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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 3 U 18/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 253
Auch dann, wenn der Gläubiger bereits über einen (nicht der Rechtskraft fähigen) Vollstreckungstitel verfügt (hier: notarielles Schuldanerkenntnis), kann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Leistungsklage bestehen. Dies ist anzunehmen, wenn mit einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners zu rechnen ist.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 18/06

Verkündet am 12. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Dezember 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Versäumnisurteil des Landgerichts Hildesheim vom 25. August 2005 nach teilweiser Erledigung in der Hauptsache wie folgt aufrechterhalten bleibt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 60.844,87 EUR zu zahlen.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.077,09 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagten haben bei der Klägerin im Jahr 1997 mehrere Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises für eine von ihnen erworbene, in W. gelegene Eigentumswohnung aufgenommen. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin war durch eine am 29. Oktober 1997 bestellte Grundschuld über 220.000 DM gesichert, in der die Beklagten die persönliche Haftung für die Forderung anerkannt und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen haben. Wegen bestehender Zahlungsrückstände hat die Klägerin die Darlehen und auch die weitere Geschäftsbeziehung zur Beklagten zu 1 nach vorausgegangener Androhung mit Schreiben vom 11. April 2000 gekündigt. Sie hat die Beklagten aus der offenen Darlehensforderung in Höhe von 94.308,38 EUR, die Beklagte zu 1 darüber hinaus aus einem Girokonto mit einem Sollstand von 1.077,09 EUR auf Zahlung in Anspruch genommen. Nachdem das Landgericht durch Versäumnisurteil vom 25. August 2005 diese Ansprüche der Klägerin durch Versäumnisurteil zuerkannt hatte, hat die Klägerin nach Einspruch der Beklagten beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 25. August 2005 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagten haben beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Sie haben die Wirksamkeit der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung des Darlehens und der Geschäftsbeziehung bestritten und gemeint, für eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung bestehe kein Rechtschutzbedürfnis, da die Forderung durch die in der Grundschuld enthaltene Erklärung, in der sich die Beklagten der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen haben, bereits tituliert sei.

Das Landgericht hat durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter entschieden und der Klage durch Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils stattgegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Entscheidung durch den Einzelrichter rügen und in der Sache weiterhin meinen, für die Klage fehle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin bereits über einen Vollstreckungstitel verfüge. Hinsichtlich der Hauptforderung vertreten sie die Auffassung, diese sei nicht fällig, da die Klägerin einen Vorschlag der Beklagten zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht ausdrücklich abgelehnt habe; ihr Schweigen sei als Zustimmung zu werten. Unabhängig hiervon sei die Hauptforderung mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt. Schließlich bestehe die Hauptforderung auch nicht in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe, da die Klägerin aus der Zwangsverwaltung des Grundstücks weitere Erträge erzielt habe.

In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, dass dieser nach Versteigerung des Grundstücks am 12. Januar 2006 ein Betrag in Höhe von 33.463,51 EUR zugeflossen ist. In Höhe dieses Betrages haben beide Prozessbevollmächtigten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt sowie widerstreitende Kostenanträge gestellt.

Im Übrigen beantragen die Beklagten,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Hildesheim vom 25. August 2005 sowie Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hildesheim vom 29. Dezember 2005 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt jedoch, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt ist, ohne Erfolg. Der Klägerin steht gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der diesen gewährten Darlehen in Höhe von 60.844,87 EUR zu; hierneben schuldet die Beklagte zu 1 aus dem gekündigten Girokonto Zahlung weiterer 1.077,09 EUR.

1. Die von der Klägerin erhobene Klage ist zulässig.

a) Soweit die Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 aus dem gekündigten Girovertrag in Höhe von 1.077,09 EUR geltend macht, ist das Rechtschutzbedürfnis der Klägerin an der Erlangung eines Urteils unbestritten, da insoweit kein vollstreckungsfähiger Titel vorliegt.

b) Die Klägerin hat aber auch hinsichtlich der sich bei Klagerhebung auf 94.308,38 EUR belaufenden Darlehensforderung ein rechtlich schützenswertes Interesse an einer Titulierung ihrer Forderung.

Grundsätzlich fehlt ein Rechtschutzbedürfnis für die Erhebung einer Klage dann, wenn der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Klagforderung hat und aus diesem Titel unschwer die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben kann. In einem solchen Fall darf er das Prozessgericht nicht überflüssigerweise in Anspruch nehmen und den Schuldner nicht unnötig mit einem Prozess behelligen. Allerdings kann dem Gläubiger trotz Bestehens eines Vollstreckungstitels die Erhebung einer Klage dann nicht verwehrt sein, wenn er hierfür nach Lage der Dinge einen verständigen Grund hat. Verfügt der Gläubiger über einen nicht der Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitel, so ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Klage beim Vorliegen eines besonderen Bedürfnisses oder Interesses zu bejahen, was etwa dann gegeben ist, wenn mit einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners zu rechnen ist (vgl. BGH NJWRR 1989, 319 f.).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Richtig ist zwar, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten, soweit diese gesamtschuldnerisch haften, dadurch tituliert ist, dass sich die Beklagten in der notariellen Grundschuldurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen haben. Richtig ist darüber hinaus auch, dass § 216 BGB den Schuldner daran hindert, sich nur wegen der Verjährung der Hauptforderung in das belastete Grundstück gegen die Vollstreckung zu wehren. Dennoch bestand hier ein besonderes Bedürfnis der Klägerin für die Erhebung der vorliegenden Zahlungsklage, da die Beklagten durch ihr vorprozessuales Verhalten zu erkennen gegeben haben, dass sie die von der Klägerin geltend gemachte Forderung für unberechtigt hielten, mithin aus Sicht der Klägerin ohnehin mit einer Vollstreckungsgegenklage zu rechnen war. Die Beklagten haben zunächst die Kündigung des Kredits durch die Klägerin mit der Begründung, die von der Klägerin erfolgte Abrechnung sei unzutreffend, zurückgewiesen. Diesem Bestreiten der klägerischen Forderung kam insbesondere im Hinblick darauf, dass der Beklagte zu 2 als Anwalt zugelassen war, besondere Bedeutung zu. Weiterhin haben sie geltend gemacht, das Vertragsverhältnis sei stillschweigend fortgesetzt worden. Auch ihr Verhalten im Klageverfahren, etwas das Vorbringen des Beklagten zu 2, Zustellungen nicht erhalten zu haben, insbesondere aber der Vortrag der Beklagten zur angeblich unberechtigten Zwangsverwaltung des Grundstücks sowie ihre Behauptung, die Klägerin hätte aus dieser Verwaltung Erträge erzielt, jedoch nicht verrechnet, zeigt, dass die Beklagten dem Anspruch der Klägerin zur Vollstreckung aus der vorliegenden Grundschuldurkunde entgegentreten wollten, mithin aus Sicht der Klägerin nicht mit einer widerspruchslosen Vollstreckung ihrer Forderung zu rechnen war.

2. Auch die weiteren inhaltlichen Einwendungen der Beklagten gegen das angefochtene Urteil greifen nicht durch.

a) Die Entscheidung des Landgerichts durch den Vorsitzenden der Kammer als Einzelrichter stellt keinen Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 348 a ZPO dar. Ist - wovon aufgrund der Spezialzuständigkeit der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim für Banksachen auszugehen ist - keine originäre Einzelrichterzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 ZPO begründet, kann die Zivilkammer die Sache durch Beschluss - wie geschehen - einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht bereits im Haupttermin vor der Zivilkammer zur Hauptsache verhandelt worden ist. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Übertragung des Rechtsstreits durch die Kammer auf den Einzelrichter vor. Eine Zustimmung der Parteien hierzu ist nicht erforderlich. Eine Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer ist nur dann geboten, wenn die Parteien dies übereinstimmend beantragen, § 348 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Ein solcher übereinstimmender Antrag ist nicht gestellt. Im Übrigen kann gemäß § 348 a Abs. 3 ZPO ein Rechtsmittel auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme nicht gestützt werden.

b) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind fällig. Die Klägerin hat die mit den Beklagten geschlossenen Darlehensverträge und - hinsichtlich der Beklagten zu 1 - auch die weitere Geschäftsbeziehung wegen bestehender Zahlungsrückstände wirksam gekündigt. Ein Angebot der Beklagten auf Fortsetzung des Vertragsverhältnisses hat sie nicht angenommen. Angesichts der ausdrücklichen Kündigung der Geschäftsbeziehung zu den Beklagten konnten diese das Schweigen der Klägerin auf ein Angebot zur Fortsetzung nicht als Zustimmung werten.

c) Die Ansprüche sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verjährt. Auch insoweit zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Verjährung der klägerischen Ansprüche gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch die Zustellung der Mahnbescheide vor Ablauf des Jahres 2004 gehemmt worden ist. Die Klägerin hat durch Einreichung der Anspruchsbegründung am 8. Februar 2005 das Verfahren weiter betrieben, weshalb die Hemmung der Verjährung fortbesteht.

Die nunmehr vom Beklagten zu 2 im Berufungsverfahren erhobene Behauptung, er habe die gegen ihn erlassenen Mahnbescheide nicht erhalten, ist aktenwidrig. Ausweislich der vorliegenden Zustellungsurkunden sind sämtliche Mahnbescheide noch vor Jahresende 2004 dem Beklagten unter der Anschrift K.Straße in H. zugestellt worden. Auch der Beklagte zu 2 hat - schon damals anwaltlich vertreten - gegen sämtliche Mahnbescheide unter dem Datum des 2. Januar 2005 Widerspruch einlegen lassen - was sich mit seiner Behauptung, die Mahnbescheide seien ihm nicht zugegangen, nicht vereinbaren lässt. Der Beklagte zu 2, der an der mündlichen Senatsverhandlung teilgenommen hat, hat auf entsprechenden Vorhalt hin sein diesbezügliches aktenwidriges Vorbringen daher auch nicht aufrechterhalten.

d) Der Höhe nach beläuft sich die Forderung der Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner noch auf 60.844,87 EUR; die Beklagte zu 1 schuldet darüber hinaus 1.077,09 EUR. Die Forderung der Klägerin, für die die Beklagten gesamtschuldnerisch haften und die sich bei Erhebung der Klage auf rechnerisch unstreitige 94.308,38 EUR belief, hat sich durch die Gutschrift des Erlöses aus der Versteigerung des Grundstücks um 33.463,51 EUR vermindert. Diesen Betrag hat die Klägerin nach der Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten im Verhandlungstermin am 12. Januar 2006 vereinnahmt. Der Höhe nach beträgt die Restforderung der Klägerin damit noch 60.844,87 EUR.

e) Die weiteren, von den Beklagten zur Forderungshöhe geltend gemachten Einwendungen sind nicht begründet. Insbesondere hat die Klägerin aus der Zwangsverwaltung des Grundstücks keine weiteren, auf die Hauptforderung anzurechnenden Beträge erlangt. Richtig ist zwar, dass der Verwalter des Grundstücks im Rahmen der Zwangsverwaltung in den Jahren 2002 - 2004 erhebliche Mieterträge erzielt hat. Aus dem vorläufigen Teilungsplan des Amtsgerichts Bitterfeld vom 25. April 2005 ergibt sich allerdings, dass diese Mieteinnahmen nicht einmal ausreichend sind, um die laufenden Zinsansprüche der Klägerin zu decken.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits waren den Beklagten aufzuerlegen; dies gilt auch, soweit der Rechtsstreit durch Verrechnung des Erlöses aus der Zwangsversteigerung des Grundstücks während des Berufungsverfahrens seine Erledigung gefunden hat. Die Klage war zunächst in voller Höhe begründet. Die Verrechnung des Versteigerungserlöses ist der Sache nach eine teilweise Erfüllung der berechtigten Forderung der Klägerin durch die Beklagte. Die Kostenentscheidung beruht damit auf §§ 91 a, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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