Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 3 W 29/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 767 Abs. 1 Satz 3
Im zu entscheidenden Fall kann die GmbH-Gesellschafterin, die 50 % der Anteile an der GmbH hält und eine Höchstbetragsbürgschaft für die GmbH übernommen hat, sich nicht auf das Verbot der Fremddisposition und die Anlassrechtsprechung berufen.
3 W 29/07

Beschluss

in der Beschwerdesache

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 12. Februar 2007 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 8. Januar 2007, mit dem der Antrag der Beklagten vom 2. Oktober 2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen worden war, wird zurückgewiesen.

Tenor:

Die Beklagte hat die Gerichtskosten ihrer sofortigen Beschwerde zu tragen. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beklagte wird von der Klägerin als Bürgin in Anspruch genommen.

Die Beklagte erwarb am 22. Dezember 1994 den Gesellschaftsanteil ihres Ehemannes an der D... GmbH D... & B... und hielt damit 50 % des Stammkapitals der Gesellschaft.

Gesamtschuldnerisch mit ihrem Ehemann übernahm die Beklagte mit Erklärung vom 24. Februar 1995 bis zu einem Betrag von 200.000 DM die Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen den Hauptschuldner, die D... GmbH.

Mit Schreiben vom 20. April 2005 kündigte die Klägerin die Geschäftsbeziehung zur Hauptschuldnerin, der gegenüber sie eine Forderung von rd. 400.000 EUR behauptet.

Die Beklagte hält den Bürgschaftsvertrag gemäß § 138 BGB für nichtig. Sie sei finanziell krass überfordert worden. Die 1995 der Beklagten gehörenden Grundstücke seien wertausschöpfend belastet gewesen. Der Nichtigkeit ihrer Verpflichtung stehe ihr Gesellschaftsanteil nicht entgegen. Auf die Beklagte sei durch ihren Ehemann und die Klägerin in unzulässiger Weise Druck ausgeübt worden. Schließlich meint die Beklagte, die weite Sicherungsklausel im Bürgschaftsvertrag sei unwirksam.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9. Januar 2007 den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihrer Verteidigung zurückgewiesen. Aufgrund der Beteiligung der Beklagten an der Hauptschuldnerin zu 50 % komme es auf das grobe Missverhältnis zwischen Verpflichtungsumfang und finanzieller Leistungsfähigkeit der Beklagten nicht an. Ihre krasse finanzielle Überforderung habe die Beklagte ohnehin nicht ausreichend dargelegt. Einer - nachvollziehbaren - Äußerung der Klägerin dahingehend, dass sie ohne die zusätzliche Sicherung durch eine Bürgschaft Kredite gegebenenfalls kündigen würde, hätte die Beklagte standhalten müssen. Ein Verstoß gegen § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB liege nicht vor.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag, insbesondere zu ihren finanziellen Verhältnissen und zur Beschränkung ihrer Haftung allenfalls auf den "Anlasskredit". Weiter trägt sie vor, dass der notarielle Vertrag, mit dem Gesellschaftsanteile an die Beklagte abgetreten wurden, vom Ehemann der Beklagten als vollmachtloser Vertreter geschlossen worden sei. Die Genehmigung dieses Vertreterhandelns sei erst am 6. Mai 1996 und damit nach Bürgschaftsübernahme erfolgt. Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sei gemäß § 16 GmbHG die Wirkung der Abtretung erst mit der Anmeldung erfolgt. Die Beklagte habe jedenfalls ohnehin nur "Strohmann-Funktion" gehabt.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde gemäß Beschluss vom 22. Februar 2007 nicht abgeholfen. Wegen § 184 BGB wirke die Genehmigung zurück. Ob die Beklagte "Strohfrau" gewesen sei, könne dahinstehen, da ein Scheingeschäft nicht vorliege.

II.

Die zulässige, namentlich fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Aus einer krassen finanziellen Überforderung durch die Bürgschaft kann die Beklagte eine Unwirksamkeit der Bürgschaft nicht herleiten.

a) Die Beklagte verkennt nicht, dass für die Bürgschaften von GmbH-Gesellschaftern besondere Regelungen gelten. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Grundsätze zur Wirksamkeit ruinöser Bürgschaften naher Angehöriger für Gesellschafterbürgen nicht gelten, selbst dann nicht, wenn der Gesellschafter nur Minderheitsgesellschafter der kreditsuchenden GmbH ist und mit der Geschäftsführung nicht betraut ist (vgl. z. B. BGH, MDR 2003, 342). Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, lässt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung unbeanstandet. Weder eine krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten können daher die Vermutung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB begründen.

b) Soweit der Bundesgerichtshof Ausnahmen zulässt, sind diese vorliegend sämtlich nicht einschlägig.

Eine Ausnahme macht der Bundesgerichtshof für den Fall, dass der Geschäftsführer nur über eine Splitterbeteiligung verfügt. Eine solche liegt aber nur dann vor, wenn die Beteiligung weniger als 10 % ausmacht, da dann der Gesellschafter nicht einmal das Recht aus § 50 GmbHG hat (vgl. ebenda).

Die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger sollen ausnahmsweise dann anwendbar sein, wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, dass derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat (vgl. BGH, MDR 2002, 468). Auch dafür ist letztlich nichts ersichtlich. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass jedenfalls in den Jahren nach Übernahme der Bürgschaft in erheblichem Umfang Gewinnausschüttungen erfolgt sein sollen.

2. Sind - wie hier - die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger nicht anwendbar, können nur besondere, dem Kreditinstitut zurechenbare Umstände die Bürgschaft eines Gesellschafters sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, ebenda). Solche Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass auf die Beklagte durch die Klägerin in unzulässiger Weise Druck ausgeübt worden wäre. Dass eine Bank für den Fortbestand eines gefährdeten Kreditengagements - weitere - Sicherheiten verlangt, ist für sich genommen nicht zu beanstanden.

Damit kann dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte durch die Bürgschaftsübernahme finanziell krass überfordert wurde. Dagegen dürfte jedenfalls sprechen, dass die Gesellschaftsbeteiligung, wie durch die seitens der Beklagten nicht bestrittenen Gewinnausschüttungen belegt wird, einen erheblichen Wert hatte.

3. Schließlich ergibt sich für die Beklagte auch nichts aus § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB.

Seit seinem Urteil vom 18. Mai 1995 (ZIP 1995, 1244) hält der Bundesgerichtshof die Erstreckung einer Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Forderungen der Bank in einer vorformulierten Zweckerklärung für unwirksam. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist zum einen, dass der Bürge, der eine einseitige, aber sehr weit gehende Haftung für fremde Schuld übernimmt, nicht erkennen kann, welche Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner bestehen; zum anderen, dass der Bürge keinen Einfluss darauf nehmen kann, ob und inwieweit der Hauptschuldner durch neue Kreditaufnahme den Haftungsrahmen erweitert. Diese Argumentation passt auf die Beklagte in ihrer Funktion als Mitgesellschafterin von vornherein nicht (vgl. ebenda, 1248; NJW 2000, 658, 660). Sie war Gesellschafterin und damit in der Lage, sich Kenntnis vom Bestand und Umfang der Verpflichtungen der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin zu verschaffen (§ 51 a GmbHG). Sie war aufgrund des Umstandes, dass sie 50 % der Anteile hielt und damit gleichberechtigte Gesellschafterin war, weiter in der Lage, eine Erweiterung der bestehenden Verpflichtungen jedenfalls kraft ihrer Stellung als Gesellschafterin zumindest zu beeinflussen (s. a. OLG Hamm, WM 1997, 710, 712 f.), zumal ihr Ehemann auch Geschäftsführer der GmbH war und es sich überdies bei ihrer Bürgschaft um eine Höchstbetragsbürgschaft handelt und weiter der Höchstbetrag ihrer Verpflichtung, der sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht mehr durch Kosten und Zinsen erhöhen konnte (MDR 2002, 1260), niedriger war als der Umfang des Anlasskredits. Eine Erweiterung der Haftung durch weitere Kredite wäre ihr gegenüber keine Fremddisposition im Sinne von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, so dass es an einem Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz bzw. § 307 Abs. 1 BGB n.F. fehlt. Dabei kommt es von vornherein nur auf die abstrakte Möglichkeit der Einflussnahme an; die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, sich ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung um die geschäftlichen Dinge nicht gekümmert zu haben.

Davon unabhängig geht der Bundesgerichtshof auch im Fall der Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung davon aus, dass sich daraus keine Totalnichtigkeit der Bürgschaft ergibt. Die Verpflichtung des Bürgen erstreckt sich in einem solchen Fall lediglich auf den sogenannten Anlasskredit, wie auch die Beklagte nicht verkennt. Anlasskredite in diesem Sinne sind nicht nur die "anlässlich" der Bürgschaft eingegangenen Kreditverbindlichkeiten, sondern alle bereits bestehenden. Welche Kredite in diesem Sinne Anlasskredite waren, hat die Klägerin dargelegt. Es waren die am 24. Februar 1995 geschlossenen Darlehensverträge (Anlagen K 9 und 10) mit den Konto-Nrn. 5700003440 und 32006581 über 300.000 DM und 100.000 DM. Außerdem bestand ein Geschäftsgirokonto bereits vorher. Da es darauf aber schon nicht mehr ankommt, muss auch nicht geklärt werden, ob die Anlassverbindlichkeiten geringer sind als die Klagforderung. Dass auch bei Annahme einer unwirksamen Zweckerklärung die Klage jedenfalls überwiegend Erfolg hätte, zieht auch die Beklagte letztlich nicht in Zweifel.

4. Weiter kann die Beklagte nicht mit dem Argument durchdringen, dass sie die Abtretung der Gesellschaftsanteile erst nach Übernahme der Bürgschaft genehmigt hat.

Wie das Landgericht zutreffend angemerkt hat, gilt § 184 BGB, sodass die Genehmigung im Mai 1996 zurückwirkt. Wie sich die Genehmigung im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft auswirkt, spielt vorliegend keine entscheidende Rolle. Der von der Beklagten angeführte § 16 GmbHG dient nicht dem Schutz des Erwerbers von Gesellschaftsanteilen; was die Beklagte meint, aus dieser Vorschrift für sich ableiten zu können, kann der Senat nicht erkennen.

5. Schließlich kann die Beklagte nicht damit gehört werden, sie sei lediglich Strohfrau gewesen. Dies kann unterstellt werden, ohne dass sich an ihrer Verpflichtung aus der Bürgschaft etwas änderte; auch sogenannte Strohmanngeschäfte sind wirksam, wie auch das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss schon dargelegt hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. Nr. 1811 Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) sowie § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück