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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 27.11.2000
Aktenzeichen: 322 Ss 172/00 (Owi)
Rechtsgebiete: OWiG
Vorschriften:
OWiG § 74 Abs. 2 Nr. 1 |
Oberlandesgericht Celle Beschluss
322 Ss 172/00 (Owi) 24 Js 18631/00 StA Verden
In der Bußgeldsache
pp.
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Diepholz vom 20. September 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 27. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ###, den Richter am Oberlandesgericht ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Diepholz zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 250 DM und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 18. März 2000 mit einem Pkw auf der B 51 ausgangs der geschlossenen Ortschaft Sandbrink in einem etwa 3 km langen Streckenabschnitt, auf dem die Höchstgeschwindigkeit durch fünf bis sechs Mal wiederholte Beschilderung auf 70 km/h begrenzt ist, mit einer Geschwindigkeit von 108 km/h.
Die Einlassung des Betroffenen, er sei erst in einem Bereich auf die Bundesstraße 51 aufgefahren, in dem bis zur Messstelle kein geschwindigkeitsregelndes Schild aufgestellt sei (was das Amtsgericht für richtig hält), hat das Gericht auf Grund der übereinstimmenden, glaubhaften und in sich geschlossenen Bekundungen der Polizeibeamten ### und ### als 'eine grobe Schutzbehauptung' gewertet. Es hat einen Beweisantrag des Betroffenen, seine Beifahrerin zu dieser Behauptung als Zeugin zu vernehmen, nach § 77 Abs. 2 OWiG mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Sachverhalt für aufgeklärt erachte und weitere Beweiserhebungen zur Erforschung des Sachverhalts nicht erforderlich seien.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Das Amtsgericht durfte den Beweisantrag nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen. Ob eine beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Entscheidung ist deshalb nur dahin überprüfbar, ob sie von zutreffenden Abgrenzungskriterien ausgegangen ist und Gesetzen der Logik, feststehenden Erkenntnissen der Wissenschaft sowie gesicherten Tatsachen der Lebenserfahrung nicht widerstreitet (vgl. Göhler, OWiG 12. Aufl., § 77 Rdnr. 16).
Wenn die beantragte Beweiserhebung das Ziel verfolgt, die Aussage des einzigen Belastungszeugen zu entkräften, darf ihr unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht in der Regel ein Aufklärungswert nicht abgesprochen werden, sodass schon deshalb § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht anwendbar ist (vgl. KK-Senge, OWiG 2. Aufl., § 77 Rdnr. 17). Die Vernehmung eines oder mehrerer weiterer Zeugen kann dann nur abgelehnt werden, wenn unter Berücksichtigung des Gewichts des bisherigen Beweisergebnisses auf der einen und desjenigen des weiteren Beweismittels auf der anderen Seite nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nach aller Vernunft die Möglichkeit ausgeschlossen erscheint, die Überzeugung des Gerichts könnte durch die beantragte Beweiserhebung noch erschüttert werden. Das gilt z. B. dann, wenn der vernommene Zeuge persönlich glaubwürdig ist, seine Aussage sich auf eine zuverlässige Beobachtungsgrundlage stützt und der gegenbeweislich benannte Zeuge aus persönlichen Gründen oder wegen seiner Stellung zum Tatgeschehen von vornherein als weniger überzeugend angesehen werden kann (vgl. Beschluss des hiesigen 3. Senats für Bußgeldsachen vom 15. März 1996 - 3 Ss (OWi) 53/96 -). Diese Einschränkungen gelten auch in Fällen, in denen nicht ein einzelner Belastungszeuge vernommen worden ist, sondern eine durch gemeinsame Dienstausübung miteinander verbundene Zeugengruppe, z. B. - wie hier - zwei Polizeibeamte; denn sie können ein gemeinsames Interesse daran haben, den zur Anzeige gebrachten Sachverhalt möglichst abgestimmt darzustellen (vgl. OLG Köln VRS 74, 372 und 88, 376).
Diesen Anforderungen wird die Ablehnung der Vernehmung der Beifahrerin des Betroffenen nicht gerecht. Das Amtsgericht hält zwar die Bekundungen der beiden Polizeibeamten für glaubhaft, sie hätten beobachtet, dass der Betroffene überholt habe, als er eine Kuppe herunter gefahren sei, an dessen Fuß sich die Einmündung des Helmesweges befinde, aus der der Betroffene gekommen sein will. Das Amtsgerichts meint, zudem spreche das Verhalten des Betroffenen nach der Kontrolle durch die Polizeibeamten und die relativ kurze Entfernung zwischen der Einmündung des Helmesweges auf die B 51 und dem Messort gegen die Einlassung des Betroffenen.
Die beiden letzten Argumente überzeugen nicht. Wenn der Betroffene tatsächlich aus dem Helmesweg kommend auf die B 51 aufgefahren ist, spräche nicht gegen die Richtigkeit seiner Einlassung, dass er sich diesen Straßenabschnitt noch einmal ansah und Fotografien fertigte, um beweisen zu können, dass er ein geschwindigkeitsregelndes Schild nicht gesehen hat. Auf der Strecke von 250 m zwischen dem Helmesweg und der Messstelle kann ein Pkw Mercedes ohne Weiteres auf eine Geschwindigkeit von 108 km/h beschleunigt werden. Es bleibt also nur die Glaubwürdigkeit der beiden Polizeibeamten. Über die Person der Beifahrerin des Betroffenen und ihre Beziehung zu diesem finden sich in dem Urteil keine Feststellungen. Unter diesen Umständen kommt die Ansicht des Amtsgerichts, es sei nicht notwendig, die Beifahrerin 'in eine Falschaussage 'laufen' zu lassen', einer auch nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht mehr zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich.
Bei der neuen Entscheidung wird das Amtsgericht zu bedenken haben, dass eine Erhöhung der Dauer des Regelfahrverbots auf zwei Monate nicht allein damit begründet werden kann, dass der Betroffene die Tat knapp einen Monat nach Ablauf eines zuvor verhängten Fahrverbots begangen hat. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV ist Voraussetzung für die Verhängung eines Fahrverbots bei wiederholter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von mindestens 26 km/h, dass die neue Tat innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der vorher gehenden Entscheidung begangen wird. Ebenso, wie es nicht angeht, von einem Fahrverbot abzusehen, wenn diese Frist fast abgelaufen ist, kann eine Verlängerung der Regelfrist nicht allein mit der Kürze der Zeit seit Wiedererhalt des Fahrverbots begründet werden. Das ergibt sich auch aus § 2 Abs. 2 Satz 1 BKatV.
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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