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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 22.12.2000
Aktenzeichen: 3 W 95/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 Satz 1 Nr. 2
Bei Personenidentität von Gesellschafter und Gläubiger einer vermögenslosen GmbH kann diese Person wirtschaftlich Beteiligter im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO sein.
Beschluss

3 W 95/00 9 O 1675/00 LG Hannover

In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren

#######

Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

- Verfahrensbevollmächtigte: ####### -

gegen

#######

Antragsgegner und Beschwerdegegner,

- Verfahrensbevollmächtigte: ####### -

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 22. Dezember 2000 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 27. September 2000 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 30. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Nr. 1952 KV (Anlage 1 zum GKG) hat die Antragstellerin zu tragen; im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg; das Landgericht hat zu Recht der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage verweigert und es abgelehnt, die Klage dem Antragsgegner vor Leistung eines Kostenvorschusses zuzustellen.

1. Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhält eine inländische juristische Person unter den Voraussetzungen des § 114 letzter Halbsatz ZPO Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von dem am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde.

a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass anders als in den Fällen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO Gläubiger der juristischen Person grundsätzlich nicht wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO sind (Zöller/Phillippi, ZPO, 22. Aufl., § 116 Rz. 13). Das gilt hier jedoch nicht, soweit es um den Gläubiger ####### geht.

Wirtschaftlich Beteiligte im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO sind diejenigen, auf deren Vermögenslage sich ein Obsiegen oder Unterliegen der juristischen Person wirtschaftlich auswirkt, was insbesondere bei Gesellschaftern einer GmbH der Fall ist. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Antragsgegners ist einer der Gläubiger der Antragstellerin, nämlich #######, Gesellschafter der GmbH. Zwar ist nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht zu erwarten, dass die GmbH selbst bei einem vollen Erfolg der beabsichtigten Klage ein Liquidationsüberschuss verbleibt, weil die Verbindlichkeiten der GmbH die Klagforderung übersteigen. Danach würde sich selbst ein volles Obsiegen der GmbH auf die Vermögenslage des Gesellschafters ####### nicht unmittelbar auswirken.

Die Besonderheit besteht hier aber darin, dass der Gesellschafter ####### zugleich Gläubiger der GmbH wegen einer Darlehensforderung von 85.000 DM ist und diesem bei einem Erfolg der Klage mittelbar ein Vermögensvorteil in nicht unbeträchtlicher Höhe zufließen würde, weil die Verbindlichkeiten der GmbH die Klagforderung nur geringfügig überschreiten. In einem solchen Falle - Personenidentität von Gesellschafter und Gläubiger der vermögenslosen GmbH - ist der Gesellschafter und Gläubiger als wirtschaftlich Beteiligter im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO anzusehen.

Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Grund für die gesetzliche Regelung ist es zu verhindern, dass an sich solvente Personen sich juristischer Personen bedienen und diese zur Kostenersparnis vorschieben (Musielak/Fischer, ZPO, 2. Aufl., § 116 Rz. 13). Diese Erwägung trifft auf den Fall, dass ein Gesellschafter einer juristischen Person zwar keinen unmittelbaren Vermögensvorteil durch die beabsichtigte Klage zu erwarten hat, weil - wie hier - die Verbindlichkeiten der juristischen Person die Klagforderung übersteigen, gleichwohl aber einen mittelbaren Vermögensvorteil deshalb zu erwarten hat, weil er als Gläubiger der juristischen Person an dem Liquidationserlös in einem erheblichen Maß beteiligt wird, ebenso zu, wie auf den Fall, dass der Gesellschafter bei Erfolg der Klage unmittelbar einen Vermögensvorteil erlangt, weil die Klagforderung die Verbindlichkeiten der GmbH übersteigen. Besteht danach an sich schon kein Grund, diese Fälle unterschiedlich zu behandeln, kommt hier hinzu, dass der Gesellschafter ####### ursprünglich auch der von den gesetzlichen Beschränkungen des § 181 BGB befreite und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH war und ausweislich der notariellen Teilungserklärung später in Generalvollmacht für die Antragstellerin und deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführerin aufgetreten ist. Es ist deshalb nicht zu verkennen, dass bei dem Gläubiger ####### als Gesellschafter und faktischen Geschäftsführer über ein bloßes Gläubigerinteresse hinaus eine besondere wirtschaftliche Beziehung zur GmbH gegeben ist (vgl. insoweit RGZ 148, 196), und er deshalb im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO als wirtschaftlich Beteiligter anzusehen ist.

Dass aber der Gesellschafter ####### selbst nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, behauptet die Antragstellerin nicht.

b) Darüber hinaus läuft das Unterlassen der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch nicht allgemeinen Interessen zuwider.

Zweck dieser zweiten Voraussetzung des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist es, dass eine juristische Person nicht gehindert werden soll, mit der Prozessführung der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen oder Prozesse zu führen, von deren Ergebnis die Existenz des Unternehmens abhängt und an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer ein allgemeines Interesse besteht (BGH NJW 1991, 703).

Letzteres ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin nicht der Fall, sodass es hier nur auf die Frage ankommt, ob mit der beabsichtigten Prozessführung der Allgemeinheit dienende Aufgaben erfüllt werden. Nach der Rechtsprechung ist ein allgemeines Interesse dann zu bejahen, wenn neben den an dem Prozess wirtschaftlich Beteiligten ein erheblicher Kreis von Personen durch die Unterlassung der Rechtsverfolgung in Mitleidenschaft gezogen werden kann (BFH Rpfl. 1993, 290 m. w. N.; OLG Celle NJW-RR 1986, 741), was insbesondere dann der Fall ist, wenn die unterlassene Rechtsverfolgung auf Grund ihrer sozialen Auswirkungen eine Vielzahl von Kleingläubigern betrifft (BGH NJW 1986, 2058; 1991, 703). Der Bundesgerichtshof hat in der zuletzt genannten Entscheidung eine solche 'Vielzahl' bereits bei einer Größenordnung von 27 Gläubigern angenommen. Diese Aussage ist aber nicht dahin zu verallgemeinern, dass dies bei 27 Gläubigern grundsätzlich der Fall ist, maßgeblich sind hingegen immer die Umstände des Einzelfalles.

Nach der von der Antragstellerin überreichten und unstreitigen Gläubigeraufstellung sollen entsprechend dem gesetzlichen Zweck der Liquidationsgesellschaft mbH, § 70 GmbH-Gesetz, 16 Gläubiger befriedigt werden, die Inhaber von Forderungen in unterschiedlicher Art und Höhe (zwischen 5.000 und 950.000 DM) sind. Bei einem etwaigen Ausfall dieser Forderungen werden Interessen der Allgemeinheit allerdings nur teilweise berührt.

Soziale Belange sind mangels Auswirkungen auf die dortigen Arbeitsplätze von vornherein nicht betroffen, wenn die ####### (Forderung in Höhe von 950.000 DM) und das Finanzamt (Forderung von 100.000 DM) mit ihren Forderungen ausfallen. Gleiches gilt für den wirtschaftlich beteiligten Gesellschafter #######, dem eine Darlehensforderung von 85.000 DM zusteht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass soziale Belange berührt werden, soweit es um einen etwaigen Ausfall der beiden weiteren privaten Darlehensgläubiger geht, weil die Hingabe der Darlehensbeträge regelmäßig Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Darlehensgeber ist und auch insoweit nicht erkennbar ist, dass überhaupt ein Verlust von Arbeitsplätzen drohen könnte. Schließlich können auch die beiden Rechtsanwälte, der Steuerberater sowie die Hausverwaltung ihre Forderungen ebenso ausbuchen und steuermindernd geltend machen wie die #######.

Damit verblieben als Kleingläubiger im eigentlichen Sinne die 4 Handwerker und die 4 Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft #######. Diese begrenzte Zahl von Kleingläubigern stellt jedenfalls keine Vielzahl von Gläubigern dar, die es rechtfertigen würde, die allgemeinen Interessen als berührt anzusehen, wenn diese Gläubiger mit ihren Forderungen ausfallen.

Auf die Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung zudem die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht hat, kommt es danach nicht an.

2. Die Beschwerde gegen den die vorschussfreie Zustellung der Klage versagenden Beschluss ist zwar gemäß § 6 GKG zulässig, hat aber in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 65 Abs. 7 Nr. 3 GKG ist ein Antragsteller von der Vorleistungspflicht befreit, wenn er glaubhaft macht, dass die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine Befreiung dann ausscheidet, wenn die Zahlung nicht nur vorübergehend, sondern - wie hier - dauernd Schwierigkeiten mit sich bringen würde (Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 65 GKG Rn. 79 m. w. N.). Entgegen der Ansicht der Antragsstellerin stellt dies auch keine unzulässige Verkürzung des Rechtsweges dar, weil in einem solchen Falle die Befreiungsmöglichkeit nach §§ 65 Abs. 7 Nr. 1 GKG, 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO besteht.

Im Übrigen scheidet eine vorschussfreie Zustellung von vornherein deswegen aus, wenn die Möglichkeit besteht, sich anderweitig die dafür erforderlichen Mittel zu beschaffen. Das ist hier, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, der Fall, weil die Antragsstellerin sich die einzuzahlenden Gerichtsgebühren von ihrem Gesellschafter ####### beschaffen kann.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 127 Abs. 4 ZPO, 6 Satz 2 i. V. m. § 5 Abs. 6 GKG.

Ende der Entscheidung

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