete Bürgschaft übernommen, die sich nicht etwa auf eine bestimmte Forderung bezogen habe, sondern auf den gesamten zu erwartenden Rekultivierungsaufwand. Dieser habe sich durch die Verlängerung der Genehmigung auch nicht verändert, weil die ursprünglich vorgesehene Abbaumenge nicht erhöht worden sei. Selbst wenn es sich um eine unzulässige Verlängerung der Abbaugenehmigung gehandelt habe, sei hierdurch jedenfalls nicht die Bürgschaftshaftung der Klägerin insgesamt erloschen sei, sondern diese lediglich auf die ursprüngliche Abbaugenehmigung beschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Akten 7 IN 57/03 Amtsgericht Uelzen waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage unter Berücksichtigung der hilfsweise beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung stattgegeben.

I.

Dem Beklagten steht der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der Bürgschaftssumme in Höhe von 12.782,30 EUR aus § 765 Abs. 1 BGB Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaftsurkunde zu, weil sich die Klägerin wirksam für die vom Beklagten geltend gemachte Hauptschuld verbürgt hat, die gesicherte Hauptschuld besteht und der Bürgschaftsfall eingetreten ist.

1. Grundlage der wirksamen Verbürgung ist ein schriftlicher Bürgschaftsvertrag, der neben dem Verbürgungswillen des Bürgen die Person des Gläubigers und des Hauptschuldners sowie die fremde Schuld, für die gebürgt werden soll, in bestimmbarer Weise erkennen lässt. Diesen Voraussetzungen genügt die schriftliche und ausdrücklich als "Bankbürgschaft" bezeichnete Erklärung vom 15. Mai 1996. Denn aus ihr ergeben sich zum einen die beteiligten Personen. Zum anderen wird ausdrücklich auf Ansprüche des Beklagten gegen die Hauptschuldnerin M. K. aus "Rekultivierung Flur 13 Flurstück 127 der Gemarkung L. in Größe von 03.90.49 ha" Bezug genommen, so dass die gesicherte Hauptschuld - jedenfalls nach Auslegung der Bürgschaftserklärung - bestimmbar ist.

2. Da der Bürgschaftsvertrag in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 geschlossen wurde, in der die Leistung einer unbefristeten Sicherheit zur Bedingung gemacht wurde, und die abgesicherten Ansprüche des Beklagten identisch sind mit den sich aus der Abbaugenehmigung ergebenden Rekultivierungs- bzw. Renaturierungspflichten der Hauptschuldnerin, sichert die Bürgschaft ohne weiteres jedenfalls diejenigen Ansprüche des Beklagten, die sich unmittelbar aus der Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 ergeben hätten. D. h. die Klägerin hätte aus der Bürgschaft auf jeden Fall für diejenigen Rekultivierungskosten einstehen müssen, die sich ergeben hätten, wenn der Abbau bereits im Jahr 2001 beendet worden wäre und die Hauptschuldnerin ihrer Pflicht zur Rekultivierung nicht nachgekommen wäre.

3. Die Bürgschaft sichert darüber hinaus aber auch diejenigen Ansprüche des Beklagten im Hinblick auf die Rekultivierung des Grundstücks ab, die sich erst aufgrund der Verlängerung der Abbaugenehmigung ergeben haben.

a) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Bürgschaftserklärung vom 15. Mai 1996, wonach die Klägerin sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Ansprüche des Beklagten gegenüber der Hauptschuldnerin im Hinblick auf die Rekultivierung des Grundstücks absichern wollte. Insbesondere durch die Einbeziehung auch künftiger Ansprüche kommt dabei zum Ausdruck, dass sich der Umfang der durch die Rekultivierung entstehenden Kosten bei Übernahme der Bürgschaft noch nicht feststellen ließ. Da die Bürgschaft zudem unbefristet ist und auch nicht auf die Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 bzw. die darin enthaltene Befristung Bezug nimmt, folgt hieraus, dass sich die Bürgschaft auf sämtliche Ansprüche bis zum vereinbarten Betrag von 25.000,00 DM bezieht, die aus der Rekultivierung des konkret bezeichneten Grundstücks entstehen, unabhängig davon, wann und in welcher Höhe die Ansprüche entstehen.

b) Zwar sind bei der Auslegung einer Bürgschaftserklärung neben dem bloßen Wortlaut auch der Zweck der Bürgschaft und die Gründe, die zur Übernahme der Bürgschaft geführt haben (sog. Anlass), zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 1999, 3195 - zitiert nach juris). Auch insoweit ergibt sich jedoch nichts anderes. Grund für die Erteilung der Bürgschaft war ersichtlich die in der Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 geforderte Sicherheit. Denn zum einen stand diese in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Bürgschaft. Zum anderen entspricht die erteilte Bürgschaft genau der Hälfte derjenigen Sicherheit, die der Beklagte in der Abbaugenehmigung zur Bedingung gemacht hatte. Zweck der Bürgschaft war infolgedessen die konkrete Absicherung etwaiger Forderungen des Beklagten gegen die Hauptschuldnerin, die sich aus der geforderten Rekultivierung des Grundstücks ergeben würden. Die Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 hat allerdings in der Bürgschaftserklärung keine Erwähnung gefunden. Vielmehr wurde lediglich allgemein auf die Rekultivierung des Grundstücks abgestellt. Als Anlass für die Bürgschaft kann daher auch nicht etwa die konkrete Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 einschließlich der in ihr enthaltenen Abbaufrist bis zum 1. April 2001 angesehen werden, sondern vielmehr die Rekultivierung des Grundstücks als solche.

4. Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB berufen, wonach die Verpflichtung des Bürgen durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, nicht erweitert wird. Dieses sog. "Verbot der Fremddisposition" ist verletzt, wenn der Bürge einem für ihn in seinem Umfang nicht vorhersehbaren, über das aktuelle Sicherungsbedürfnis des Gläubigers hinausreichendem Risiko ausgesetzt wird, also der Kreis der künftigen Forderungen nicht von Anfang an klar abgesteckt ist (Palandt-Sprau, BGB, 65. Auflage, § 765, Rn. 20 m. w. N.). Ein solcher Verstoß gegen das Verbot der Fremddisposition durch die Verlängerung der Abbaugenehmigung liegt aber nicht vor.

a) Dabei steht einer Anwendung des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht entgegen, dass die Parteien eine Höchstbetragsbürgschaft vereinbart haben (vgl. BGH NJW 1996, 2369 - zitiert nach juris). Zwar ist das Haftungsrisiko des Bürgen in diesem Fall durch den vereinbarten Höchstbetrag begrenzt. Eine Erweiterung der Haftung im Sinne von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB könnte aber dergestalt stattfinden, dass Gläubiger und Hauptschuldner unbeschränkt neue Verbindlichkeiten begründen, die alle in Höhe der vereinbarten Haftungssumme von der Bürgschaft gedeckt wären. Würde man dies zulassen, so würde dem Bürgen der Höchstbetragsbürgschaft - anders als dem Bürgen einer unbegrenzten Bürgschaft - der gesetzliche Schutz des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB versagt werden, wofür keine nachvollziehbaren Gründe ersichtlich sind.

b) Ein Verstoß gegen das Verbot der Fremddisposition über die Bürgschaftsschuld wäre grundsätzlich zu bejahen, wenn die Identität der Hauptschuld durch die Verlängerung der Abbaugenehmigung verändert worden wäre, wobei die Bürgschaft in diesem Fall sogar vollständig erlöschen würde (Palandt-Sprau, a. a. O., § 767, Rn. 3). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Denn die Pflicht der Hauptschuldnerin zur Rekultivierung des Grundstücks ist dem Grunde nach gleich geblieben und damit durch die Verlängerung nicht in ihrer Identität verändert worden. Der Beklagte hat sowohl die Abbaugenehmigung als auch die sich hieraus ergebende Pflicht der Hauptschuldnerin zur Rekultivierung mit 1. Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2001 um 3 1/2 Jahre verlängert. Mit Ausnahme einer weiteren Auflage, in der zur Geländemodellierung und Bepflanzung eines Teils des Grundstücks weitere Fristen gesetzt wurden, ist der ursprüngliche Genehmigungsbescheid vom 28. März 1996 dabei unverändert geblieben. Insbesondere ist der Hauptschuldnerin weder eine größere Abbaumenge eingeräumt noch ist ihr ein größeres Grundstück zur Verfügung gestellt worden.

c) Ein Verstoß gegen das Verbot der Fremddisposition wäre auch dann zu bejahen, wenn die Verlängerung der Abbaugenehmigung zu einer wesentlichen Änderung der Belastung der Klägerin geführt hätte. Bei der Beurteilung, ob eine nur unwesentliche und damit hinzunehmende Änderung vorliegt, ist entscheidend, ob sich der Bürge nach Treu und Glauben an seiner Erklärung festhalten lassen muss (vgl. Palandt-Sprau, a. a. O., § 767, Rn. 3), wovon vorliegend auszugehen ist. Eine wesentliche Belastungsänderung liegt daher nicht vor.

Eine wesentliche Änderung der Belastung kann zum einen nicht darin gesehen werden, dass die Hauptschuldnerin bis zum Ablauf der ursprünglichen Befristung den Abbau des Grundstücks nicht vollständig durchführte. Zwar hat sich der Rekultivierungsaufwand durch den späteren Mehrabbau möglicherweise erhöht. Hierauf kommt es aber nicht an, weil die Hauptschuldnerin auch schon aufgrund der ursprünglichen Abbaugenehmigung berechtigt gewesen wäre, das Grundstück vollständig abzubauen. Die ursprüngliche Abbaugenehmigung enthält nämlich gerade keine Beschränkung oder etwa die Angabe einer bestimmten Abbaumenge. Hätte die Hauptschuldnerin daher bis 2001 alles abgebaut, so wäre die Klägerin bereits nach Ablauf der ursprünglichen Befristung voll einstandspflichtig gewesen. Die Klägerin kann sich insoweit daher nicht darauf berufen, dass sich ihre Belastung durch die Verlängerung erhöht habe. Vielmehr ist ihre Belastung identisch geblieben. Die Klägerin hätte nach Ablauf der ursprünglichen Befristung lediglich damit rechnen können, aus der von ihr übernommenen Bürgschaft möglicherweise nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen zu werden. Dies kann aber nicht dazu führen, die erst später erfolgte Ausschöpfung der von Anfang an vorgesehenen Abbaumenge als Belastungsänderung anzusehen.

Eine wesentliche Belastungsänderung kann auch nicht in der zeitlichen Verzögerung gesehen werden, die durch die Verlängerung entstand. Zwar wurde die Frist, innerhalb derer die Hauptschuldnerin abbauen durfte, nicht unerheblich von 5 auf 8 1/2 Jahre verlängert. Dies führte dazu, dass die Hauptschuldnerin erst nach Ablauf der 8 1/2 Jahre verpflichtet gewesen wäre, die abschließende Rekultivierung des abgebauten Grundstücks durchzuführen. Dementsprechend hätte auch die Klägerin frühestens zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden können. Dies wiederum hätte durchaus eine Risikoerhöhung für die Klägerin zur Folge gehabt, weil auch sie bei der Hauptschuldnerin erst später hätte Regress nehmen können und sich hierdurch der Zeitraum ihrer Haftung verlängert hätte (vgl. OLG Hamm, BauR 2002, 495 - der Fall ist allerdings im Ergebnis nicht vergleichbar, weil die dortige Bürgschaftserklärung ausdrückliche, später abgeänderte Fristbestimmungen hinsichtlich des Ausführungszeitraums der Hauptschuld enthält, woraus das OLG Hamm gefolgert hat, dass die Bürgin gerade für die Einhaltung dieser Fristen durch die Hauptschuldnerin einstehen wollte). Diese Risikoerhöhung stellt aber deshalb keine wesentliche Belastungsänderung im Sinne von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB dar, weil sie in der Bürgschaftserklärung bereits angelegt ist (vgl. BGH NJW 1999, 3195 und BGH NJW 2000, 2580 - jeweils zitiert nach juris). Denn die Klägerin hat die unbefristete Bürgschaft auch für künftige Ansprüche aus der Rekultivierung des Grundstücks übernommen. Sie musste also damit rechnen, bis zur Höhe der von ihr übernommenen Bürgschaft für die Gesamtrekultivierung einzustehen, unabhängig davon, wann diese durchgeführt werden würde. Dass die Abbaufrist verlängert wurde und die Gesamtrekultivierung erst aufgrund der Verlängerung stattfinden konnte, stellt dabei im Hinblick auf die umfassend übernommene Bürgschaft eine nur unwesentliche Änderung dar, so dass sich die Klägerin - trotz der zeitlichen Verzögerung - an ihrer uneingeschränkten Erklärung festhalten lassen muss.

5. Aus dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die vom Beklagten geltend gemachte Hauptschuld auch in Höhe von mindestens 12.782,30 EUR besteht. Denn der Sachverständige Dipl.-Ing. M. kommt auf Seite 13 seines Gutachtens vom 31. August 2005 zu dem Ergebnis, dass für die noch ausstehenden Erdbewegungsmaßnahmen 10.672,00 EUR und für Pflanz und Begrünungsmaßnahmen weitere Kosten in Höhe von 13.137,00 EUR entstehen werden. Hierbei legt der Sachverständige zwar keinen detaillierten Pflanzplan oder eine Stückliste zugrunde. Er hat den jeweiligen Pflanz und Begrünungsbedarf aber anhand des Rekultivierungsplanes und der darin dargestellten Bereiche flächenmäßig ermittelt, so dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin kein Anlass zu Zweifeln an seinen Feststellungen besteht. Aus dem Gutachten ergibt sich im Übrigen, dass dem Sachverständigen die Abbaugenehmigung vom 28. März 1996 vorlag, in der insbesondere unter Ziffer 4.33 die im Rahmen der Rekultivierung vorzunehmende Randbepflanzung im Einzelnen beschrieben ist. Ein Vergleich der vom Sachverständigen angesetzten Planzungen mit den in der Abbaugenehmigung vorgegebenen Bepflanzungen zeigt dabei, dass der Sachverständige die Vorgaben durchaus berücksichtigt hat (z. B. leichte Heister 1, 00 bis 1,50 m, Sträucher 2jährig verschult). Selbst wenn man den vom Sachverständigen mit 2.512,50 EUR angesetzten Wildschutzzaun unberücksichtigt lässt, weil sich dessen Notwendigkeit nicht unmittelbar aus der Abbaugenehmigung ergibt, so ergibt sich im Übrigen dennoch eine verbleibende Gesamtsumme, die weit über der vom Beklagten geltend gemachten Forderung liegt.

6. Hinsichtlich der von der Klägerin erhobenen Verjährungseinrede wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Im Rahmen der Berufung hat die Klägerin die Berufungseinrede auch nicht weiter verfolgt.

II.

Die Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde hat das Landgericht zu Recht abgewiesen. Ein eigenständiger Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde steht der Klägerin nicht zu, weil die Bürgschaftsschuld aus den oben genannten Gründen bisher nicht erloschen ist (vgl. Palandt-Sprau, a. a. O., § 765, Rn. 33), sondern weiter Bestand hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück