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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 07.07.2009
Aktenzeichen: 322 SsBs 75/09
Rechtsgebiete: NdsNiRSchG
Vorschriften:
NdsNiRSchG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 |
Oberlandesgericht Celle Beschluss
In der Bußgeldsache
wegen Verstoßes gegen das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 7. Juli 2009 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 6. Januar 2009 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO).
Gründe:
Die durch den Tatrichter rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 NdsNiRSG, weil der Betroffene als Betreiber (§ 3 S. 1 Nr. 2 Nds.NiRSG) einer Gaststätte im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 NdsNiRSG die nach § 3 S. 2 Nds.NiRSG erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Verstößen gegen das NdsNiRSG vorsätzlich nicht ergriffen hat.
1. Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung erfüllt die von dem Betroffenen betriebene, mit Geldspielautomaten bestückte Spielhalle den Begriff einer Gaststätte im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 NdsNiRSG. Die Einordnung der Spielhalle, in der durch einen Bediensteten der Stadt H. am 9. April 2008 ein Verstoß gegen das Nds.NiRSG festgestellt worden war, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Betroffene in dieser Räumlichkeit an seine Gäste während der Dauer ihres Aufenthaltes kostenlos warme und kalte Getränke abgibt. Das Verabreichen von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle begründet gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Gaststättengesetz (GastG) den Betrieb eines Gaststättengewerbes. An den Bestimmungen des GastG hat sich der Landesgesetzgeber bei der Verwendung des Begriffs "Gaststätte" in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 NdsNiRSG orientiert. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des NdsNiRSG. Ausweislich der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit ist zwar auf eine ausdrückliche Nennung des GastG bei der Formulierung von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 des Gesetzesentwurfs der Landesregierung zum Nds.NiRSG (LT-Drucks 15/3765), der dem jetzigen § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 NdsNiRSG entspricht, verzichtet worden (LT-Drucks. 15/1978, S. 4). Als Gründe für den Verzicht verweist der Ausschuss einerseits darauf, dass das GastG nicht den Begriff "Gaststätte" unmittelbar regele sondern den des "Gaststättengewerbes". Andererseits setzte der Ausschuss als bekannt voraus, was eine Gaststätte ist (LT-Drucks. 15/3978 S. 4). Ungeachtet des Verzichts auf eine ausdrückliche Nennung des GastG nimmt der Ausschuss inhaltlich vollständig Bezug auf die Regelung über das Gaststättengewerbe im GastG. Durch die Verwendung des Begriffs "Gaststätte" statt "Gaststättengewerbe" wollte der Ausschuss klarstellen, dass nicht nur die gaststättenrechtlich erlaubnispflichtigen Gaststätten vom Rauchverbot des Nds.NiRSG erfasst sein sollten sondern auch die nach GastG erlaubnisfreien Gaststätten (LT-Drucks. 15/3978 S. 4). Wiederum unter Bezugnahme auf die Regelungen des Gaststättenrechts (§ 2 Abs. 2 GastG) sollen nach den Vorstellungen des Landesgesetzgebers lediglich solche erlaubnisfreien Gaststätten nicht vom Rauchverbot des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 Nds.NiRSG erfasst sein, in denen lediglich unentgeltliche Kostproben abgegeben (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 GastG) oder - im Falle reiner Beherbergungsbetriebe - lediglich Hausgäste bewirtet werden. Diese Intention des Gesetzgebers hat in den Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 NdsNiRSG unmissverständlich Ausdruck gefunden.
2. Angesichts dieses sachlichen Rückbezuges auf das Gaststättengewerbe ist der Gaststättenbegriff des Nds.NiRSGesetzes an dem Gaststättenrecht auszurichten. Wegen der kostenlosen Abgabe von Getränken, die einen zusätzlichen Anreiz für die Kunden des Betroffenen bilden, in seiner Spielhalle zu verweilen, betreibt der Betroffene in seiner Spielhalle auch ein Gaststättengewerbe. Die für das Gewerbe konstitutive Gewinnerzielungsabsicht ergibt sich aus der Anreizfunktion der Getränkeabgabe. Da der Ort der Ausübung dieses Gaststättengewerbes die von dem Betroffenen betriebene Spielhalle ist, handelt es sich bei dieser um eine Gaststätte gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 Nds.NiRSG.
3. Ob es sich bei der Spielhalle um ein gaststättenrechtlich erlaubnispflichtiges oder erlaubnisfreies Gaststättengewerbe handelt, ist für den Anwendungsbereich des Rauchverbots aus § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 Nds.NiRSG irrelevant. Das Nds.NiRSG nimmt in dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift die Unterscheidung zwischen Erlaubnispflicht (§ 2 Abs. 1 GastG) und Erlaubnisfreiheit (§ 2 Abs. 2 GastG) gerade nicht auf. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich zudem der im Gesetz durch den Verzicht auf die Differenzierung zum Ausdruck kommende Wille, grundsätzlich auch die Räumlichkeiten gaststättenrechtlich erlaubnisfreier Gaststättengewerbe in das Rauchverbot einzubeziehen (vgl. LT-Drucks. 15/3978 S. 4 und S. 5). Von diesem Grundsatz lässt lediglich § 1 Abs. 2 Nds.NiRSG Ausnahmen zu, von denen hier allenfalls § 1 Abs. 2 Nr. 2 NdsNiRSG in Betracht kommen könnte. Danach gilt das Rauchverbot nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 Nds.NiRSG nicht, wenn in dem Gaststättenbetrieb nur unentgeltliche Kostproben verabreicht werden.
Auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen des Tatrichters handelt es sich bei den in der Spielhalle des Betroffenen unentgeltlich angebotenen Getränken aber nicht um "Kostproben". Die in § 1 Abs. 2 Nr. 2 Nds.NiRSG enthaltene Wendung "unentgeltliche Kostproben verabreicht" hat der Landesgesetzgeber wörtlich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 GastG übernommen. Im Gaststättenrecht und in dem wortlautgleichen § 68a S. 1 der Gewerbeordnung (GewO) ist dabei anerkannt, dass es sich bei Kostproben um "zum Verzehr geeignete, in kleineren Mengen abgegebene Waren, die den Zweck haben, zum Kauf der entsprechenden Ware anzuregen", handelt (siehe nur VGH Baden-Württemberg GewArch 2000, 155 f. mit zahlr. weit. Nachw.). Dieser gaststättenrechtliche/gewerberechtliche Kostprobenbegriff ist auch hier maßgeblich. Danach handelt es sich bei den vom Betroffenen verabreichten Getränken nicht um Kostproben, weil die Abgabe der Getränke durch den Betroffenen gerade nicht dem Zweck dient, zum Kauf der angebotenen Ware, nämlich der Getränke, anzuregen sondern zu der weiteren Inanspruchnahme völlig anderweitiger Leistungen, dem Spielen an den Geldspielautomaten, führen soll. Im Übrigen gebietet der Schutzzweck des Nds.NiRSG (dazu ausführlich Senat, Beschl vom 24.9.2009 - 322 SsBs 289/08) eine restriktive Auslegung der Ausnahmetatbestände.
4. Der Tatrichter hat im Ergebnis zudem zutreffend angenommen, dass der Betroffene entgegen § 3 S. 2 Nds.NiRSG als Betreiber nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um das für einen konkreten Zeitpunkt festgestellte Rauchen durch einen seiner Gäste zu unterbinden. Die festgestellte Abwesenheit des Betroffenen zum Zeitpunkt des Rauchens durch einen Gast in der Spielhalle schließt die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 S. 2 Nds.NiRSG nicht aus. Zwar handelt es sich bei der genannten Ordnungswidrigkeit um ein Unterlassungsdelikt (Senat, Beschl vom 24.9.2009 - 322 SsBs 289/08). Entsprechend den für Unterlassungsdelikte geltenden allgemeinen Voraussetzungen (siehe nur Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band II, 2003, § 31 Rn. 8-15 m.w.N.) kann dem zur Handlung (hier: Maßnahmen zur Verhinderung von Verstößen gegen das Rauchverbot) Verpflichteten lediglich insoweit ein Vorwurf gemacht werden, als er zu der Erbringung der vom Recht abverlangten Handlung tatsächlich und rechtlich in der Lage war. Die Abwesenheit des Betroffenen zum Zeitpunkt des durch einen seiner Gäste begangenen Verstoßes gegen das Rauchverbot in Gaststätten hebt aber seine Handlungsmöglichkeit nicht auf. Er war als Betreiber der Spielhalle gerade verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen dahingehend zu treffen, dass für den Fall seiner Abwesenheit die für ihn tätigen Bediensteten Verstößen gegen das Rauchverbot begegnen. Dem ist der Betroffene vorsätzlich nicht nachgekommen, sondern hat durch das Aufstellen von Aschenbechern selbst einen zusätzlichen Anreiz für seine Gäste geschaffen, gegen das Rauchverbot zu verstoßen.
5. Der Betroffene befand sich auch nicht in einem unvermeidbaren Verbots- bzw. Gebotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG) über die Geltung des Rauchverbots nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 Nds.NiRSG in der von ihm betriebenen Spielhalle. Zwar führen im Falle komplexer Rechtsfragen des Ordnungswidrigkeitenrechts Erkundigungen des Betroffenen bei einer sach- und rechtskundigen Person, die die Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Betroffenen bestätigt, regelmäßig zur Unvermeidbarkeit eines Verbots- bzw. Gebotsirrtums (vgl. Bohnert, OWiG, § 11 Rn. 33; siehe auch Senat, Beschl vom 24.9.2009 - 322 SsBs 289/08). Allerdings bestand vorliegend die Besonderheit, dass der Betroffenen nach den amtsrichterlichen Feststellungen während des Verfahrens der Konzessionierung seines Spielhallenbetriebes seitens der zuständigen Dienststelle der Stadt H. auf die Geltung des Rauchverbotes in seinem Betrieb hingewiesen worden war. Angesichts widersprüchlicher Rechtsauskünfte der Stadt Hannover einerseits und seines Rechtsanwaltes andererseits durfte sich der Betroffene nicht allein auf die Auskünfte seines Anwaltes verlassen. Die Situation stellt sich hier wegen des bisherigen Fehlens einschlägiger Rechtsprechung nicht anders dar als bei widersprüchlicher Rechtsprechung gleichrangiger Gerichte. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 1.12.2008 (32 Ss 193/08; NStZ-RR 2009, 110, 111 f.) im Einklang mit der herrschenden Auffassung entschieden hat, ist es in solchen Situation widersprüchlicher Rechtsauskünfte eine Frage der Zumutbarkeit, ob jemand ein Verhalten unterlassen muss, bis dessen Rechtmäßigkeit geklärt ist. Bei der Prüfung der Frage, ob es zumutbar ist, die möglicherweise verbotene Handlung so lange zu unterlassen, bis die Frage ihrer Verbotenheit endgültig geklärt ist, sind das Interesse des Einzelnen an der Vornahme der fraglichen Handlung einerseits und das Interesse der Allgemeinheit am Unterlassen dieser Handlung andererseits abzuwägen und dabei die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. dazu OLG Stuttgart, NJW 2008, 243; LK-Vogel, § 17, Rdnr. 69).
Nach diesen Maßstäben befand sich der Betroffene ungeachtet der von seinem Rechtsanwalt vertretenen Rechtsauffassung nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Für den Betroffenen hätte angesichts der unklaren Rechtslage sowohl die Möglichkeit bestanden, auf die Abgabe von Getränken zu verzichten als auch bei Fortsetzung der Getränkeabgabe an seine Gäste das Rauchverbot durchzusetzen. Dass der Verzicht auf das Anbieten von Getränken zu relevanten Einbußen in den Umsätzen der Spielhalle geführt hätte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Entsprechendes gilt für die Durchsetzung des Rauchverbotes. Angesichts der Bedeutung des mit dem Nds.NiRSG beabsichtigten Schutzes von Nichtrauchern vor den gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens wäre es dem Betroffenen daher zumutbar gewesen, im Rahmen der beiden legalen Verhaltensalternativen zu handeln und im Übrigen eine Klärung der unklaren Rechtslage abzuwarten.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 79 Abs. 3 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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