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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 02.05.2001
Aktenzeichen: 322 Ss 44/01(Owi)
Rechtsgebiete: StPO, OWiG
Vorschriften:
StPO § 45 Abs. 1 | |
StPO § 349 Abs. 1 | |
OWiG § 79 Abs. 3 |
322 Ss 44/01(Owi) 32 Js 26962/00 StA #######
Oberlandesgericht Celle Beschluss
In der Bußgeldsache
gegen den Elektrotechniker #######, geboren am #######, wohnhaft #######,
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 2. Mai 2001 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts ####### vom 14. November 2000 mit der Sachrüge wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 250 DM verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet; zugleich ist eine Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG getroffen worden.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat durch Beschluss vom 9. März 2001 gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 1 StPO mit der Begründung als unzulässig verworfen, dass eine Sachrüge nicht erhoben worden sei und die Verfahrensrüge, mit der die Ablehnung eines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags beanstandet worden war, nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei.
Der Beschluss ist am 14. März 2001 an den Betroffenen und den Verteidiger abgesandt worden. Mit dem am 22. März 2001 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz des Verteidigers begehrt der Betroffene die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung der allgemeinen Sachrüge und hat gleichzeitig die Sachrüge erhoben. Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Verteidiger vorgetragen, dass er bei Fertigung der Rechtsbeschwerdebegründung vom 15. Februar 2001 übersehen habe, dass bei Einlegung des Rechtsmittels die allgemeine Sachrüge nicht erhoben worden sei. Dies sei ihm deshalb nicht aufgefallen, weil in dem Textbaustein, der bei Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und Rechtsbeschwerde verwendet werde, automatisch der Satz aufgenommen werde 'Es werden die Sachrüge und noch zu vereinzelnde Verfahrensrügen erhoben.'. Es sei dem Betroffenen, der ihn noch am Tage der Urteilsverkündung mit der Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde beauftragt habe, nicht anzulasten, dass er, der Verteidiger, übersehen habe, dass weder bei Einlegung noch bei Begründung die allgemeine Sachrüge erhoben worden sei.
II.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet, wobei von der Rechtzeitigkeit des Antrags (§ 45 Abs. 1 StPO) auszugehen ist .
a) Zwar ist nach der Verwerfung einer Revision - die gleichen Grundsätze gelten gemäß § 79 Abs. 3 OWiG für die Rechtsbeschwerde - wegen Unzulässigkeit nach § 349 Abs. 1 StPO grundsätzlich die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist möglich (BGHSt 25, 89, 91; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 44 Rdn. 1). Dies wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung auch für Fälle anerkannt, in denen das Rechtsmittel unzulässig ist, weil die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 StPO nicht beachtet ist, denn durch eine wegen Formmangels unzulässige Revision wird die Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO nicht gewahrt (BGHSt 26, 335, 338; OLG Zweibrücken StV 1991, 550; KK-Maul, StPO 4. Aufl., § 44 Rdn. 9 m. w. N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 6). Dieser Grundsatz kann aber nicht dazu führen, dass unabhängig von den Gründen der Unzulässigkeit der Revision bezüglich jeder Art von Rügen Wiedereinsetzung gewährt werden kann. Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann nicht dazu dienen, die Form- und Fristgebundenheit der Revisionsbegründung nach §§ 344, 345 StPO zu unterlaufen (BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 10).
Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt die Wiedereinsetzung für einzelne Verfahrensrügen, wenn die Sachrüge oder weitere Verfahrensrügen ordnungsgemäß erhoben worden sind, nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu. Solche Ausnahmefälle sind insbesondere bejaht worden, wenn ein Verschulden auf Seiten der Justiz dazu geführt hat, dass die Rüge nicht rechtzeitig oder nicht formgerecht erhoben werden konnte, beispielsweise, wenn dem Verteidiger trotz angemessener Bemühungen keine Akteneinsicht gewährt wurde (vgl. BGHR a. a. O. Verfahrensrüge 4, 5, 7, 10 und 12) oder wenn ein Rechtspfleger eine nicht formgerechte Begründung zu Protokoll gebracht hat (vgl. RGSt 67, 197, 198 f, BGHR a. a. O. Verfahrensrüge 6) oder wenn eine verzögerte Postbeförderung dazu geführt hat, dass einzelne Verfahrensrügen nicht fristgemäß erhoben worden sind (BGHSt 14, 330; BGH NStZ 1981, 110; vgl. auch BGH NStZ 1997, 46). Eine Ergänzung bereits erhobener Verfahrensrügen ist grundsätzlich als unzulässig angesehen worden, weil anderenfalls die Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für den Bereich zunächst nicht formgerecht erhobener Verfahrensrügen außer Kraft gesetzt würde, wenn der Angeklagte, dem erst durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts oder Generalstaatsanwalts Mängel seiner Begründungsschrift angezeigt werden, diese unter Hinweis auf Verteidigerverschulden nachbessern dürfte (BGH NStZ 1985, 181; BGH wistra 1992, 28; BGHR a. a. O. Verfahrensrüge 1 und 3; OLG Köln NStZ-RR 1996, 212).
Ob eine Wiedereinsetzung für die Erhebung der allgemeinen Sachrüge zugelassen werden kann, wenn die Revision nur mit nicht ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrügen begründet worden ist, erscheint dem Senat fraglich. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in einem Fall, in dem der Verteidiger Verfahrensrügen nicht in zulässiger Form erhoben hatte, die Wiedereinsetzung für die Erhebung der Sachrüge zugelassen (NStZ-RR 1996, 298). Auch das Bayerische Oberste Landesgericht geht von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung zur Erhebung der Sachrüge aus (BayObLGSt 1996, 51). Der Senat lässt dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist. Eine Wiedereinsetzung zur Erhebung der Sachrüge ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn der Verteidiger zunächst bewusst auf die Anbringung dieser Rüge verzichtet hat (OLG Köln NStZ-RR 1996, 212). Wer von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO 'verhindert, eine Frist einzuhalten' (BGHR a. a. O. Anwendungsbereich 2).
b) Der Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen ist unbegründet, denn er lässt nicht erkennen, ob die Erhebung der Sachrüge im Sinne der oben genannten Rechtsprechung unverschuldet unterlassen wurde oder ob der Verteidiger jedenfalls zunächst bewusst darauf verzichtet hatte, die Verletzung materiellen Rechts zu rügen. Zwar hat der Verteidiger angegeben, er habe übersehen, dass keine Sachrüge erhoben worden sei. Wenn aber, wie behauptet, bei Einlegung der Rechtsbeschwerde programmgemäß ein Textbaustein mit der allgemeinen Sachrüge eingefügt wird, kann das Unterlassen dieser Einfügung nur darauf beruhen, dass jemand in den Programmablauf eingegriffen hat. Es wäre daher erforderlich gewesen darzulegen, weshalb in diesem Fall der volle Text desTextbausteins nicht enthalten war. Dafür, dass der Verteidiger den entsprechenden vollständigen Textbaustein bewusst nicht aufgenommen hat, könnte hier sprechen, dass er mit der später allein erhobenen Verfahrensrüge die tatsächlichen Grundlagen des Urteils angreifen wollte; er sich also möglicherweise von einer Überprüfung allein in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen Erfolg versprach. Die schlichte Einlegung der Rechtsbeschwerde wäre dann folgerichtig gewesen. Die Zweifel an einer schuldlosen Fristversäumung gehen hier zu Lasten des Betroffenen.
2. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass, wenn dem Betroffenen Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt würde, die Rechtsbeschwerde jedenfalls unbegründet wäre. Die Überprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Auch der Beweisantrag des Betroffenen ist vom Amtsgericht mit zutreffender Begründung abgelehnt worden.
Ende der Entscheidung
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