Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: 4 AR 6/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36
ZPO § 281
1. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO entfällt ausnahmsweise, wenn die Verweisung willkürlich ist. Dies ist der Fall, wenn der Kläger im Mahnbescheid oder in der Klage ein ihm zustehendes Wahlrecht ausgeübt hat, es sei denn, die Parteien beantragen übereinstimmend die Verweisung.

2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, welche die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfallen lässt, liegt nicht vor, wenn das Gericht eine Stellungnahmefrist setzt, Äußerungen der Parteien innerhalb der Frist eingehen und das Gericht vor Ablauf der Frist eine Verweisung beschließt. Eine Willkürlichkeit des Verweisungsbeschlusses könnte nur dann vorliegen, wenn eine Partei in ihrer Äußerung darauf hinweist, sie beabsichtige bis zum Fristablauf weiter vorzutragen und das Gericht die beabsichtigte weitere Äußerung nicht abwartet.


Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### am 31. Januar 2002 beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck wird als das zuständige Gericht bestimmt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

Unter dem 9. Juli 2001 reichte der Kläger beim Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck gegen den Beklagten eine Klageschrift ein, mit welcher er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.513,50 DM nebst Zinsen zu zahlen (Bl. 2 ff. GA). Der Beklagte hat seinen allgemeinen Gerichtsstand in ####### und somit im Bezirk des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck. Am 26. Juli 2001 wurde die Klage dem Beklagten zugestellt (Bl. 40 GA). Mit Hinweisbeschluss vom 18. Oktober 2001 vertrat das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck die Ansicht, seine örtliche Zuständigkeit sei nicht gegeben. Vielmehr sei gemäß § 32 ZPO das Amtsgericht Königs Wusterhausen örtlich zuständig. Die Parteien erhielten zur eventuellen Stellungnahme eine Frist von 3 Wochen nach Zugang des Hinweisbeschlusses (Bl. 89 GA). Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2001 beantragte der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Königs Wusterhausen (Bl. 108 GA). Dem Beklagten wurde der Hinweisbeschluss vom 18. Oktober 2001 am 22. Oktober 2001 zugestellt (Bl. 107 GA). Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2001 vertrat der Beklagte die Ansicht, das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck sei gemäß § 12 ZPO zuständig. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Königs Wusterhausen liege nicht vor (Bl. 109 GA).

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2001 erklärte sich das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Königs Wusterhausen (Bl. 111 GA). Durch Beschluss vom 16. Januar 2002 lehnte das Amtsgericht Königs Wusterhausen die Übernahme des Verfahrens ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht Celle zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO vor (Bl. 124 GA).

II.

Nach der Kompetenzleugnung beider beteiligten Gerichte war das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck vom 29. Oktober 2001 nicht gebunden.

1. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck ist, was die Richterin nachträglich erkannt und auch unumwunden aktenkundig gemacht hat, rechtsfehlerhaft und entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck auch objektiv willkürlich.

Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO entfällt ausnahmsweise dann, wenn die Verweisung willkürlich ist (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., Rn. 17 zu § 281 ZPO). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats dann der Fall, wenn der Kläger im Mahnbescheid oder in der Klageschrift bereits ein ihm zustehendes Wahlrecht ausgeübt hat (vgl. z. B. OLGR Celle 2000, 224). Hiervon hat der Kläger im vorliegenden Sachverhalt Gebrauch gemacht und sein Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass er die Klage beim Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck erhoben hat. Mit Zustellung der Klageschrift ist die einmal getroffene Wahl für den Kläger verbindlich und unwiderruflich geworden, es sei denn, beide Parteien beantragen übereinstimmend die Verweisung an ein anderes Gericht (vgl. OLGR Celle 2000, 224). Ein entsprechender übereinstimmender Antrag der Parteien lag nicht vor. Vielmehr hat sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2001, eingegangen beim Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck am 26. Oktober 2001 (Bl. 109 GA), vor Erlass des Verweisungsbeschlusses vom 29. Oktober 2001 (Bl. 111 GA) gegen eine Verweisung ausgesprochen, in dem er die Ansicht vertrat, das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck sei örtlich zuständig.

Soweit der Kläger vorträgt, es sei vernünftig, die Verhandlung beim Amtsgericht Königs Wusterhausen durchzuführen, weil sich die streitbefangene Grundstückseinfriedung im dortigen Bezirk befindet (Bl. 123 GA), so ist dieser Einwand unerheblich. Der Kläger muss sich vielmehr vorhalten lassen, dass er die Klage gleich beim Amtsgericht Königs Wusterhausen hätte einreichen können, um dessen Zuständigkeit herbeizuführen.

2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bindungswirkung nicht wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs entfällt. Zwar entfaltet ein Verweisungsbeschluss, welcher unter Verletzung des Gebots des rechtlichen Gehörs ergangen ist, keine Bindungswirkung (Zöller/Greger, a. a. O., Rn. 28 zu § 36 ZPO). Auch hat das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck vor dem Erlass des Verweisungsbeschlusses vom 29. Oktober 2001 nicht die von ihm selbst gesetzte Frist zur Stellungnahme von 3 Wochen beachtet (Bl. 89 GA). Da der Beklagte jedoch mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2001 zum Hinweisbeschluss Stellung bezogen und hierbei nicht darauf hingewiesen hat, er beabsichtige noch weiter vorzutragen, ist diesbezüglich eine Willkürlichkeit nicht anzunehmen. Der Beklagte hat tatsächlich zum Hinweisbeschluss des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck vom 18. Oktober 2001 Stellung bezogen und demnach rechtliches Gehör gehabt.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, welche die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfallen lässt, liegt nicht vor, wenn das Gericht eine Stellungnahmefrist setzt, Äußerungen der Parteien innerhalb der Frist eingehen und das Gericht vor Ablauf der Frist eine Verweisung beschließt. Willkür des Verweisungsbeschlusses könnte nur dann vorliegen, wenn eine Partei in ihrer Äußerung darauf hinweist, sie beabsichtige weiter vorzutragen und das Gericht die beabsichtigte weitere Stellungnahme nicht abwartet.



Ende der Entscheidung

Zurück