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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: 3 U 20/06
Rechtsgebiete: GesO, InsO


Vorschriften:

GesO § 8 Abs. 2
InsO § 80
Die Verwendung von Massevermögen für Wertpapiergeschäfte gleich welcher Art ist als insolvenzzweckwidrig anzusehen und führt zur Unwirksamkeit des Verhaltens des Gesamtvollstreckungsverwalters/Insolvenzverwalters, wenn sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 20/06

Verkündet am 14. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Dezember 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Streithelfer, die diese selber tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Erstattung eines Festgeldguthabens Zug um Zug gegen Abtretung von Rechten aus einem Depotkonto.

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der Firma E. GmbH (nachfolgend kurz: Schuldnerin). Dem Gesamtvollstreckungsverfahren liegt ein Kapitalanlagebetrugsverfahren erheblichen Ausmaßes zugrunde, im Rahmen dessen der Geschäftsführer der Schuldnerin sowie weitere Personen u. a. wegen Beihilfe zum Betrug bzw. unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften verurteilt wurden (s. Strafurteil des LG München I vom 22. März 1996, 6 KLs 312 Js 14686/95, Anlage K 20).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühlhausen vom 16. Dezember 1994 war zunächst der Streithelfer zu 1 (nachfolgend kurz: Streithelfer) zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt worden. Da es während der Zeit, in der der Streithelfer bestellt war, zu einem fast vollständigen Masseverbrauch kam, gab das Amtsgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 18. Januar 2002 die Überprüfung der Zwischenrechnungen des Streithelfers in Auftrag. Mit Beschluss vom 4. Februar 2002 wurde der Streithelfer aus seinem Amt entlassen und der Kläger zum neuen Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt. Dieser erstattete am 17. September 2002 ein Gutachten (Anlage K 4), in dessen Zusammenfassung er die Feststellung traf, dass "die bisherige Verwaltung durch eine Ansammlung von Fehlentscheidungen, Unvermögen und Pflichtverletzungen auf Seiten des vormaligen Verwalters und des für seine Kontrolle zuständigen Gläubigerausschusses geprägt" sei.

Der Streithelfer hatte am 18. März 1997 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der C. Bank, unter der Bezeichnung "Treuhandkonto E.F." ein Festgeldkonto mit der Nummer A 1 eröffnet (Anlage K 7). Ende Januar 1998 trat er an die Beklagte heran, weil er Finanzanlagegeschäfte tätigen wollte. Er kaufte zunächst auf Rechnung der Masse 300 Standardaktien SAP zu 195.000,00 DM. Außerdem nahm er zum Erwerb weiterer Wertpapiere am 11./17. Februar 1998 einen Kontokorrentkredit in Höhe von 1.000.000,00 DM auf (Anlage K 9). Von März 1998 bis März 2000 erwarb er sodann verschiedene Wertpapiere. Die einzelnen Ankäufe ergeben sich aus der Anlage B 14 bzw. der Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 2. März 2006 (Bl. 359 f. d. A.). Der am 11./17. Februar 1998 geschlossene Kreditvertrag weist den Streithelfer persönlich als Darlehensnehmer aus, ohne einen Hinweis auf die Gesamtvollstreckung zu enthalten. Das Kreditkonto erhielt die Nummer B 2. Zur Sicherung der Ansprüche aus dem Kreditvertrag wurde das Guthaben des 1997 eröffneten Festgeldkontos verpfändet. Am 9. April 1998 wurde außerdem ein Depotkonto bei der Beklagten eröffnet.

Sowohl das Festgeldkonto als auch das Kreditkonto wurden in den nachfolgenden Jahren wiederholt umgeschrieben: Das zunächst als Anderkonto geführte Festgeldkonto wurde am 9. April 1998 unter Beibehaltung der Kontonummer A 1 in ein Treuhandkonto geändert. Am 8. Mai 2000 erhielt das Konto die Nummer C 3. Am 18. Juli 2000 wurde es schließlich in ein Geldmarktkonto mit der Nummer D 4 abgeändert. Hinsichtlich des Kreditkontos wurde am 16./19. Juni 1998 ein weiterer Kreditvertrag abgeschlossen, der im Wesentlichen dem Kreditvertrag vom 11./17. Februar 1998 entsprach, nunmehr allerdings den Streithelfer als "Verwalter G. V. E. F." auswies. Am 23. Dezember 1999 erhielt das Kreditkonto die Nummer F 5. Am 15./25. Mai 2000 wurde ein weiterer Kreditvertrag zwischen dem Streithelfer als Gesamtvollstreckungsverwalter und der Bank abgeschlossen, der die Kontonummer G 6 erhielt und den Kreditvertrag vom 16./19. Juni 1998 für gegenstandslos erklärte. Schließlich wurde am 3./25. Juli 2001 ein weiterer Kreditvertrag abgeschlossen, der den Kreditvertrag vom 15./25. Mai 2000 ersetzte. In sämtlichen Kreditverträgen war die Verpfändung des Festgeld bzw. Geldmarktkontos als Kreditsicherheit vorgesehen.

Nach Übernahme der Gesamtvollstreckung durch den Kläger wurden die Konten zum 15. Februar 2002 abgerechnet. Hierbei verrechnete die Beklagte den auf dem Kreditkonto bestehenden Sollstand in Höhe von 516.333,07 EUR mit einem Guthaben aus dem Festgeld bzw. Geldmarktkonto in Höhe von 543.194,70 EUR und überwies den verbleibenden Restbetrag auf ein Anderkonto des Klägers.

Mit der Klage hat der Kläger die Auszahlung des verrechneten Guthabens in Höhe von 516.333,07 EUR Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Depotkonto geltend gemacht und die Ansicht vertreten, dass die Verpfändung des Festgeldkontos unwirksam gewesen sei und die Beklagte die offenen Kreditforderungen daher nicht mit dem Festgeldguthaben habe verrechnen dürfen. Bei der Verpfändung des Festgeldguthabens zur Absicherung des Kredites, mit dem Wertpapiere erworben worden seien, habe der Streithelfer seine Befugnisse als Gesamtvollstreckungsverwalter missbraucht, indem er Massevermögen offensichtlich insolvenzzweckwidrig in Spekulationsgeschäfte angelegt bzw. Spekulationsgeschäfte mit dem Massevermögen abgesichert habe. Die Insolvenzzweckwidrigkeit sei für die Beklagte auch offensichtlich gewesen, weil das Festgeldkonto Massebestandteil gewesen sei und die Absicherung eines privaten Aktienkontos mit einem Festgeldkonto der Masse als völlig ungewöhnlich anzusehen sei. Dass die Beklagte auch tatsächlich Bedenken bekommen habe, ergebe sich bereits daraus, dass sie ihre Rechtsabteilung eingeschaltet habe. Hieraufhin sei es zu einer Umschreibung der Konten gekommen, wobei ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Streithelfer und der Beklagten nicht auszuschließen sei. Ihm - dem Kläger - stehe außerdem ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Bankvertrages zu, weil die Beklagte die Sicherheitenbestellung ohne vorherige Nachfrage beim Gläubigerausschuss oder beim Gesamtvollstreckungsgericht vorgenommen und damit vertragliche Treuepflichten verletzt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 516.333,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2002 zur Masse zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte der E. GmbH (Schuldnerin) aus dem bei der Beklagten geführten Depotkonto mit der Nummer H 7 an die Beklagte,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme des Angebotes zur Übertragung von Rechten der Schuldnerin aus dem bei der Beklagten geführten Depotkonto mit der Nummer H 7 befindet.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise für den Fall der - gegebenenfalls auch nur teilweisen - Stattgabe der Klage den Kläger Zug um Zug zu verpflichten, seine gemäß Urteil des Landgerichtes München I zum Geschäftszeichen 30 O 9854/03 vom 24. November 2004 titulierten Ansprüche auf Zahlung gegen Herrn K. H. M., D.Platz, M., in Höhe der im erkennenden Verfahren zugesprochenen Zahlungsansprüche der Beklagten abzutreten. Die abzutretende Forderung bei Abtretung ermäßigt sich für den Fall der Abtretung des Guthabens des bei der Beklagten geführten Depotkontos zu Nummer H 7 an die Beklagte um denjenigen Guthabensaldo des abgetretenen Depots im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Depotabtretung.

Sie vertritt die Ansicht, dass die Verpfändung des Festgeldkontos nicht insolvenzzweckwidrig gewesen sei. Ein kollusives Zusammenwirken von Mitarbeitern der Bank mit dem Streithelfer habe nicht vorgelegen. Es sei zwar bei Abschluss des Kreditvertrages zu bankinternen Ungenauigkeiten gekommen, die eine Nachbesserung notwendig gemacht hätten. Von Anfang an sei jedoch klar gewesen, dass der Kreditvertrag nicht etwa mit dem Streithelfer persönlich, sondern für Rechnung der Masse abgeschlossen werden sollte. Der Streithelfer sei seit Anfang der 90er Jahre Kunde bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin gewesen und habe einen tadellosen Ruf als gewandter Geschäftsmann genossen. Die von ihm vorgenommenen Aktienkäufe stellten sich auch nicht etwa als spekulativ dar, vielmehr handelte es sich bei der überwiegenden Anzahl der Ankäufe um Standardwertpapiere, die 1998/1999 als durchaus übliche Form der Vermögensanlage anzusehen gewesen seien. Auch habe der Streithelfer ihr gegenüber fundierte Börsenerfahrungen angegeben und die Führung eines beratungslosen Depotkontos gewünscht. Sie habe sich auf die wirksame Bestellung des Streithelfers zum Gesamtvollstreckungsverwalter verlassen dürfen. Selbst wenn der Wertpapierankauf insolvenzzweckwidrig sei, so sei dies für sie jedenfalls nicht evident gewesen.

Auch der Höhe der geltend gemachten Forderung tritt die Beklagte entgegen. Der Kläger lasse unberücksichtigt, dass der Streithelfer mit dem gesicherten Kredit teilweise andere Ausgaben getätigt habe und der Kredit daher nicht vollständig durch Aktienkäufe verbraucht worden sei.

Der Streithelfer zu 1 hat sich in erster Instanz dem Antrag der Beklagten angeschlossen und ausgeführt, dass die von ihm vorgenommenen Spekulationsgeschäfte verantwortungsbewusst ausgeführt wurden und er hierzu im Rahmen von § 8 Abs. 2 Gesamtvollstreckungsordnung berechtigt gewesen sei.

Die Streithelferin zu 2 hat keinen Antrag gestellt.

Vor dem Landgericht München I (Az. 30 O 9854/03) hat der Kläger den Streithelfer zu 1 sowie weitere Beteiligte u. a. auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des hier streitgegenständlichen Festgeldguthabens in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 24. November 2004 ist der Streithelfer unter Ziffer 3 des dortigen Tenors als Gesamtschuldner zur Zahlung der 516.333,07 EUR Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Depotkonto verurteilt worden (s. S. 2 der Anlage K 18). Das OLG München hat mit Urteil vom 10. Mai 2006 die Verurteilung des Streithelfers insoweit bestätigt (Az. 3 U 2517/06, Bl. 418 ff. d. A.).

Das Landgericht hat der Klage Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem bei der Beklagten geführten Depotkonto und der sich aus dem Urteil des Landgerichts München I ergebenden Ansprüche stattgegeben. Nach Abrechnung der Kontoverbindung bestehe ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Festgeldguthabens in Höhe von 516.333,07 EUR. Dieser Anspruch sei auch nicht durch die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch erloschen. Denn die Beklagte habe die Forderungen nicht verrechnen dürfen, weil die Verpfändung des Festgeldguthabens unwirksam gewesen sei. Unter Anwendung des Vertretungsrechts ergebe sich die Unwirksamkeit der Verpfändung dabei aus einem offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht des Streithelfers. Dies führe dazu, dass nicht - wie üblich - der Vertretene, sondern der Vertretungsgegner das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht zu tragen habe. Ein Fall des offensichtlichen Missbrauchs werde von der Rechtsprechung immer dann angenommen, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch mache, so dass sich dem anderen Teil der begründete Verdacht eines Treueverstoßes aufdrängen musste, wobei dem Vertretungsgegner keine Prüfungspflicht obliege. Erforderlich sei vielmehr eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs. Die objektive Evidenz des Missbrauchs liege vor, weil die Verpfändung des Festgeldguthabens zum Zwecke der Besicherung eines zum Zwecke der Aktienspekulation aufgenommenen Kredites offenbar insolvenzzweckwidrig sei. Denn der Gesamtvollstreckungsverwalter habe sein Handeln am Insolvenzzweck und den Interessen der Gläubiger zu orientieren. Seine Aufgabe sei in jedem Fall die Sicherung und Erhaltung des vorhandenen Vermögens. Die von ihm gewählte Anlageform müsse in jedem Fall sicherstellen, dass das Massevermögen jedenfalls nicht verringert werde. Dies sei bei der Verpfändung des Festgeldes ersichtlich nicht der Fall gewesen, weil das Massevermögen hierdurch für Spekulationszwecke verwendet worden sei, die immer das Risiko eines erheblichen Wertverlustes oder gar Totalverlustes in sich bergen. Daran änderte sich auch nicht etwa deshalb etwas, weil der Streithelfer möglicherweise über Erfahrungen in Aktiengeschäften verfüge. Auch der Umstand, dass die Schuldnerin vermeintlich im Investmentbereich tätig gewesen sei, führe nicht dazu, die Verpfändung als nicht offensichtlich insolvenzzweckwidrig anzusehen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Sie bemängelt, dass das Landgericht lediglich auf die objektive Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit abgestellt habe und nicht - entsprechend der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß Urteil vom 25. April 2002 (Az. IX ZR 313/99) - die subjektive Erkennbarkeit der Evidenz auf Seiten der Beklagten geprüft habe. Zwar liege bereits eine Insolvenzzweckwidrigkeit nicht vor, jedenfalls sei diese aber weder objektiv evident gewesen noch habe die Beklagte dies erkennen können bzw. müssen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass die Schuldnerin sich im Finanzanlagesektor bewegt und der Streithelfer ihr - der Beklagten - gegenüber angegeben habe, dass das Massevermögen umgeschichtet werden solle. Aus ihrer Sicht habe sich das Vorhaben des Streithelfers daher innerhalb des Geschäftsgegenstandes der Schuldnerin und innerhalb seiner Berechtigung als Gesamtvollstreckungsverwalter bewegt. Über die Hintergründe, insbesondere die Ungeeignetheit des Streithelfers, sei ihr nichts bekannt gewesen. Geschäftsbeziehungen zur Schuldnerin habe sie bisher nicht gehabt.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 29. Dezember 2005 (Az.: 14 O 112/05) in vollem Umfang abzuweisen,

2. hilfweise, unter Aufhebung des vorbezeichneten Urteils das Verfahren an das Landgericht Hannover zurückzuverweisen,

3. die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.

Die Streithelferin zu 2 hat mit Schriftsatz vom 16. März 2006 einen Antrag angekündigt, ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat indes nicht erschienen.

Der Streithelfer zu 1 hat sich an dem Berufungsverfahren gar nicht beteiligt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Auszahlung des restlichen Festgeldguthabens in Höhe von 516.333,07 EUR zu, weil die Beklagte nicht berechtigt war, das verpfändete Festgeldguthaben mit den offenstehenden Forderungen aus dem Kreditkonto zu verrechnen. Denn die Verpfändung des Festgeldguthabens durch den Streithelfer war nicht durch § 8 Abs. 2 GesO gedeckt, sondern unwirksam und verpflichtete die Masse daher nicht.

1. Die Beklagte rügt zwar zu Recht, dass das Landgericht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2002 (u. a. abgedruckt in NJW 2002, 2783 - 2786) nicht hinreichend berücksichtigt habe, indem es lediglich auf die objektive Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit abgestellt habe. Auch unter Berücksichtigung der insoweit neuen Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass die Verpfändung des Festgeldkontos unwirksam war.

Durch das oben genannte Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass für die Abgrenzung, wann eine Überschreitung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters bzw. Gesamtvollstreckungsverwalters zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung führt, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Nachdem es früher nur darauf ankam, ob die Rechtshandlung des Verwalters insolvenzzweckwidrig war und der Widerspruch zum Insolvenzzweck unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich - also objektiv evident - war, fordert der Bundesgerichtshof nunmehr auch, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten. Der Bundesgerichtshof stellt demnach nicht mehr nur auf die objektive Evidenz der Insolvenzweckwidrigkeit ab, sondern verlangt darüber hinaus als subjektives Element auf Seiten des Geschäftspartners des Verwalters, dass diesem zumindest grobe Fahrlässigkeit in der Sache vorgeworfen werden kann (s. BGH, a. a. O.).

a) Das Landgericht hat im Hinblick auf die Verpfändung des Festgeldkontos zu Recht die objektive Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit bejaht.

Dem Gesamtvollstreckungs- bzw. Insolvenzverwalter steht wegen der mit seinem Amt verbundenen vielfältigen und schwierigen Aufgaben bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Rechtsmacht ist jedoch durch den Insolvenzzweck beschränkt (vgl. BGH, a. a. O.). Insolvenzzweckwidrig sind infolge dessen daher solche Maßnahmen des Insolvenzverwalters, die schlechterdings mit dem Verfahrenszweck nicht vereinbart werden können (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 80, Rn. 101). Zweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung aller Insolvenzgläubiger durch Verwertung des vorhandenen Vermögens und gleichmäßige Verteilung des Erlöses (vgl. § 1 Satz 1 InsO). Vordringliche Aufgabe des Insolvenzverwalters ist dabei die Sicherung und Erhaltung des vorhandenen Vermögens, weil die möglichst hohe Befriedigung aus der Masse im vorrangigen Interesse der beteiligten Gläubiger steht.

Diesem Zweck steht die vom Streithelfer vorgenommene Verpfändung des Festgeldguthabens entgegen. Der Streithelfer hat Massevermögen, nämlich das Guthaben auf dem Festgeldkonto, dazu verwandt, einen Kredit zu besichern, der dem Ankauf von Wertpapieren dienen sollte. Zwar wurde das Festgeldguthaben nicht unmittelbar zum Erwerb der Wertpapiere eingesetzt. Im Ergebnis stellt jedoch die Verpfändung des Guthabens zur Sicherung des Kredits, mit dem die Wertpapiere gekauft werden sollten, nichts anderes dar, als der unmittelbare Ankauf der Wertpapiere durch das Guthaben. Die Beurteilung der Frage, ob die Verpfändung des Festgeldguthabens insolvenzzweckwidrig war, ist daher unmittelbar mit der Frage verknüpft, ob der Erwerb der Wertpapiere insolvenzzweckwidrig war. Dies ist aus den nachfolgenden Gründen zu bejahen:

Der Ankauf von Wertpapieren birgt immer das Risiko eines Verlustes der in den Ankauf investierten Mittel in sich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Wertpapiere Kursschwankungen unterliegen, die zwar unter Berücksichtigung der Marktentwicklung durchaus in gewissem Umfang vorhersehbar sein mögen, bei deren Vorhersage es sich aber dennoch letztlich um - mehr oder weniger - unsichere Prognosen handelt. Ausweislich der unstreitigen Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 2. März 2006 (Bl. 359 d. A., s. auch Anlage B 14) hat der Streithelfer mit dem aufgenommenen Kredit verschiedene Wertpapiere für knapp 1.000.000,00 EUR in der Zeit von März 1998 bis März 2000 erworben. Selbst wenn - wie die Beklagte behauptet - aus Sicht des Börsenhandels 1998/1999 keines der erworbenen Wertpapiere unter Börsenfachleuten als "spekulativ" eingeordnet wurde, so ändert dies nichts an dem bestehenden Risiko eines Teil bzw. Totalverlustes. Insoweit spielt auch weder der Verweis des Streithelfers auf die steuerliche Anerkennung des sog. "Zwei-Konten-Modells", das er mit den von ihm getätigten Anlagegeschäften verfolgte, noch der Umstand eine Rolle, dass er möglicherweise in der Erwartung handelte, die Wertpapiergeschäfte würden sich zu Gunsten der Masse auswirken. Bei der Beurteilung, ob der Ankauf von Wertpapieren durch den Verwalter dem Insolvenzzweck widerspricht, kommt es auch weder darauf an, ob die Auswahl der Wertpapiere eher konservativ war noch darauf, ob der Streithelfer umfangreiche Börsenerfahrungen hatte oder nicht. Allein der Umstand, dass durch den Ankauf der Wertpapiere zumindest das Risiko eines Verlustes eröffnet wurde - was sich vorliegend ja auch gerade verwirklicht hat , führt dazu, die getätigten Anlagegeschäfte und damit auch den Einsatz des Festgeldkontos zur Sicherung des Anlagegeschäftes als insolvenzzweckwidrig anzusehen (vgl. Uhlenbruck, a. a. O., Rn. 103; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Auflage, § 6 KO, Anm. 6 a) aa); so in der Tendenz wohl auch: Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 1, 2001, § 80, Rn. 62; RGZ 29, 80, 84 - jeweils zu Börsenspekulationsgeschäften mit Massemitteln; auch das LG München I und das OLG München haben in dem Verfahren gegen den Streithelfer entsprechend entschieden - s. o.; a. A.: Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10 Auflage, § 6, Rn. 39 - zu gewagten Geschäften).

Da der sich aus dem Ankauf der Wertpapiere ergebende Widerspruch zum Insolvenzzweck ohne weiteres für jeden verständigen Beobachter ersichtlich ist, weil es sich nicht etwa um Fachwissen oder Einzelfallkenntnisse handelt, ist die Insolvenzzweckwidrigkeit auch objektiv evident.

b) Die Beklagte handelte auch grob fahrlässig, weil sich ihr aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlungen des Verwalters mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten.

Hierbei war zunächst zu berücksichtigen, dass das Festgeldkonto ebenso wie das Kontokorrentkreditkonto bei der Beklagten geführt wurden. Der Beklagten war auch bekannt, dass es sich bei dem Festgeldkonto um ein Konto der Masse handelte und dass der Streithelfer als Gesamtvollstreckungsverwalter eingesetzt war, weil in dem Antrag auf Eröffnung des Kontos ausdrücklich auf die Verwalterstellung Bezug genommen wird und das Konto als "Treuhandkonto E. F." bezeichnet wurde. Der Beklagten lag im Übrigen der Bestellungsbeschluss des AG Mühlhausen vor. Ebenso wusste sie, dass die Kreditmittel aus dem Kontokorrentkredit zum Ankauf von Wertpapieren verwendet werden sollten, denn dies war unstreitig ja gerade der Grund, warum der Kredit aufgenommen wurde. Aufgrund dieser unstreitigen Tatsachen und dem bei der Beklagten selbstverständlich vorhandenen Wissen, dass Wertpapiere immer das Risiko eines Teil bzw. Totalverlustes in sich bergen, musste sich der Beklagten aufdrängen, dass die Anlagegeschäfte des Streithelfers dem Insolvenzzweck offensichtlich entgegenstanden.

Insoweit kommt es nicht einmal darauf an, ob der Kredit vom Streithelfer persönlich oder in seiner Funktion als Verwalter aufgenommen wurde. Denn selbst wenn der erste Kreditvertrag ihn nur irrtümlich als persönlichen Kreditnehmer auswies und der Kredit - wie die Beklagte behauptet - tatsächlich von Anfang an der Masse zufließen sollte, so änderte dies nichts. Denn die Verpfändung von Massemitteln zur Absicherung eines persönlichen Kredits des Verwalters wäre lediglich ein noch eklatanterer Verstoß gegen den Insolvenzzweck als die Verpfändung von Massemitteln zur Absicherung eines Kredits der Masse.

Die Beklagte kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, dass sich ihr die Insolvenzzweckwidrigkeit deshalb nicht aufdrängen musste, weil es zum einen zu der Frage, ob Wertpapierankäufe dem Insolvenzzweck zuwider laufen, keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe und sich die vorhandenen Literaturstimmen lediglich zu Börsenspekulationen verhielten, die vorliegend aber nicht gegeben seien, weil es sich um konservative Papiere gehandelt habe. Zum einen bedarf es nicht etwa einer ausdrücklichen richterlichen Feststellung, dass der Ankauf von Wertpapieren mit Massemitteln nicht geeignet ist, das Massevermögen zu sichern und zu erhalten. Zum anderen dürften unter dem zusammenfassenden Begriff der "Börsenspekulationen" auch nicht nur risikoreiche Aktienkäufe zu verstehen sein, sondern sämtliche Wertpapiergeschäfte, weil es sich auch bei konservativen Papieren letztlich um Spekulationsgeschäfte an der Börse handelt. In diesem Zusammenhang verbietet sich eine Unterscheidung zwischen konservativen und risikoreichen Anlagegeschäften im Übrigen bereits deshalb, weil die Entwicklung der vergangenen Jahre deutlich gezeigt hat, dass auch die als konservativ geltenden Wertpapiere nicht sicher waren.

Die Beklagte kann sich auch nicht etwa darauf berufen, dass die Schuldnerin zuvor im selben Geschäftsbereich tätig war, was der Kläger allerdings bestreitet. Selbst wenn sich die Schuldnerin mit dem An und Verkauf von Wertpapieren beschäftigt hätte, so folgt hieraus keineswegs, dass auch der Gesamtvollstreckungsverwalter im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens spekulative Anlagegeschäfte tätigen darf. Zwar kann die Sicherung des Massevermögens im Einzelfall auch durch die Fortführung des Geschäfts erfolgen, wobei die Fortführung auch durchaus im Interesse der Gläubiger liegen kann. Dies gilt aber nur in den Fällen, in denen sich die Fortführung unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte als sinnvoll darstellt, etwa wenn Kundenaufträge vorhanden sind und die Ausführung der Kundenaufträge unter Berücksichtigung der weiter zu zahlenden Löhne und der notwendigen Unterhaltungskosten für Arbeitsmaschinen etc. wirtschaftlich erscheint. Ausnahmsweise kann die Fortführung auch dann sinnvoll sein, wenn die Sicherung einer Marke oder des Namens der Schuldnerin als Wirtschaftsfaktor im Raum steht. Diese Ausnahmefälle sind vorliegend aber offensichtlich nicht einschlägig. Vielmehr drängt sich bei einer Investmentfirma, die sich in der Gesamtvollstreckung befindet, geradezu die Notwendigkeit auf, das noch vorhandene Massevermögen, das - mit Ausnahme von Büromöbeln etc. - überwiegend aus Geldmitteln bestehen wird, durch sichere Anlagen zu erhalten und nicht etwa durch unsichere Wertpapierkäufe zu gefährden.

c) Die Beklagte kann auch nicht mit ihrem Einwand gehört werden, dass der Streithelfer den Kredit in Höhe von 1.000.000,00 DM nicht vollständig zum Erwerb von Wertpapieren verwendet, sondern auch andere Ausgaben damit getätigt habe. Sie legt hierzu zwar eine Aufstellung vor (s. S. 15 ff. der Klagerwiderung). Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Denn unstreitig war Zweck der Kreditaufnahme der beabsichtigte Erwerb von Wertpapieren. Ausweislich der unstreitigen Aufstellung der Beklagten über die Wertpapierkäufe hat der Streithelfer in den Jahren 1998 bis 2000 auch tatsächlich Wertpapiere für fast 1.000.000,00 EUR gekauft, wohingegen sich der Kredit auf lediglich 1.000.000,00 DM belief. Selbst wenn sich die späteren Ankäufe zum Teil aus zwischenzeitlichen Verkäufen finanzierten und der Streithelfer einen Teil des Kreditbetrages anderweitig ausgab, so ändert dies nichts an dem Umstand, dass die Verpfändung des Festgeldguthabens im Jahr 1998 als Sicherheit für Ansprüche aus dem Kreditvertrag erfolgte und dass der Kredit zum Ankauf von Wertpapieren vorgesehen war, die später auch tatsächlich - sogar in Kreditsummen übersteigender Höhe - gekauft wurden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Streithelfer die unstreitig getätigten Wertpapierkäufe absprachewidrig nicht mit den Kreditmitteln, sondern anderweitig finanziert hätte. Dies behauptet aber selbst die Beklagte nicht.

2. Unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof geforderten Voraussetzungen hat der Streithelfer damit den ihm eingeräumten Ermessensspielraum des § 8 Abs. 2 GesO weit überschritten, was sich der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch aufdrängen musste. Infolge dessen ist die Verpfändung des Festgeldguthabens unwirksam. Hieraus wiederum folgt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, eine Verrechnung des Festgeldguthabens mit den offenstehenden Forderungen aus dem Kreditvertrag vorzunehmen. Dem Kläger steht damit ein Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht verrechneten Guthabens in Höhe von unstreitig 516.333,07 EUR zu.

Die Beklagte war - entsprechend dem Antrag des Klägers - zunächst Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte der Schuldnerin aus dem Depotkonto zur Zahlung zu verurteilen. Soweit das Landgericht im Hinblick auf die Verurteilung des Streithelfers durch das Landgericht München I eine weitere Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochen hat, erfolgte diese auf den eigenen Hilfsantrag der Beklagten, so dass es weiterer Ausführungen hierzu nicht bedarf.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 und 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob die Verwendung von Massevermögen für Wertpapiergeschäfte gleich welcher Art als insolvenzzweckwidrig anzusehen ist, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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