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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 3 U 130/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 498
Bei einem Verbraucherdarlehen, auf das der Darlehensnehmer zunächst lediglich Zinszahlungen erbringt, weil die Tilgung des Darlehens durch die Leistungen aus einer Lebensversicherung erfolgen soll, unterliegt die Kündigung des Vertrages durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs nur dann den besonderen Voraussetzungen des § 498 BGB n.F., wenn Kreditvertrag und Lebensversicherung verbundene Geschäfte sind.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 130/04

Verkündet am 29. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. April 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.452,54 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24. September 2003 zu zahlen, abzüglich am 2. Oktober 2003 gezahlter 9,68 EUR, am 21. Oktober 2003 gezahlter 2.371,54 EUR, am 11. November 2003 gezahlter 30 EUR, am 14. November 2003 gezahlter 30 EUR sowie am 29. Dezember 2003 gezahlter 9,68 EUR.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die klagende A.Bank nimmt den Beklagten aus einem Kreditvertrag über 20.000 DM, der zwischen den Parteien im Juli 1999 geschlossen worden ist und den die Klägerin am 9. September 2003 wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt hat, auf Rückzahlung der nach Verwertung bestehender Sicherheiten verbliebenen Restvaluta in Höhe von 8.001,64 EUR auf Zahlung in Anspruch. Nach den Vereinbarungen des Kreditvertrages sollte die Kreditsumme durch Leistung einer am 30. November 2014 fälligen Lebensversicherung vollständig getilgt werden. Bis dahin sah der Kreditvertrag lediglich die Zahlung der laufenden Zinsen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Maßgebliche Regelung für die Beurteilung der Wirksamkeit der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung sei gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die Vorschrift des § 498 BGB. Danach kann ein Teilzahlungsdarlehen wegen Zahlungsverzuges nur gekündigt werden, wenn der Darlehensnehmer mit mindestens 10 %, bei einer Laufzeit des Darlehensvertrages von mehr als 3 Jahren mit 5 % des Nennbetrages des Darlehens oder des Teilzahlungspreises in Verzug ist und der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange. Um ein solches Teilzahlungsdarlehen i. S. v. § 498 BGB handele es sich im vorliegenden Fall. Zwar sei nach den Kreditvereinbarungen der Schuldner zunächst nur verpflichtet gewesen, Zinsen auf das Darlehen zu zahlen, ohne den Kredit anteilig zu tilgen. Die Tilgung habe vielmehr vereinbarungsgemäß erst 2014 durch die dann fällige Lebensversicherung erfolgen sollen. Es entspreche jedoch herrschender Auffassung, dass § 498 BGB (früher: § 12 VerbrKrG) entsprechend anwendbar sei, wenn ein Darlehen mit einer Kapitallebensversicherung in der Weise verbunden ist, dass der Verbraucher neben den Zinsen lediglich Prämien für die Lebensversicherung zahlt, um auf diese Weise bei Endfälligkeit des Darlehens mit der auszuzahlenden Lebensversicherungssumme das Darlehen vollständig zurückzuführen.

Ausgehend von dieser Prämisse sei, so das Landgericht, die Kündigung des Darlehens unwirksam, da der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung weder mit einem Teilbetrag von 5 % der Darlehenssumme rückständig gewesen noch die Zweiwochenfrist des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB eingehalten sei. Auf die in Nr. 26 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung zur fristlosen Kündigung des Darlehens könne sich die Klägerin nicht berufen, weil für den Fall des Verzuges diese Regelung keine Anwendung finde, vielmehr durch die Spezialvorschrift des § 498 BGB verdrängt werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die zum einen die Anwendbarkeit des § 498 BGB in Zweifel zieht und darüber hinaus die Kündigung auch im Hinblick auf das Kündigungsrecht nach Nr. 26 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen deshalb für begründet hält, weil - so schon ihr unstreitiger, unter Beweis gestellter Vortrag erster Instanz - der Beklagte nach der angedrohten Kündigung des Darlehens bei ihr vorgesprochen und erklärt habe, aufgrund eingetretener Arbeitslosigkeit die Zinsen für das gewährte Darlehen nicht mehr tragen zu können.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.452,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24. September 2003 zu zahlen, abzüglich am 2. Oktober 2003 gezahlter 9,68 EUR, am 21. Oktober 2003 gezahlter 2.371,54 EUR, am 11. November 2003 gezahlter 30 EUR, am 14. November 2003 gezahlter 30 EUR sowie am 29. Dezember 2003 gezahlter 9,68 EUR.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Standpunktes.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten. Der von der Klägerin geltend gemachte, der Höhe nach unbestrittene Zahlungsanspruch ist begründet. Die Klägerin hat den mit dem Beklagten und seiner Ehefrau im Juli 1999 geschlossenen Darlehensvertrag über nominal 20.000 DM durch Schreiben vom 9. September 2003 berechtigterweise und wirksam fristlos gekündigt.

1. Zutreffend ist das Landgericht im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass für den hier vorliegenden Kreditvertrag als Dauerschuldverhältnis gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die Vorschriften der §§ 491 ff. n.F. zur Anwendung gelangen; im Grundsatz gilt damit auch § 498 BGB.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt allerdings kein Tilgungsdarlehen i. S. v. § 498 BGB vor. Richtig ist zwar, dass auch in den Fällen, in denen die Kreditsumme nicht ratenweise getilgt, sondern bei Endfälligkeit des Darlehens aus einer Lebensversicherung durch Einmalzahlung vollständig abgelöst wird, § 498 BGB Anwendung finden kann, da in einem solchen Fall aus Sicht eines Kreditnehmers kein Unterschied zur ratenweisen Tilgung des Darlehens besteht, die in Form regelmäßiger Zahlung der Versicherungsprämien geleistet wird. Allerdings gilt dies, worauf die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung zutreffend hingewiesen hat, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 111, 117 ff, 120 f) nur dann, wenn der gewährte Kredit und die Kapitallebensversicherung in der Weise verknüpft sind, dass das kreditgewährende Institut bei Abschluss des Kreditvertrages auf dem gleichzeitigen Abschluss einer Lebensversicherung und die Abtretung der Ansprüche aus jener Versicherung gedrungen hat, es sich also aus Sicht des Verbrauchers bei Kredit und Lebensversicherungsvertrag um verbundene Geschäfte handelt.

Diese Voraussetzungen sind jedoch hier, was das Landgericht verkannt hat, nicht gegeben. Wie die Klägerin schon in erster Instanz vorgetragen und durch Vorlage des Versicherungsvertrages nachgewiesen hat, ist die Lebensversicherung bereits im August 1998 und damit etwa ein Jahr vor Aufnahme des Kredits abgeschlossen worden. Die Lebensversicherung bestand also bereits, als der Beklagte bei der Klägerin um die Gewährung eines Darlehens nachsuchte. Dementsprechend heißt es bereits in der Klageschrift, ausweislich des Inhalts des Kreditvertrages habe das gewährte Darlehen durch eine bei der X. bestehende Lebensversicherung abgelöst werden sollen. Darüber hinaus lässt sich auch aus der ersten Mitteilung der Lebensversicherung über rückständige Prämienzahlungen vom 1. Oktober 1999 erkennen, dass schon im September 1999 - also drei Monate nach Abschluss des Darlehensvertrages - ein Zahlungsrückstand hinsichtlich der Versicherungsprämien in Höhe von 500 DM, was der Zahlungspflicht für fünf Monate entspricht, bestand. Auch hieraus ergibt sich, dass der Lebensversicherungsvertrag bei Abschluss des Kreditvertrages bereits längere Zeit lief. Es fehlt mithin an der für die Anwendung des § 498 BGB n.F. notwendigen Verbundenheit beider Geschäfte, die insbesondere dadurch zum Ausdruck kommen muss, dass Kreditvertrag und Lebensversicherung gleichzeitig abgeschlossen werden, der Kreditgeber die Kreditgewährung vom Abschluss des Versicherungsvertrages abhängig macht, er sich alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag abtreten lässt und die an ihn zu zahlenden Versicherungsprämien an die Versicherung weiterleitet (vgl. BGH, a. a. O., Seite 117 ff, 120 f). Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung unterlag damit nicht den besonderen Voraussetzungen des § 498 BGB; sie war vielmehr wegen des eingetretenen Zahlungsverzuges wirksam. Die Kündigung war auch - trotzt der absolut geringen Höhe des Rückstandes - nicht grob unbillig, da der Beklagte bereits wiederholt säumig war und wegen der eingetretenen Arbeitslosigkeit ein Ende der Zahlungsschwierigkeiten nicht zu erwarten war, sondern ein Anwachsen des Rückstandes.

3. Ob die Kündigung des Darlehens durch die Klägerin auch im Hinblick auf Nr. 26 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig und wirksam gewesen ist, braucht der Senat hier nicht abschließend zu entscheiden. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass unabhängig von der Frage des Zahlungsverzuges auch eine Kündigung des Darlehens nach § 26 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers zulässig ist, entspricht allerdings der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 5.12.2001 - 3 U 139/01 - unveröffentlicht).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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