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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 21.09.2005
Aktenzeichen: 3 U 99/05
Rechtsgebiete: ZPO, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 340
BRAO § 51b
1. Zu den Pflichten von Verkehrsanwalt und Prozessanwalt gegenüber dem Mandanten.

2. Zur Darlegungs- und Beweislast beim Rechtsanwaltsregress, zur Frage von Beweiserleichterungen im Falle einer groben Pflichtverletzung des Rechtsanwalts, zur Abgrenzung vom Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens.

3. Zur Pflicht des Gerichts, ungeachtet der Verspätung von Vorbringen eine Beweisaufnahme noch möglich zu machen.

4. Zu den Voraussetzungen der Primär und der Sekundärverjährung.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 99/05

Verkündet am 21. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24. März 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagten Rechtsanwälte auf Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung in Anspruch.

Die Beklagten vertraten den Kläger in dem Rechtsstreit 9 O 2734/95 vor dem Landgericht Magdeburg wegen einer Honorarforderung des Klägers aus einem Architektenvertrag. Der Bauherr Dr. H., Beklagter des genannten Rechtsstreits, hatte die ersten drei Abschlagsrechnungen ausgeglichen, verweigerte aber die Zahlung der 4. Abschlagsrechnung über 60.123,40 DM. Der Kläger erhob Klage vor dem Landgericht Magdeburg auf Zahlung von 50.000 DM. Während des Rechtsstreits kündigte er den Architektenvertrag und rechnete seine Leistungen mit Schlussrechnung vom 7. Mai 1996 ab. Mit Schriftsatz des Beklagten zu 2 vom 19. Oktober 1999 erhöhte der Kläger die Klage auf Zahlung des Schlussrechnungsbetrages von 104.958,20 DM. Bereits vorher hatte der Bauherr Widerklage auf Schadensersatz in Höhe von 395.189,08 DM erhoben. Das Landgericht Magdeburg wies durch Teilurteil die Klage wegen Verjährung ab. Auf die Berufung des Klägers hob das Oberlandesgericht Naumburg (2 U 99/00) das Urteil teilweise auf und verwies die Sache insoweit an das Landgericht zurück, als die Klage in Höhe von 50.000 DM abgewiesen worden war, im Übrigen bestätigte es die Klagabweisung wegen Verjährung. Vor dem Landgericht schlossen die Parteien am 20. März 2001 einen Vergleich, wonach der Beklagte an den Kläger noch 25.000 DM zahlt. Wegen der Widerklage wurde das Verfahren vor dem Landgericht nicht weiter betrieben.

Der Kläger verlangt den wegen Verjährung abgewiesenen Teil der Klage von den Beklagten ersetzt.

Gegen den Kläger erging klagabweisendes Versäumnisurteil, gegen welches er Einspruch einlegte.

Mit Schriftsatz vom 2. März 2005 hat der Kläger die Klagforderung um 544,21 EUR erhöht.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Frage einer anwaltlichen Pflichtverletzung könne dahingestellt bleiben, denn einen Schaden habe der Kläger nicht dargelegt. Sein Vorbringen dazu in den zur Einspruchsbegründung eingereichten Schriftsätzen sei gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem auf den 4. März 2005 festgesetzten Einspruchstermin sei nicht möglich gewesen. Der mit der Klagerweiterung geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei wegen Verjährung gemäß § 51 b BRAO abzuweisen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit dem dieser den erstinstanzlich verfolgten Zahlungsanspruch überwiegend weiter verfolgt. § 296 Abs. 2 ZPO komme nicht zur Anwendung, sondern § 340 Abs. 3 ZPO. Frühzeitig habe der Kläger die Beiziehung der Akten des Landgerichts Magdeburg beantragt; sämtliche vor dem Landgericht Magdeburg und dem Oberlandesgericht Naumburg getätigten Beweisantritte hätten auch in dem Verfahren vor dem Landgericht Hannover berücksichtigt werden müssen. Bis zum Einspruchstermin vom 4. März 2005 hätten jedenfalls Zeugen geladen werden können. Das Landgericht habe darüber hinaus den Umstand, dass der Kläger mit dem Einspruchsschriftsatz die Klage erweitert habe, nicht ausreichend berücksichtigt; durch die Einreichung der Klagerweiterung sei dem Rechtsstreit insgesamt die Entscheidungsreife genommen worden. § 51 b BRAO habe das Landgericht unrichtig angewendet, denn das Mandat bestehe immer noch. Außerdem habe das Landgericht den Sekundäranspruch des Klägers unberücksichtigt gelassen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 28. März 2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, Az. 2 O 373/03, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 26.634,90 EUR nebst 11 % Zinsen hierauf auf einen Zeitraum vom 17. Mai 1996 bis zum 21. Dezember 2000 zu zahlen sowie weitere 13 % Zinsen aus 44.052,84 EUR seit dem 22. Dezember 2000 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Beiakten, das angefochtene Urteil und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten in dessen Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Insbesondere sind Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- oder Rechtslage Anlass gibt sowie mögliche mit der Einleitung eines Rechtsstreits verbundenen Risiken darzulegen. Namentlich hat der Rechtsanwalt dafür zu sorgen, dass Schäden seines Mandanten - etwa durch das Verjährenlassen von Forderungen - vermieden werden. Die nicht rechtzeitige Geltendmachung einer Forderung stellt regelmäßig eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages und damit eine Pflichtverletzung gegenüber dem Mandanten dar. Ein Verschulden liegt unzweifelhaft vor.

Wie in der mündlichen Verhandlung bereits angesprochen, müssen die Aufgabenbereiche und damit die Pflichtenpositionen der beiden Beklagten sich nicht notwendigerweise decken. Verkehrs und Prozessanwalt haben grundsätzlich mit dem gemeinsamen Mandanten selbstständige Vertragsverhältnisse mit jeweils eigenen Aufgabenbereichen. Keiner der Anwälte ist in seinem Pflichtenkreis als Erfüllungsgehilfen des anderen i. S. d. § 278 BGB tätig. Der Verkehrsanwalt ist verpflichtet, den Prozessanwalt sorgfältig auszuwählen und dessen Tätigkeit zu überwachen. Dem Prozessanwalt hingegen obliegt die Pflicht zum ordnungsgemäßen prozessualen Handeln gegenüber dem Prozessgericht. Nur dann, wenn sich dem Verkehrsanwalt konkrete Umstände dafür aufdrängen, dass der Prozessanwalt seine Pflichten nicht erfüllt, muss der Verkehrsanwalt auf der Grundlage seiner vertraglichen Beziehungen mit dem Mandanten diesen auf das Fehlverhalten hinweisen und gegenüber dem Verkehrsanwalt auf Abhilfe dringen (vgl. BGH, WM 1988, 382, 387). Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt demgegenüber grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sich die Pflichtenkreise der beiden Anwälte überschneiden (vgl. BGH, NJW 1997, 2168).

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. August 1996 dem Beklagten zu 2 seine Schlussrechnung vorgelegt. Auch der Schriftsatz vom 13. Oktober 1999, mit dem die Klage auf den Schlussrechnungsbetrag von 104.958,20 DM erhöht wurde, ist vom Beklagten zu 2 unterzeichnet. Die Pflichten des Beklagten zu 1 dürften danach auch davon abhängen, inwieweit er Kenntnis von der Existenz der Schlussrechnung hatte. Dazu haben die Parteien vorgetragen (s. Bl. 106, 130, 141, 149, 162). Dies kann aber ebenso wie die Frage einer Informationsverschaffungspflicht aus den nachfolgenden Gründen dahingestellt bleiben.

2. Jedenfalls scheitert der geltend gemachte Schadensersatzanspruch an ausreichender Darlegung zu einem kausalen Schaden des Klägers.

Ein Schaden kann dabei von vornherein nur insoweit bestehen, als ein Anspruch des Klägers bestand und dem Bauherrn Gegenansprüche gegen den Kläger, die dieser auch geltend gemacht hatte, nicht zustanden.

a) Wie in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert, spricht der Inhalt der Beiakten dafür, dass letztlich der zwischen dem Kläger und dem Bauherrn geschlossene Vergleich, wonach der Kläger noch 25.000 DM erhielt, abschließend sein sollte dergestalt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Bauherrn damit endgültig geregelt sind und die Geltendmachung weiterer Forderungen für beide Seiten ausgeschlossen sein soll. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beklagte dem Kläger gegenüber in dem Verfahren vor dem Landgericht Magdeburg Gegenansprüche in Höhe von nahezu 400.000 DM geltend machte, hätte es jedenfalls des konkreten Vortrags des Klägers dazu bedurft, dass und warum der Vergleich nicht abschließend gewesen sein sollte. Auch in der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger auf die Beurteilung der Reichweite des Vergleichs vom Senat hingewiesen worden ist, hat er sich dazu nicht verhalten. Aufgrund der nachfolgenden Darlegungen kommt es darauf aber nicht entscheidend an, sodass es einer abschließenden Beurteilung des Vergleichs nicht bedarf.

b) Hinsichtlich der Kausalität liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Kläger, wobei zwischen haftungsbegründender Kausalität (§ 286 ZPO) und haftungsausfüllender Kausalität (§ 287 ZPO) zu unterscheiden ist. Beweiserleichterungen, die mit denen des Patienten im Verhältnis zum Arzt zu vergleichen sind, werden dem Mandanten nicht zugestanden, und zwar auch dann nicht, wenn - was vorliegend jedenfalls nicht völlig fern liegend ist - von einer groben Pflichtverletzung des Rechtsanwalts auszugehen ist (vgl. BGH, NJW 1997, 1008, 1011, für eine Steuerberaterin).

Anders wäre die Beweislast nur dann zu verteilen, wenn es um den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens durch den Beklagten ginge. Dieser Einwand ist vom Schädiger zu beweisen. Da die Schadensverursachung noch gar nicht feststeht, geht es vorliegend noch nicht um diesen Einwand, der die Kausalität gar nicht betrifft, sondern voraussetzt (vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl. Rn. 489 ff., bes. 490).

Selbst im Rahmen des für den Mandanten günstigeren § 287 ZPO, in dessen Anwendungbereich für die richterliche Überzeugung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht, braucht es für die Überzeugungsbildung eine gesicherte Grundlage. Der Mandat muss also Tatsachen vortragen und im Bestreitensfalle unter Beweis stellen, die für ein Bejahen der Kausalität ausreichende Anhaltspunkte bieten. Die sich stellende Frage ist diejenige, ob im Falle der Klagerweiterung durch die Beklagten bzw. durch den Beklagten zu 2 insgesamt eine antragsgemäße Verurteilung durch das Landgericht Magdeburg bzw. das Oberlandesgericht Naumburg erfolgt wäre. Dazu hatte der Kläger darzulegen, dass sein Anspruch aus der Schlussrechnung begründet ist, er also die abgerechneten Arbeiten tatsächlich und mangelfrei erbracht hat, und die Gegenansprüche des Bauherrn, die dieser in einer die Klagforderung um das Mehrfache übersteigenden Höhe geltend gemacht hatte, nicht bestanden haben.

In seiner Klage vom 22. Dezember 2003 findet sich dazu nichts. Es wird lediglich der tatsächliche Geschehensablauf dargelegt sowie eine Pflichtverletzung durch nicht rechtzeitige Klagerweiterung gerügt. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 21. Januar 2004 gemäß § 273 ZPO den Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht dargetan sei, dass dem Kläger infolge der Verjährung ein Schaden entstanden sei (Bl. 73). Auch die beiden Beklagten haben dies gerügt. Ausreichender Vortrag findet sich auch nicht in den weiteren Schriftsätzen des Klägers vom 4. Mai 2004 (Bl. 148) sowie vom 1. Juni 2004 (Bl. 152). In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 29. Oktober 2004 stellte der Klägervertreter nach Erörterung der Sach- und Rechtslage keinen Antrag, sodass Versäumnisurteil gegen den Kläger erging. Den Vortrag aus den Schriftsätzen vom 24. November 2004 und 24. Januar 2005 hat das Landgericht für verspätet gehalten.

Mit der Berufungsbegründung wird die Präklusion durch das Landgericht gerügt; der Vorschrift des § 296 Abs. 2 ZPO gehe § 340 Abs. 3 ZPO als spezialgesetzliche Regelung vor. Damit wird der Kläger der Verspätungsproblematik nicht gerecht.

Der Einspruch des Klägers ist zulässig, namentlich fristgerecht beim Landgericht eingelegt worden (§ 339 Abs. 1 ZPO). Aber auch ein solcher Einspruch kann den Prozess (nur) in die Lage zurückversetzen, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO). § 340 Abs. 3 ZPO legt dem Einspruchsführer lediglich die Verpflichtung auf, seine Angriffs und Verteidigungsmittel bereits in der Einspruchsfrist vorzubringen. Ein Verstoß gegen die Vorschrift macht den Einspruch nicht unzulässig. Aus § 342 ZPO ergibt sich, dass die früheren Prozesshandlungen ebenso wie die Versäumnisse wieder erheblich werden. Auch bestehende Präklusionswirkungen treten wieder ein, auch diejenige des § 296 ZPO (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., Rn. 40 zu § 296).

Zwar trifft das Gericht eine Pflicht dahingehend, dass es zu versuchen hat, eine Beweisaufnahme bis zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Anspruch und die Hauptsache noch möglich zu machen, wobei die Verletzung dieser Pflicht einer Präklusion entgegensteht (ebenda). Diese Pflicht ist freilich bereits durch das Gesetz beschränkt. Für den nach § 341 a ZPO zu bestimmenden Termin gelten nämlich die der Verfahrensbeschleunigung dienenden Vorschriften der §§ 216 Abs. 2 und 272 Abs. 3 ZPO. Daraus ergibt sich auch, dass das Gericht nicht verpflichtet und auch gar nicht berechtigt ist, zugunsten der säumigen Partei besonders "großzügig" zu terminieren.

Selbst dann, wenn man den Vortrag des Klägers aus der am 24. November 2004 beim Landgericht eingegangenen Einspruchsbegründung nunmehr für ausreichend erachten will, ist die Präklusion durch das Landgericht nicht zu beanstanden. Es ist nämlich, wie in der mündlichen Verhandlung bereits erörtert, davon auszugehen, dass es eines Sachverständigengutachtens bedurfte. Ein solches war in der Kürze der Zeit aber unmöglich einzuholen, zumal das Bauvorhaben ungewöhnlich und aufwändig war. Auf die Einspruchsbegründung war den Beklagten rechtliches Gehör zu gewähren. Sodann war durch eine Anfrage bei einer Architektenkammer oder in anderer Weise ein zur Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens bereiter und fähiger Sachverständiger zu ermitteln. Der Vorschlag der Kammer war sodann den Parteien zur Gewährung rechtlichen Gehörs zuzuleiten. Außerdem war ein Vorschuss anzufordern (§§ 402, 379 Satz 1 ZPO). Eine Übersendung der Akten an den Sachverständigen wäre danach frühestens in der zweiten Januarhälfte 2005 möglich gewesen. Vor Erstellung des Gutachtens musste dann der Sachverständige noch prüfen, ob der Gutachtenauftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann (§ 407 a ZPO). In wenigen Wochen ist aber erfahrungsgemäß ein solches Gutachten, das regelmäßig auch einen Ortstermin voraussetzt, der mit den Parteien und ihren Bevollmächtigten abgestimmt werden muss, nicht zu erstellen. Auch das bei den Akten befindliche Gutachten S. vom 10. Juni 1998 wurde erst rund 1 Jahr nach der Beauftragung durch das Landgericht Magdeburg erstellt.

Dabei konnte allein wegen des Vorliegens dieses Gutachtens auf eine weitere Begutachtung nicht verzichtet werden. Das Gutachten verhält sich auch nur zu den Mängelrügen des Bauherren. Es verhält sich nicht zu der Frage, welche Leistungen der Kläger erbracht hat, somit auch nicht dazu, ob der Kläger die von ihm letztlich abgerechneten Leistungen sämtlich erbracht hat. Immerhin aber spricht das Gutachten S. vom 10. Juni 1998 dafür, dass das vom Kläger betreute Bauvorhaben in verschiedenen Punkten erheblich mangelbehaftet war. So heißt es hinsichtlich der Frage der Gründungsplanung, dass die Erfüllung der damit zusammenhängenden Aufgaben zu der vertraglich geschuldeten Leistung des Klägers gehörte. Hinsichtlich des Turmdaches heißt es in dem Gutachten, dass der Kläger erforderliche zusätzliche Auflagen bzw. Aufkantungen, wie sie vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie vorgeschrieben seien, nicht vorgesehen habe. Auch hinsichtlich der übrigen Dachkonstruktion fehle es an der erforderlichen besonderen Sorgfalt seitens des Klägers. Dies spricht dafür, dass selbst dann, wenn der Kläger die von ihm abgerechneten Tätigkeiten erbracht haben sollte, wegen der jedenfalls auch von ihm zu vertretenden Mängel des Bauwerks die unter Zugrundelegung des Gutachtens S. erheblichen Gegenforderungen des Bauherrn aufgrund der Hilfsaufrechnung die restlichen Ansprüche des Klägers zu Fall gebracht hätten. Auch in Anbetracht dieser vom Gutachter S. festgestellten Mängel war allein mit den vom Kläger benannten Zeugen nicht auszukommen.

War danach die Zurückweisung des klägerischen Vorbringens als verspätet durch das Landgericht berechtigt, ergibt sich aus § 531 Abs. 1 ZPO, dass daran auch der Senat gebunden ist.

3. Den mit der Klagerweiterung geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 544,21 EUR hat das Landgericht gemäß § 51 b BRAO zutreffend als verjährt angesehen. Damit geht auch die Argumentation des Klägers, wegen der Klagerweiterung habe dem Rechtsstreit insgesamt die Entscheidungsreife gefehlt, ins Leere.

a) Gemäß § 51 b BRAO, der auf vorliegenden Sachverhalt noch Anwendung findet, verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Die Entstehung des Anspruchs (§ 198 BGB a.F./§ 200 BGB n. F.) setzt die neuere Rechtsprechung mit dem Eintritt des Schadens gleich (vgl. BGHZ 119, 69, 73, für den Steuerberater; Vollkommer/Heinemann, a. a. O:., Rn. 626 ff.). Auf eine Kenntnis des Mandanten kommt es nicht an (BGHZ 94, 380, 385). Ein Schaden ist in diesem Sinne dann eingetreten, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt es, dass irgendeine Vermögenseinbuße entstanden ist, mag auch die Höhe noch nicht beziffert werden können (BGH, WM 2001, 1677, 1679).

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im angefochtenen Urteil die (Rest)Forderung für verjährt gehalten hat; die Forderung datiert aus dem Jahr 1996, erweitert wurde die Klage erst im Jahr 2005. Ob der Kläger dies mit seiner Berufung angreifen will, bleibt unklar. Der Hinweis auf das Mandatsende geht ins Leere, weil dieses nur insoweit von Bedeutung ist, als damit spätestens die Verjährung zu laufen beginnt.

b) Das Schwergewicht scheint die Berufung jedenfalls auf die Sekundärverjährung legen zu wollen. Ein weiterer, sog. sekundärer Ersatzanspruch, der den Beklagten gemäß § 249 BGB die Einrede der Primärverjährung verwehrte (vgl. BGHZ 94, 380, 385), steht dem Kläger aber nicht zu.

Ein Mandant, dessen primärer Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages verjährt ist, hat dann einen weiteren (sekundären) Ersatzanspruch, wenn der Rechtsanwalt den Schaden in Gestalt der Primärverjährung verursacht hat, indem er im Rahmen der umfassenden vertraglichen Beratungspflicht eine bis zum Mandatsende entstandene (sekundäre) Pflicht, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regresshaftung und deren kurze Verjährung gemäß § 51 b BRAO hinzuweisen, schuldhaft verletzt hat (vgl. BGH, NJW 2000, 1263, 1264). Diese sekundäre Pflicht entsteht, wenn der Rechtsanwalt Anlass hat zu prüfen, ob er durch eine Pflichtverletzung den Mandanten geschädigt hat und ein sorgfältiger Rechtsanwalt dabei seine mögliche Haftpflicht erkennen kann (vgl. BGHZ 94, 380, 386 f.). Mehrere zeitliche Schranken sind hierbei zu beachten. Der Anlass zur Prüfung der eigenen Tätigkeit muss nach Begehung des Fehlers und vor Eintritt der Primärverjährung liegen, außerdem besteht die Pflicht nur bis zum Ende des Mandats. Neben diesem zeitlichen Aspekt setzt der Sekundäranspruch immer eine neue, schuldhafte Pflichtverletzung voraus.

Die Berufung des Klägers trifft insoweit in zweifacher Hinsicht nicht zu. Zum einen ist es unzutreffend, dass durch das Institut der Sekundärverjährung die dreijährige Verjährungsfrist durch eine solche von sechs Jahren ersetzt würde. Zum anderen scheint die Berufung zu verkennen, dass es immer einer neuen Pflichtverletzung bedarf. Die Verletzung der sekundären Hinweispflicht (ebenso wie den Zusammenhang zwischen der Verletzung der sekundären Hinweispflicht und dem Eintritt der Primärverjährung) hat der Kläger darzutun und zu beweisen (vgl. BGH, WM 1991, 1427, 1429). Der Bundesgerichtshof hat verlangt, dass es sich einem sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt "aufdrängen" musste, einen zur Schadensentstehung führenden Fehler gemacht zu haben (vgl. BGH, NJW 1985, 1151, 1152, unter II.2.b.bb). Die Beispiele in der Rechtsprechung, etwa der Erlass eines Urteils (BGH, NJW 1986, 581, 583) oder der Einwand unzulässiger Rechtsausübung des Gegners gegenüber der eigenen Verjährungseinrede im (Vor)Prozess (BGH, VersR 1968, 1042, 1043), zeigen, dass es sich um einen "äußeren" Anlass handeln muss, anderenfalls der Rechtsanwalt gezwungen würde, immer wieder von sich aus seine eigene Arbeit prüfend in Frage zu stellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagtenvertreter einen solchen äußeren Anlass in den Urteilen des Landgerichts Magdeburg sowie des Oberlandesgerichts Naumburg gesehen, die beide, wenn auch mit Abweichungen, den Eintritt der Verjährung bejaht haben. Daraus ergibt sich für den Kläger aber schon deswegen nichts, weil auch unter Zugrundelegung der Annahme des Klägers lediglich ab dem Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 25. April 2000 eine neue 3jährige Verjährungsfrist lief, sodass auch in einem solchen Fall die hier in Rede stehende Erhöhung der Klagforderung mit Schriftsatz vom 2. März 2005 in jedem Fall verjährt ist.

Die Voraussetzungen des Sekundäranspruchs kann der Kläger auch nicht dadurch umgehen, dass er das Unterlassen eines Hinweises durch die Beklagten als treuwidrig, § 242 BGB, ansehen will. § 242 BGB muss hier zurücktreten. Soweit die Vorschrift eingreift und es - ausnahmsweise - treuwidrig ist, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen, sind die Voraussetzungen dafür, namentlich das "Abhalten" von verjährungsunterbrechenden Maßnahmen, nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Die Rechtsprechung legt insoweit einen strengen Maßstab an (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2003, 1046, m. w. N.).

4. Der Kläger hat die Kosten seiner aus obigen Gründen erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht.

Ende der Entscheidung

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