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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 4 AR 79/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36
ZPO § 281
1. Wird eine Zahlungsklage mit der Duldungsklage wegen einer den eingeklagten Anspruch sichernden Grundschuld verbunden, findet eine Zusammenrechnung der Werte nach § 5 ZPO nicht statt; entscheidend ist der Wert der Zahlungsklage.

2. Setzt das Amtsgericht ohne nähere Auseinandersetzung mit der herrschenden Auffassung im Sinne von Ziff. 1 den Streitwert durch Zusammenrechnung auf einen die Zuständigkeitsgrenze übersteigenden Wert fest und verweist es alsdann auf den notgedrungen vom Kläger, der die Auffassung des Amtsgerichts ebenfalls für unrichtig hält, gestellten Verweisungsantrag an das Landgericht, entfällt die bindende Wirkung nach § 281 Abs. 2 ZPO, weil die Verweisung objektiv willkürlich ist.


4 AR 79/01

Beschluss

In dem Verfahren über die Bestimmung des Gerichts

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ######, den Richter am Oberlandesgericht ###### und den Richter am Amtsgericht ###### am 15. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Das Amtsgericht Tostedt wird als das zuständige Gericht bestimmt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in dem Kompetenzkonflikt mit dem Amtsgericht Tostedt gebotene Vorlage der Sache durch das Landgericht Stade führt zur Bestimmung des Amtsgerichts Tostedt als zuständiges Gericht. Das Landgericht hat im Vorlagebeschluss mit Recht die Annahme des vom Amtsgericht Tostedt verwiesenen Verfahrens abgelehnt, weil der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts auf offensichtlicher Willkür bei der Festsetzung des Streitwerts auf einen die Wertgrenze übersteigenden Betrag beruht. Ein auf Willkür beruhender Verweisungsbeschluss entfaltet aber keine Bindungswirkung im Sinne von § 281 Abs. 2 ZPO (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 281, Rdnr. 17).

Das Amtsgericht hat den Wert für die Klage auf Zahlung von 10.000 DM und Duldung der Vollstreckung wegen eines erstrangigen Teilbetrags aus der für die Hauptforderung bestellten Grundschuld im Wege der Zusammenrechnung von Hauptantrag (10.000 DM) und Duldungsantrag (3.000 DM) auf 13.000 DM festgesetzt. Nach völlig unbestrittener Auffassung erhöht sich aber der Streitwert einer Zahlungsklage nicht, wenn sie - wie hier - mit der Duldungsklage wegen einer den geltend gemachten Anspruch sichernden Grunddienstbarkeit verbunden wird, eine Zusammenrechnung der Werte findet dann nicht statt; entscheidend ist der Wert der Zahlungsklage (Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3, Rdnr. 16 'Duldung' und § 5, Rdnr. 8; Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 5, Rdnr. 4 'Duldung'; MüKo/Schwerdtfeger, ZPO, § 5, Rdnr. 4; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 5, Rdnr. 9). Obwohl das Amtsgericht auf eben diese einhellige Auffassung bereits sowohl durch die Klägerin selbst als auch durch Verfügung des Kammervorsitzenden vom 3. August 2001 im Rahmen einer Streitwertbeschwerde hingewiesen worden ist, hat es selbst ohne irgendeine Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung lediglich vermerkt, es halte an seiner Auffassung fest, weil die zusätzliche Sicherung in der Duldung der Vollstreckung auch ein zusätzliches Interesse der Klägerin bedeute, die auch im Streitwert Ausdruck finden müsse. Diese Begründung wird aber weder dem tragenden Grund der herrschenden Auffassung, dass nämlich bei wirtschaftlicher Identität mehrerer in einer Klage verbundenen Ansprüche eine Zusammenrechnung dem Zweck des § 5 ZPO nicht entspreche, gerecht noch hat das Amtsgericht irgendein Rechtsprechungs- oder Literaturzitat, welches für seine Meinung sprechen könnte, benannt (das könnte es soweit ersichtlich wohl auch nicht). Deshalb handelt es sich bei der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung lediglich um eine 'Spezialrechtsprechung' des Amtsgerichts Tostedt. Selbst wenn man einmal zugunsten des verweisenden Amtsgerichts unterstellt, dass es seine Auffassung nicht etwa auch subjektiv willkürlich mit der Zielrichtung, eine Sache durch Verweisung 'los zu werden' gebildet hat, sondern subjektiv von der Richtigkeit seiner zur Bemessung des Zuständigkeitsstreitwerts vertretenen Auffassung überzeugt ist, ändert dies nichts an Willkür im Sinne von § 281 Abs. 2 ZPO, denn danach kommt es darauf an, ob die Verweisung als objektiv willkürlich erscheint (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 281, Rdnr. 17).Objektiv willkürlich ist aber eine entgegen einer einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, für die es an jeder Rechtsgrundlage fehlt (BGH NJW 1993, 1273; KG MDR 1999, 439 - letztere Entscheidung betrifft ebenfalls eine willkürliche Festsetzung des Zuständigkeitswerts unter unrichtiger Zusammenrechnung nach § 5 ZPO). Natürlich liegt es im Rahmen unabhängiger Rechtsprechung, auch Außenseitermeinungen zu vertreten, wenn ein Gericht aus ernst zu nehmenden Gründen eine sogenannte herrschende Auffassung für unrichtig hält. Dieser Fall einer ernsthaft vertretenen Abweichung von einer einhelligen Auffassung liegt hier aber schon deswegen nicht vor, weil sich das Amtsgericht - außer dem Argument, nach seiner Meinung müsse eben der zusätzliche Duldungsantrag sich den Wert erhöhend auswirken - nicht die geringste Mühe gemacht hat, seine abweichende Auffassung in Auseinandersetzung mit den Argumenten der einhelligen herrschenden Auffassung im Einzelnen zu begründen.

Dass die Klägerin den Verweisungsantrag gestellt hat, rechtfertigt die Verweisung ebenfalls nicht. Eine Fallkonstellation wie z.B. bei einer Schmerzensgeldklage nach zunächst willkürlicher Festsetzung auf einen die Zuständigkeitsgrenze überschreitenden Streitwert, den sich der Kläger dann aber durch den Verweisungsantrag zu eigen macht (vgl. dazu Senat in OLG Celle Nds. Rpfl. 2001, 55), liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, sie wolle - nicht zuletzt aus Kostengründen - nur eine Teilklage beim Amtsgericht in Höhe von 10.000 DM führen. Sie hat ausdrücklich erklärt, dass sie die vom Amtsgericht vorgenommene Wertfestsetzung für falsch halte. Der Verweisungsantrag ist deshalb ganz offensichtlich nur der Not gehorchend im Hinblick auf die vom Amtsgericht hartnäckig vertretene unrichtige Rechtsauffassung gestellt worden.

Der Senat ist nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO speziell zuständig und hat daher einigermaßen Überblick über Kompetenzstreitigkeiten der Gerichte des Oberlandesgerichtsbezirks Celle. Er hat Anlass zum Hinweis, dass das Amtsgericht Tostedt an Kompetenzkonflikten ganz überproportional - um ein Vielfaches z.B. mehr als das größte niedersächsische Amtsgericht Hannover - beteiligt ist.

Ende der Entscheidung

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