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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: 3 U 287/03
Rechtsgebiete: BGB, InsO
Vorschriften:
BGB § 133 | |
InsO § 61 S. 1 |
2. Die Erklärung einer Insolvenzverwalterin, sie komme persönlich für die Bezahlung erbrachter Leistungen auf, kann als eigener Schuldbeitritt der Verwalterin auszulegen sein.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 26. Mai 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ####### sowie der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. Oktober 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beklagte ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der KG H. L. GmbH. Nach der Verfahrenseröffnung am 4. Januar 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe in ihrer "Eigenschaft als Insolvenzverwalter" verfügt, dass die Produktion wieder aufgenommen werde und die Zusammenarbeit der Schuldnerin mit der Klägerin weitergeführt werden solle. Weiter heißt es:
"Für die Bezahlung Ihrer erbrachten Leistungen komme ich ab Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens persönlich auf."
Die Klägerin lieferte der Gemeinschuldnerin in der Folgezeit Baustoffe. Die Höhe der sich hieraus ergebenden Forderung ist mit 51.808, 32 EUR unstreitig. Der Ausgleich der Forderung ist nicht zu erwarten, da die Beklagte am 13. August 2003 die Unzulänglichkeit der Masse nach § 208 InsO angezeigt hat.
Die Klägerin nimmt daher die Insolvenzverwalterin persönlich auf Zahlung in Anspruch. Deren Haftung ergebe sich aus dem Wortlaut des Schreibens vom 11. März 2002.
Die Beklagte hat geltend gemacht, sie sei nicht passiv legitimiert. Eine persönliche Haftung aus eigenen Mitteln komme nicht in Betracht; aus dem Schreiben vom 11. März 2002 ergebe sich, dass sie als Insolvenzverwalterin tätig geworden sei. Im Übrigen sei die Klage, soweit sie sich gegen die Masse richte, unbegründet, da der Gemeinschuldnerin gegenüber der Klägerin Gegenforderungen in einer die Klagforderung bei weitem übersteigenden Höhe zustünden, mit denen diese die Aufrechnung erkläre.
Das Landgericht hat die Beklagte persönlich in vollem Umfang zur Zahlung verurteilt. Die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 11. März 2002 zugesagt, persönlich für die Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin, soweit diese aus der Zeit nach dem 11. März 2002 resultierten, einstehen zu wollen.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage. Sie hält die Auslegung ihrer Erklärung vom 11. März 2002 durch das Landgericht für rechtsfehlerhaft und wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz, sie habe keine persönliche Einstandspflicht begründen, sondern lediglich auf die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO hinweisen wollen. Dies ergebe sich auch aus den Gesprächen, die die Parteien vor der Wiederaufnahme ihrer Geschäftsbeziehungen geführt hätten. In diesem Zusammenhang sei der Klägerin erklärt worden, dass der Rechnungsausgleich für neue Lieferungen unproblematisch sei, "da die Beklagte als Verwalterin hafte, wenn die Masse für die Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht ausreiche."
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, die Beklagte habe bei Auftragserteilung erklärt, persönlich für neu entstehende Forderungen einstehen zu wollen. Auf ihre Stellung als Massegläubigerin habe sich die Klägerin nicht verlassen wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, wegen der gestellten Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2004 (Bl. 219 f. d. A.) verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dem gegen die Beklagte persönlich gerichtenen Zahlungsbegehren der Klägerin entsprochen. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 11. März 2002 persönlich den Ausgleich der von ihr als Insolvenzverwalterin begründeten Verbindlichkeiten zugesichert; sie ist damit der Zahlungsverpflichtung der Gemeinschuldnerin beigetreten.
1. Bei der Auslegung des vom früheren Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin W. unterzeichneten Schreibens der Beklagten ist in erster Linie der Wortlaut der Erklärung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (BGH XI ZR 136/01 vom 23. April 2002; BGHZ 121, 13, 16; BGH WM 1998, 776 f.; WM 2000, 1195 f.), wobei die Auslegung zu berücksichtigen hat, dass vertragliche Willenserklärungen nach dem Willen der Parteien in aller Regel einen rechtserheblichen Inhalt haben sollen und daher im Zweifel nicht so ausgelegt werden dürfen, dass sie sich als sinnlos oder wirkungslos erweisen (BGH WM 1998, 1535, 1536).
2. Die Erklärung vom 11. März 2002 spricht ihrem Wortlaut nach eindeutig für eine eigene persönliche Einstandspflicht der Beklagten. Maßgeblich ist insoweit die Formulierung in dem von der Beklagten verfassten Schreiben, ab Eröffnungsbeschluss komme sie "persönlich" für die Bezahlung erbrachter Leistungen auf. Durch die Wortwahl "persönlich" wird ein deutlicher Gegensatz zum zweiten Absatz jenes Schreibens hergestellt, in dem die Beklagte mitteilt, sie habe in ihrer "Eigenschaft als Insolvenzverwalter" verfügt, dass die Produktion wieder aufgenommen werden solle, in dem sie also ausdrücklich darauf hinweist, dass sie insoweit nicht persönlich, sondern in Ausübung des ihr übertragenden Amtes tätig geworden ist.
Diese, auf eine persönliche Haftung der Beklagten hindeutende Auslegung entspricht dem üblichen Sprachgebrauch der beteiligten Kreise. So beinhaltet etwa die Erklärung eines Anwalts, er stehe persönlich für bestimmte Verfahrenskosten ein, die Zusicherung, selbst, also aus eigenen Mitteln zumindest als Zweitschuldner für Verfahrenskosten aufkommen zu wollen.
3. Berechtigterweise hat die Klägerin die Erklärung im Schreiben vom 11. März 2002 auch als persönliche Einstandspflicht der Beklagten verstanden. Gerade von der Beklagten als Rechtsanwältin konnte und durfte die Klägerin erwarten, dass diese bei Abgabe einer Erklärung, in der sie die persönliche Haftung zusagte, mit dieser Wortwahl auch das zum Ausdruck bringen wollte, was üblicherweise im Rechts und Geschäftsverkehr mit dem Begriff "persönlich" zum Ausdruck gebracht wird: dass nämlich die Beklagte, um die Fortführung des Betriebes der Gemeinschuldnerin, der auf Lieferungen der Klägerin angewiesen war, sicherstellen zu können, für die entstehenden Forderungen die eigene Einstandspflicht begründen wollte, der Ausgleich der Forderungen mithin nicht nur von der - aus Sicht der Klägerin: nicht zahlungsfähigen - insolventen Gemeinschuldnerin, sondern auch von der Beklagten persönlich geschuldet sein sollte.
4. Die Erklärung der Beklagten, sie habe mit der Formulierung, persönlich für die Bezahlung der erbrachten Leistungen aufkommen zu wollen, lediglich auf ihre (persönliche) Haftung als Insolvenzverwalterin nach § 61 KO hingewiesen, überzeugt demgegenüber nicht. Gegen eine solche Auslegung spricht, dass die Beklagte keinesfalls davon ausgehen durfte, dass die Regelung des § 61 InsO, auf die sie im weiteren Schreiben in keiner Weise Bezug genommen hat, der Klägerin bekannt war oder nur bekannt sein könnte. Im Übrigen stünde eine solche Auslegung im Widerspruch zu dem - gerade bei der Erklärung einer Anwältin Bedeutung erlangenden - Grundsatz, dass vertragliche Willenserklärungen nach dem Willen der Parteien in aller Regel einen rechtserheblichen Inhalt haben sollen und daher im Zweifel nicht so ausgelegt werden dürfen, dass sie sich als sinnlos oder wirkungslos erweisen (BGH WM 1998, 1535; XI ZR 136/01 vom 23. April 2002). Hierauf liefe jedoch eine Auslegung, die Beklagte habe lediglich auf die persönliche Haftung nach § 61 InsO hinweisen wollen, hinaus: Hierfür wäre eine Erklärung der Beklagten nicht erforderlich gewesen, da die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO kraft Gesetzes besteht.
5. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, aufgrund des Inhalts von Vorgesprächen, die die Parteien vor der Wiederaufnahme der Baustofflieferung durch die Klägerin geführt habe, sei eine andere Auslegung des Schreibens vom 11. März 2002 in dem Sinne, dass lediglich eine Haftung der Beklagten nach § 61 Abs. 1 InsO gewollt gewesen sei, geboten. Ihr im Berufungsverfahren in Bezug genommenes Vorbringen erster Instanz, sie habe erklärt, der Ausgleich der klägerischen Rechnungen sei unproblematisch, da sie als Verwalterin hafte, wenn die Masse für die Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht ausreiche, ist insoweit unbehelflich. Gerade vor dem - unstreitigen - Hintergrund, dass die Klägerin im Hinblick auf künftige Lieferungen an die Gemeinschuldnerin eine Sicherung begehrte, lässt die Erklärung der Beklagten, dass sie als Verwalterin hafte, wenn die Masse für die Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht ausreiche, keineswegs den Schluss zu, hiermit sei keine persönliche Haftung, sondern lediglich eine Einstandspflicht nach § 61 InsO gemeint gewesen. Vielmehr konnte und durfte die Klägerin auch diese dem Wortlaut des Schreiben vom 11. März 2002 weitgehend entsprechende Erklärung in dem Sinne verstehen, dass der Ausgleich ihrer Forderungen auch für den Fall der Unzulänglichkeit der Masse gesichert sein sollte. Eine solche Sicherung bestand jedoch im Fall der Masseunzulänglichkeit gerade nur bei einer persönlichen Einstandspflicht der Beklagten, da eine Haftung der Beklagten als Verwalterin nach § 61 InsO bei Masseunzulänglichkeit nur dann eingreift, wenn die Unzulänglichkeit der Masse für die Verwalterin bei Eingehung der Verbindlichkeit bereits zu erkennen war. Im Übrigen begründet, was ebenfalls gegen den Vortrag der Beklagten spricht, § 61 InsO keine Verpflichtung der Insolvenzverwalterin zum Ausgleich von Masseschulden, sondern einen Anspruch auf Schadensersatz. Von Schadensersatzansprüchen und den Voraussetzungen, unter denen diese in Betracht kommen, war jedoch weder in den Vorgesprächen der Parteien vor Wiederaufnahme der Lieferungen die Rede noch findet sich ein Hinweis hierauf im Schreiben der Beklagten vom 11.3.2002. Dort ist vielmehr der Ausgleich vertraglich begründeter Zahlungsansprüche zugesichert.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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