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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 3 U 226/08
Rechtsgebiete: BGB, AO, StraBEG


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 675 Abs. 1
AO § 371
StraBEG § 1 Abs. 1
1. Eine Pflichtverletzung des Steuerberaters ist sowohl darin zu sehen, dass er - ohne valide Kenntnis vom Gesamtvermögen seines Mandanten - den Hinweis auf eine möglicherweise durch das Finanzamt erfolgende Schätzung seines Vermögens und auf dieser Grundlage ergehende Vermögensteuerbescheide unterlässt, als auch darin, dass er dem Finanzamt Erträge aus Kapitalanlage in der Schweiz im Wege der Selbstanzeige nach § 371 AO offenbart und nicht die strafbefreiende Erklärung nach § 1 Abs. 1 StraBEG wählt, was die erfolgte Festsetzung von Vermögensteuer vermieden hätte.

2. Die Pflichtverletzung des Steuerberaters führt aber nicht zu einem kausalen Schaden, wenn sich aus dem nachträglichen Verhalten des Mandanten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er sich bei pflichtgemäßem Verhalten des Steuerberaters nicht beratungskonform verhalten hätte, weil er den Erfolg der Anfechtung der Vermögensteuerbescheide durch unterlassene Angaben zu seinem Vermögen vereitelt hat.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 226/08

Verkündet am 11. Februar 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ..., der Richterin am Oberlandesgericht ... und der Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. September 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Stade - 2 O 75/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der beklagten Steuerberatungsgesellschaft, aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau, Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung der sich aus dem Steuerberatervertrag ergebenden Pflichten (§§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB).

Der Kläger beauftragte die langjährig für ihn in Steuerangelegenheiten tätige Beklagte mit der Abgabe einer für ihn zur Straffreiheit führenden Erklärung gegenüber dem Finanzamt, nachdem er sich im Jahr 2004 entschlossen hatte, sein in der Schweiz deponiertes, bis dahin auch nicht gegenüber der Beklagten offenbartes Kapitalvermögen nach Deutschland zu transferieren. Zu diesem Zweck übergab er dem sachbearbeitenden Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen H., Erträgnisaufstellungen betreffend seiner Fondsanteile in der Schweiz für die Jahre 1993 - 2001. Der Zeuge H. bat daraufhin mit Schreiben vom 15. November 2004 das Finanzamt S., die sich aus den Erträgnisaufstellungen ergebenden Kapitalerträge zu erfassen, wobei die Herkunft des Geldes fälschlicherweise mit Luxemburg angegeben wurde. tatsächlich gemeint war die Anlage in der Schweiz.

Das Finanzamt S. wertete das Schreiben als Selbstanzeige im Sinne von § 371 AO und erließ gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau neben geänderten Einkommensteuerbescheiden am 29. August 2005 für den Zeitraum 1993 - 1996 Vermögensteuerbescheide. In Ermangelung von Angaben des Klägers zu seinem Vermögen hat das Finanzamt im Bescheid auf den 1. Januar 1993 gemäß § 162 AO die inländischen Zahlungsmittel auf 478.075 DM und die ausländischen Kapitalanlagen auf 400.000 DM geschätzt. Im Bescheid auf den 1. Januar 1995 wurden die ausländischen Zahlungsmittel auf 558.417 DM und die Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften auf 400.000 DM geschätzt. Die Bescheide wiesen Vermögensteuer aus

für den Zeitraum von 1993 - 1994 in Höhe von 5.216,32 EUR

für den Zeitraum 1995 - 1996 in Höhe von 10.798,92 EUR,

mithin insgesamt in Höhe von 16.015,24 EUR,

die vom Kläger bezahlt wurde.

Gegen die Vermögensteuerbescheide legte die Beklagte im Namen des Klägers Einspruch ein und erhob nach Zurückweisung der Einsprüche Klage vor dem Finanzgericht, die sie - ohne sie zuvor begründet zu haben - zurückgenommen hat.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte bei richtiger Sachbehandlung für die Jahre 1993 bis 1996, 1998 und 1999 eine strafbefreiende Erklärung nach § 1 StrafBEG und nur für die verbleibenden Jahre (1997, 2000, 2001) Selbstanzeige nach § 371 AO beim Finanzamt S. hätte einreichen müssen, was neben einer Reduzierung der Einkommensteuer eine Festsetzung der Vermögensteuer durch das Finanzamt S. vollständig vermieden hätte. In Höhe des festgesetzten Vermögensteuerbetrages sei ihm deshalb infolge der Schlechterfüllung des Steuerberatervertrages ein Schaden entstanden. Zur Darstellung der steuerrechtlichen Auswirkungen der jeweiligen Erklärungen nach § 1 StrafBEG bzw. nach § 371 AO hat der Kläger auf das Parteigutachten des Steuerberaters Dr. K. vom 12. September 2007 verwiesen und danach Schadensersatz in folgender Höhe beansprucht:

Zu Unrecht gezahlte Vermögensteuer 16.015,24 EUR

Differenzbetrag zuviel gezahlter Einkommensteuer 753,29 EUR

Kosten für das Parteigutachten Dr. K. 1.466,08 EUR

Gesamt 18.234,61 EUR

Darüber hinaus hat er Ersatz der Kosten für ein vorgerichtliches Mahnschreiben seines Anwalts vom 15. Oktober 2007 in Höhe von 961,28 EUR begehrt.

Der Kläger hat behauptet, dem Zeugen H. sei sein inländisches Kapitalvermögen bekannt gewesen, wonach sich für ihn aufgedrängt habe, dass dieses über den in den Jahren 1993 und 1995 für Vermögensteuer geltenden Freibeträgen (240.000 DM/340.000 DM) liegen würde. Anhand der Erträgnisaufstellungen, die dem Steuerberater als Grundlage für die Mitteilung von Kapitalerträgen an das Finanzamt dienten, sei im Zusammenhang mit im Internet veröffentlichten Wertangaben zu den Anteilen an den Fonds, in denen er sein ausländisches Kapitalvermögen angelegt hatte, der Bestand seines im Ausland befindlichen Kapitals ohne weiteres zu ermitteln gewesen. Dieses habe sich beispielsweise nach der anzustellenden Berechnung zum Stichtag 31. Dezember 1994 auf 322.133 DM belaufen, weshalb die Gefahr der Festsetzung von Vermögensteuer im Falle einer Selbstanzeige evident gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.234,61 EUR nebst 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2007 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 961,28 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 16. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Selbstanzeige die nach dem damaligen Erkenntnisstand zum Vermögen des Klägers günstigere Erklärung abgegeben zu haben. Die vor der Selbstanzeige ergangenen Einkommensteuerbescheide für den Kläger und seine Ehefrau hätten zur Festsetzung nur geringer bis keiner Einkommensteuer geführt, da nur geringe Einkünfte aus Leibrente bestanden hätten. Bereits vor Einreichen der Selbstanzeige sei der Kläger vergeblich zur Vorlage von Depotauszügen für seine ausländischen Kapitalanlagen aufgefordert und darauf hingewiesen worden, dass mangels Vorlage die steuerlichen Auswirkungen der Selbstanzeige nicht abschließend geklärt werden könnten.

Gegen die Vermögensteuerbescheide habe man sich gewandt, weil sich die Parteien einig gewesen seien, dass das Gesamtvermögen des Klägers unter den Freibeträgen gelegen habe, sodass die Vermögensteuer vom Finanzamt bei Berücksichtigung des wahren Vermögens mit 0 DM zu bemessen gewesen sei. Ohne die Depotauszüge sei eine wirksame Verteidigung gegen die Vermögensteuerbescheide nicht möglich gewesen. Die Klage vor dem Finanzgericht habe deshalb zurückgenommen werden müssen.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen H. nur in Höhe des zuviel gezahlten Einkommensteuerbetrages (753,29 EUR) und eines quotal entsprechenden Anteils an den Kosten für das Parteigutachten stattgegeben, sowie Rechtsanwaltskosten für außergerichtliche Tätigkeit nach einem dem zugesprochenen Betrag entsprechenden Gegenstandswert zugesprochen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte schuldhaft ihre Pflicht aus dem Steuerberatervertrag verletzt habe, in dem sie für den Zeitraum 1993 - 2001 eine Selbstanzeige und nicht die strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG in den Jahren 1993 - 1996, 1998 und 1999 gewählt habe. Dem Kläger sei dadurch ein Schaden in Höhe des übersteigenden Einkommensteuerbetrages sowie in Höhe der festgesetzten Vermögensteuer entstanden. Den Kläger treffe aber in Bezug auf die Vermögensteuer ein erhebliches Mitverschulden, weil er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der ihm obliegenden Verpflichtung zur Mitwirkung an der Minderung des Schadens nicht nachgekommen sei, indem er Depotunterlagen der Beklagten nicht habe zukommen lassen. Nur aus diesem Grund habe die Anfechtung der Vermögensteuerbescheide keinen Erfolg gehabt. Hierbei sei davon auszugehen, dass das Gesamtvermögen des Klägers und seiner Ehefrau die Freibeträge in den Jahren 1993 und 1995 nicht überschritten habe. Der Kläger habe in Bezug auf die Höhe seines Vermögens seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt, so dass die Behauptung der Beklagten zugrunde zu legen sei.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen ursprünglichen Klageantrag im Umfang des abgewiesenen Teilbetrages weiterverfolgt.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er Unterlagen der Beklagten nicht zur Verfügung gestellt habe. Alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen betreffend seine Vermögensverhältnisse habe er dem Zeugen H. übergeben. Dies habe der Zeuge in der Beweisaufnahme bestätigt. Soweit ihm die Depotauszüge zu seinen Kapitalanlagen in der Schweiz nicht vorgelegen haben und dem Zeugen H. deshalb nicht übergeben werden konnten, sei die Nachforderung der Depotauszüge bei der Bank nur unterblieben, weil ihn der Steuerberater pflichtwidrig nicht auf die Möglichkeit einer solchen Nachforderung hingewiesen habe. Gegebenenfalls habe sich der Zeuge H. auch zur Anforderung der Depotauszüge vom Kläger bevollmächtigen lassen müssen. Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass ein - unterstelltes - Mitverschulden des Klägers für den entstandenen Schaden gar nicht ursächlich geworden sei. Die Depotauszüge seien wegen der Berechenbarkeit des Vermögensbestandes anhand der Erträgnisaufstellungen für die Begründung der Klage vor dem Finanzgericht gar nicht erforderlich gewesen. Die anhand der Ertragsübersichten für die Depots im Zusammenhang mit den im Internet veröffentlichten Werten der einzelnen Fondsanteile berechneten Beträge hätte die Beklagte im finanzgerichtlichen Verfahren vortragen können, was als Angriff der vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Stade (Az. 2 O 75/08) die Beklagte zu verurteilen, an ihn insgesamt 18.234,61 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2007, sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 961,28 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 16. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist darauf hin, dass der Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Verfahren für die Höhe seines Vermögens beweispflichtig sei.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte über den rechtskräftig zuerkannten Betrag hinaus kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Steuerberatervertrag gemäß §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte trifft zwar der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung, soweit sie auf die Gefahr der Festsetzung von Vermögensteuer im Falle von die Freibeträge übersteigender Vermögenswerte des Klägers und seiner Ehefrau nicht hingewiesen hat und soweit sie es unterlassen hat, zur Vermeidung von Vermögensteuer für die Jahre 1993 bis 1996 eine Erklärung nach § 1 StraBEG abzugeben. im Hinblick auf eine nicht ausreichende Sachverhaltsaufklärung sowie die Rücknahme der Klage vor dem Finanzgericht fehlt es dagegen bereits an einer Pflichtverletzung. Indessen hat das pflichtwidrige Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten bei Bearbeitung des Mandats nicht zu einem kausalen Schaden des Klägers und seiner Ehefrau geführt, so dass es nicht darauf ankommt, ob den Kläger ein Mitverschulden aufgrund mangelnder Mitwirkung an der Aufhebung der Vermögensteuerbescheide trifft.

1. Pflichtverletzung

Der Steuerberater hat im Rahmen seines Auftrages den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss er seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren. Zu diesem Zweck hat er den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten (vgl. BGH, WM 2005, 896. WM 2004, 472). Die Beratung soll den Mandanten in die Lage versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können (vgl. BGH, WM 2004, 472).

Die Beklagte war beauftragt, den Kläger bei der im Jahr 2004 geplanten Überführung seines im Ausland deponierten Vermögens zu beraten und die ihm daraus erwachsenen Erträge dem Finanzamt S. mitzuteilen. Hierdurch sollte zum einen Straffreiheit für den Kläger und zum anderen die zum Erreichen der Straffreiheit notwendige, geringst mögliche steuerliche Inanspruchnahme durch den Fiskus erreicht werden. Nachdem das Finanzamt am 29. August 2005 Bescheide über Vermögensteuer für den Zeitraum von 1993 - 1996 erlassen hatte, wurde der Auftrag um die Anfechtung der Bescheide erweitert.

Danach war die Beklagte verpflichtet, den von ihr zu beurteilenden Sachverhalt durch Einsichtnahme in Belege oder durch Rückfrage bei ihrem Mandanten aufzuklären. Soweit ihr eine vollständige Aufklärung nicht möglich erschien, war der Mandant über die sich aus der mangelnden Sachverhaltsaufklärung ergebenden Risiken zu unterrichten. Auf der Grundlage des so festgestellten Sachverhalts war gegenüber dem Finanzamt S. diejenige Erklärung abzugeben, die die für den Kläger und seine Ehefrau günstigste steuerliche Behandlung zur Folge hatte. Im Rahmen der Anfechtung der Vermögensteuerbescheide war die Beklagte darüber hinaus verpflichtet, den Mandanten über deren Chancen und Risiken aufzuklären und bei Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung hiervon abzuraten.

a) Die Beklagte trifft kein Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung wegen mangelnder Aufklärung des steuerlich relevanten Sachverhalts. Dies wäre nur der Fall, wenn der Steuerberater aufgrund unterlassener ihm zumutbarer Ermittlungen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wäre. Hinsichtlich eines von der Annahme des Steuerberaters abweichenden inländischen Vermögens bleibt der Kläger beweisfällig. Hinsichtlich des ausländischen Vermögens hat der Kläger das behauptete Beibringen der erforderlichen Unterlagen nicht bewiesen, wohingegen dem Steuerberater eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht zumutbar war.

aa) Der für das Vorliegen einer Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelastete Kläger bleibt bereits für seine Behauptung, sein inländisches Kapitalvermögen habe - der Beklagten bekannt - über den Freibeträgen für die Jahre 1993 und 1995 (240.000 DM/340.000 DM) gelegen, beweisfällig. Die Beklagte hat diese Behauptung substantiiert bestritten, indem sie dargelegt hat, dass der Kläger nach seiner ursprünglichen Darstellung gemeinsam mit seiner Ehefrau lediglich über Einkünfte aus Leibrente verfügte, die nicht zu einer Versteuerung führten. Für seine dem entgegen stehende Behauptung hat der Kläger Beweis nicht angetreten.

bb) Der Kläger hat nicht bewiesen, dem Zeugen H. alle geforderten Unterlagen übergeben und zur Vorlage weiterer Unterlagen, insbesondere der Depotauszüge für die Schweizer Konten, von diesem nicht aufgefordert worden zu sein. Der Zeuge hat demgegenüber angegeben, dass er den Kläger zur Vorlage der Depotauszüge der ausländischen Anlagen aufgefordert und mit diesem zusammen sogar bei ihm zu Hause nach den Unterlagen gesucht habe. Da die Mitteilung des Sachverhalts und die Beschaffung von Unterlagen grundsätzlich die Sache des Mandanten ist (vgl. BGH, WM 1991, 1812, 1814), oblag es dem Kläger, nachdem ihm der Zeuge die Notwendigkeit der ausländischen Depotauszüge verdeutlicht hatte, für deren Beibringung Sorge zu tragen. Die Informationspflicht des Mandanten ist echte Vertragspflicht, die den Pflichten des Steuerberaters vorgeht (BGH, NJW 1997, 2168, 2170. NJW 1996, 2929, 2932). Hierbei bedurfte es auch keines Hinweises auf die Möglichkeit, bei der Bank Auszüge zu beschaffen. Angesichts des ohne Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe seines Steuerberaters über einen längeren Zeitraum im Ausland angelegten Kapitals kann die für das Anfordern von Depotauszügen notwendige Vertrautheit des Klägers mit Bankgeschäften ohne weiteres unterstellt werden. Der Steuerberater war - ungeachtet der wegen des Bankgeheimnisses geringen Erfolgsaussichten des Vorhabens - auch nicht zur eigenständigen Anforderung der Depotauszüge verpflichtet. Eine Bevollmächtigung des Mitarbeiters der Beklagten, Auszüge anzufordern, hat der Kläger nicht behauptet. Die Initiative insoweit war dem Kläger aufgrund der Erfahrung in Bankgeschäften ohne weiteres zuzumuten. Eine aufwändige Berechnung der Kapitalbestände der im Ausland geführten Depots anhand der Erträgnisaufstellungen und im Internet veröffentlichter Wertangaben zu den Fondsanteilen durchzuführen, war dem Steuerberater - jedenfalls ohne Erteilung eines gesonderten Auftrags - nicht zuzumuten. Darüber hinaus erscheint die Akzeptanz der so ermittelten Zahlen ohne Belege beim Finanzamt als ausgeschlossen.

b) Eine schuldhafte Pflichtverletzung ist aber darin zu sehen, dass der Steuerberater den Kläger nicht vor Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt auf die Gefahr der Festsetzung von Vermögensteuer hingewiesen hat. Der Steuerberater schuldet eine umfassende Aufklärung über alle in Betracht kommenden Risiken, damit der Mandant in die Lage versetzt wird, auf gesicherter Tatsachengrundlage eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Zwar musste der Steuerberater aufgrund des ihm mitgeteilten Sachverhalts nicht mit Sicherheit von einer Veranlagung des Klägers und seiner Ehefrau zu Vermögensteuer ausgehen. Indessen lag die Gefahr, dass das Finanzamt S. Vermögensteuerbescheide erlassen würde, aber nahe. Nach den vorliegenden Erträgnisaufstellungen und bei überschlägiger Abschätzung des sich daraus ergebenden ausländischen Kapitals des Klägers war eine Überschreitung der Freibeträge in den Jahren 1993 und 1995 zumindest denkbar. Hinzu kommt, dass der Kläger über Jahre hinweg Geld im Ausland angelegt hatte, ohne dies gegenüber dem Finanzamt anzugeben oder seinem Steuerberater gegenüber zu offenbaren. Angesichts dieses Verhaltens erschien es zumindest denkbar, dass der Kläger auch im Inland über mehr Vermögen verfügen könnte, als er bisher gegenüber dem Finanzamt angegeben hatte. Jedenfalls das Risiko, dass das Finanzamt eine Schätzung vornehmen würde, wenn mangels vorliegender Depotauszüge für das im Ausland angelegte Kapitalvermögen keine vollständigen Angaben gemacht werden konnten, lag auf der Hand. Darauf hätte der Steuerberater den Kläger jedenfalls hinweisen müssen. Dass ein solcher Hinweis unterblieben ist, hat der Kläger bewiesen. Der Zeuge H. hat in seiner Vernehmung angegeben, dass er bei Abgabe der Selbstanzeige gar nicht an die Möglichkeit der Festsetzung von Vermögensteuer gedacht habe, weil diese zum Zeitpunkt der Erklärung bereits abgeschafft gewesen sei. Denknotwendig konnte er dann einen entsprechenden Hinweis auch nicht erteilen.

c) Ebenfalls den Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung trifft die Beklagte, weil sie für den gesamten Zeitraum von 1993 bis 2001 eine Selbstanzeige nach § 371 AO und nicht davon abweichend für den Zeitraum 1993 bis 1996 eine Erklärung nach § 1 StraBEG abgegeben hat. Der Steuerberater ist verpflichtet, den für seinen Mandanten steuerlich günstigsten Weg zu wählen, der das geringste Risiko einer steuerlichen Inanspruchnahme birgt. Danach hätte die Beklagte für die Jahre 1993 bis 1996 eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG und für den restlichen Zeitraum eine Selbstanzeige nach § 371 AO abgeben müssen. Denn während im Falle einer Selbstanzeige nach § 371 AO diejenigen Steuerbescheide erlassen werden, welche im Falle der rechtzeitigen Kenntnis der nachgemeldeten Einnahmen erlassen worden wären, mithin auch Festsetzungen für die Vermögensteuer, ist die Festsetzung von Vermögensteuer bei der Abgabe einer Erklärung nach § 1 StraBEG ausgeschlossen. Denn der Umfang der Strafbefreiung erstreckt sich nach § 4 StraBEG i. V. m. dem bundeseinheitlichen Merkblatt zur Anwendung des Strafbefreiungsgesetzes des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. Februar 2004 (Bundessteuerblatt 2004, Teil I, Seite 225, 230, dort Ziffer 3.7) auch auf die Vermögensteuer, deren Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG "0" beträgt. Hätte demnach die Beklagte für die Jahre 1993 bis 1996 eine strafbefreiende Erklärung abgegeben, wäre Bemessungsgrundlage für die vom Kläger und seiner Ehefrau zu leistende Vermögensteuer 0 gewesen. Die erfolgte Festsetzung von Vermögensteuer für die Jahre 1993 und 1995 in Höhe von 16.015,24 EUR wäre unterblieben. Das letztlich eingetretene Risiko einer Veranlagung zur Vermögensteuer lag auch nicht fern (vgl. unter II.1.b)), so dass dieses bei der Entscheidung über die gegenüber dem Finanzamt abzugebende Erklärung hätte Berücksichtigung finden müssen.

d) Keine Verletzung der Pflichten aus dem Steuerberatervertrag ist darin zu sehen, dass die Beklagte, nachdem die Depotauszüge vom Kläger nicht vorlegt wurden, die Klage im finanzgerichtlichen Verfahren zurückgenommen hat. Die Klagerücknahme war sachlich geboten, weil die Klage ohne die Depotauszüge und damit ohne die Möglichkeit, den Umfang des ausländischen Vermögens des Klägers substantiiert darzulegen und zu beweisen, nicht mit Erfolg geführt werden konnte. Eine theoretisch mögliche Berechnung des Kapitalbestandes anhand der Erträgnisaufstellungen sowie der im Internet veröffentlichten Werte der Fondsanteile wäre nicht zielführend gewesen. Denn selbst wenn man in der Darlegung der so errechneten Werte substantiiertes Vorbringen des Klägers gesehen hätte, was zweifelhaft ist, wäre seine Klage fraglos daran gescheitert, dass ihm der Nachweis für die behaupteten Kapitalwerte mit den bloß errechneten Werten nicht gelingen konnte. Es ist fernliegend anzunehmen, dass das Finanzamt im Rechtsstreit die bloß errechneten fiktiven Werte als Nachweis akzeptiert hätte.

2. Kausaler Schaden

Soweit die Beklagte der Vorwurf einer Pflichtverletzung trifft, weil sie nicht auf die Gefahr der Festsetzung von Vermögensteuer im Falle bestehender hoher Vermögenswerte hingewiesen und durch Unterlassen einer strafbefreienden Erklärung nach § 1 StraBEG in den Jahren 1993 bis 1996 die Festsetzung von Vermögensteuer nicht verhindert hat, fehlt es an einem kausalen Schaden des Klägers und seiner Ehefrau.

a) Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Mandant, wenn er von seinem Steuerberater über die drohende Festsetzung von Vermögensteuer im Falle über den Freibeträgen liegender hoher Vermögenswerte belehrt worden wäre, sowohl sein inländisches als auch sein ausländisches Vermögen gegenüber dem Steuerberater umfassend offenbart hätte, um auf gesicherter Basis eine Beurteilung der für ihn steuerlich günstigsten Verhaltensweise gegenüber dem Finanzamt zu ermöglichen. Es gilt die tatsächliche Vermutung, dass sich der Mandant bei vertragsgerechtem Verhalten des Steuerberaters, d. h. bei zutreffender Aufklärung, beratungsgemäß verhalten hätte (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Auflage, 2006, Rdnr. 631). Für eine solche Vermutung ist allerdings kein Raum, wenn sich aus dem Verhalten des Mandanten nach der Verwirklichung der Pflichtverletzung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er sich ohne Pflichtverletzung beratungswidrig verhalten hätte. Hier hat der Kläger durch sein Verhalten nach Festsetzung der Vermögensteuer gezeigt, dass er unter keinen Umständen bereit ist, seinem Steuerberater den wahren Bestand seines Vermögens zu offenbaren. Denn auch im Einspruchsverfahren gegen die Vermögensteuerbescheide und nach Zurückweisung der Einsprüche im Klageverfahren vor dem Finanzgericht hat der Kläger weder genaue Angaben zu seinem Vermögen gemacht noch Aktivitäten entfaltet, um von seiner Schweizer Bank die notwendigen Unterlagen zu erlangen. Wenn der Kläger aber bereits angesichts der drohenden Inanspruchnahme für Vermögensteuer ungeachtet der Gefahr, dass die Bescheide bestandskräftig werden, genaue Angaben zum Vermögensumfang gegenüber seinem Steuerberater zu machen nicht bereit ist, kann erst recht nicht angenommen werden, dass er im Falle der abstrakt drohenden Gefahr, dass das Finanzamt S. Vermögensteuer festsetzen würde, sich anders verhalten hätte. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich der Kläger im Falle des erfolgten Hinweises nicht beratungskonform verhalten hätte.

b) Ein kausaler Schaden durch die den Vorwurf einer Pflichtverletzung begründende Abgabe einer Selbstanzeige nach § 371 AO in den Jahren 1993 bis 1996 anstelle einer Erklärung nach § 1 StraBEG lässt sich nicht feststellen. Dies wirkt sich zu Lasten des für das Vorliegen eines durch schuldhafte Pflichtverletzung entstandenen kausalen Schaden beweisbelasteten Klägers aus.

aa) Der Schaden liegt nicht bereits darin, dass auf der Grundlage von Schätzungen Vermögensteuerbescheide ergangenen sind. Denn diese hätten durch Anfechtung unter Angabe der zutreffenden Werte zum in und ausländischen Vermögen des Klägers beseitigt werden können, wenn sein Vermögen niedriger als die vom Finanzamt S. geschätzten Werte (1993: inländische Zahlungsmittel 478.075 DM. ausländische Kapitalanlagen 400.000 DM. 1995: inländische Zahlungsmittel 558.417 DM. ausländische Kapitalanlagen 400.000 DM) war. Die Finanzbehörde hat auf rechtzeitigen Einspruch die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen und entsprechend einer vom Steuerberater berichtigten fehlerfreien Steuererklärung die richtige Entscheidung zu treffen (BGHZ 114, 150. juris, Rdnr. 15).

bb) Ein Schaden des Klägers infolge der Festsetzung der Vermögensteuer für die Jahre 1993 und 1995 ist aber mit Erlass der Bescheide eingetreten, wenn diese gar nicht mit Erfolg angefochten werden konnten, weil die Vermögenswerte des Klägers im In und Ausland zumindest den Schätzungen des Finanzamtes entsprachen. Dass der Kläger und seine Ehefrau in den Jahren 1993 und 1995 jeweils über ein Gesamtvermögen in Höhe von zumindest 878.075 DM bzw. 958.417 DM verfügten, mit der Folge, dass eine Anfechtung der Bescheide Erfolg nicht versprach, ist mit Substanz nicht vorgetragen. Soweit einzelne Vermögenswerte zwar substantiiert dargelegt sind, bleibt der Kläger für seine Behauptung beweisfällig, da er Beweis nicht angetreten hat.

(1) Die Höhe des inländischen Kapitalvermögens des Klägers ist nur in Bezug auf sein Grundvermögen (122.452 DM) unstreitig. Zur Darstellung seiner weiteren inländischen Vermögenswerte stellt er lediglich eine Berechnung anhand behaupteter Zinserträge von mehr als 15.000 DM in den Jahren 1995 und 1996 an. Dieses Vorbringen ist ohne Substanz, da ohne konkrete Angaben zum Zinssatz mit dem sein Kapital verzinst worden ist, nähere Erkenntnisse zum Vermögensbestand nicht möglich sind. Zudem erreichen die auf diese Weise ermittelten Minimal und Maximalwerte (187.500,00 DM bis 375.000,00 DM) nicht die vom Finanzamt S. geschätzten Werte des inländischen Vermögens für die Jahre 1993 und 1995 in Höhe von 478.075 DM bzw. 558.417 DM.

(2) Soweit der Kläger aufgrund der Erträgnisaufstellungen und der Werte der Fondsanteile für den 31. Dezember 1994 ein ausländisches Kapitalvermögen in Höhe von 322.133 DM errechnet, bleibt der Kläger für seine Behauptung jedenfalls beweisfällig. Denn die Beklagte hat diesen Wert bestritten und sich auf den Standpunkt gestellt, dass aufgrund der Zinsbescheinigungen nur auf ein Vermögen von 100.000 - 120.000 DM zu schließen sei. Zudem seien die Parteien nach Erlass der Vermögensteuerbescheide darüber einig gewesen, dass das Gesamtvermögen unter den Freibeträgen gelegen habe, weshalb bei Berücksichtigung der zutreffenden Vermögenswerte die Vermögensteuer mit 0 DM hätte bemessen werden müssen. Dies sei Anlass für die gegen die Vermögensteuerbescheide erhobenen Einsprüche gewesen. Da der Kläger für den behaupteten Wert seines ausländischen Kapitalvermögens Beweis nicht angetreten hat, bleibt er insoweit beweisfällig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und die über die Nichtzulassung der Revision aus § 543 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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