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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 20.11.2006
Aktenzeichen: 4 U 166/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 258
InsO § 259
InsO § 203
1. Eine fortdauernde Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vormaligen Insolvenzverwalters nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens gibt es nicht.

2. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch die rechtskräftige Bestätigung eines Insolvenzplans kommt die Anordnung einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO nicht in Betracht.


4 U 166/06

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 20. November 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 158.735,17 EUR festgesetzt.

2. Es wird erwogen, die Berufung des Beklagten gegen das am 27. Juli 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis bis zum 6. Dezember 2006 Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint nicht erforderlich. Die Berufung des Beklagten hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

Das Landgericht hat mit Recht entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, die von ihm als früheren Insolvenzverwalter immer noch zurückbehaltenen Beträge aus dem am 14. Januar 2003 nach Bestätigung des Insolvenzplans aufgehobenen Insolvenzverfahren an die Klägerin, die frühere Schuldnerin des Insolvenzverfahrens, herauszugeben. Eine irgendwie geartete Legitimation des Beklagten, die Masse weiterhin zu verwalten und über Gegenstände des Vermögens der Klägerin zu verfügen, gibt es nicht . Die in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung:

"Es mag sein, dass der Insolvenzschuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück erlangt und grundsätzlich Anspruch auf Herausgabe der Masse gegenüber dem Insolvenzverwalter hat (vgl. MünchKommHuber, InsO, § 259 Rz. 13). Jedoch stünde - und hiermit hat sich das Landgericht in unzureichender Weise auseinander gesetzt - eine - unterstellte - Wiedererlangung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unter dem Vorbehalt der dem Insolvenzverwalter verbleibenden Aufgaben."

ist verfehlt und mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Der Schuldner erlangt nach § 259 Abs. 1 InsO zwingend die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück, wenn die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig und das Insolvenzverfahren aufgehoben ist. Bei § 259 Abs. 1 InsO handelt es sich nicht um eine Bestimmung, die nur "grundsätzlich" gilt, vielmehr geht es um eine Regelung, von der - dies ergibt sich schon aus der Fassung des Gesetzes - nicht abgewichen werden darf.

Die in der Berufungsbegründung anklingende Auffassung des Insolvenzverwalters, von der Regelung des § 259 Abs. 1 InsO, nach der mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Ämter dies Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses erlöschen und der Schuldner das Recht zurück erhält, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen, sei disponibel, eine fortdauernde Befugnis des Insolvenzverwalters, über Teile der früheren Insolvenzmasse zu verfügen und diese weiter zu verwalten, könne sich aus dem Sinn und Zweck des Insolvenzplans ergeben, ist unzutreffend. Die einzige Einschränkung, die es hinsichtlich der Wiedererlangung des Verfügungsrechts des Schuldners geben kann, ist bei Anordnung einer Planüberwachung gemäß § 261 InsO ein Zustimmungsvorbehalt des überwachenden Insolvenzverwalters. Dies spielt vorliegend jedoch schon deshalb keine Rolle, weil unstreitig durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. Dezember 2004 auch die Überwachung der Planerfüllung gemäß § 268 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgehoben worden ist, nachdem die Erfüllung der Ansprüche, die zu überwachen waren, abgeschlossen ist. Abgesehen von dieser hier nicht einschlägigen Einschränkung, die den vormaligen Insolvenzverwalter aber auch nicht befugt, Gegenstände des Schuldners zurückzuhalten und weiter eigene Verfügungsbefugnisse auszuüben, steht dem vormaligen Verwalter nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Verfahrens keine Verwaltungs- und Verfügungsrecht mehr zu. Diese Regelung ist zwingend, von ihr kann durch das Insolvenzgericht nicht abgewichen werden.

Dabei handelt es sich nicht etwa um bestrittene Fragen, über die man ernsthaft diskutieren könnte, es entspricht vielmehr einhelliger Auffassung, dass § 259 Abs. 1 InsO absolut zwingendes Recht enthält, von dem nicht abgewichen werden darf (s. Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 259 Rz. 4; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 12. Aufl., § 259 Rz. 4 f.; Nerlich/Römermann/Braun, InsO, § 259 Rz. 4; MünchKommInsO/ Huber, § 259 Rz. 9 ff.; Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung/Flessner, 4. Aufl., § 259 Rz. 2; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Thies, § 259 Rz. 2; Braun, InsO, 2. Aufl., § 259 Rz. 3; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Jaffé, 4. Aufl., § 259 Rz. 9 ff.).

Die Auffassung des Beklagten, das Insolvenzgericht könne dem Verwalter im Planverfahren teilweise vorbehalten, das Verwaltungs- und Verfügungsrecht weiter auszuüben, ist gesetzwidrig. Abgesehen von der Tatsache, dass der Aufhebungsbeschluss vom 14. Januar 2003, in dem das Insolvenzgericht - ob dies überhaupt zulässig ist, sei hier dahingestellt - die Abnahme der Schlussrechnung, die Abhaltung des Schlusstermins, die Festsetzung der Vergütung und Auslagen des Verwalters, des Gerichts sowie der Mitglieder des Gläubigerausschusses und erforderliche nachträgliche Forderungsprüfungen von der Wirkung der Aufhebung ausgenommen hat, und einen Vorbehalt, wie ihn der Beklagte für sich in Anspruch nimmt, gar nicht gemacht, sondern vielmehr das Verwaltungsrecht uneingeschränkt auf die Schuldnerin zurückübertragen hat, würde es dem Sinn und dem Zweck des Insolvenzplanverfahrens, dem Schuldner die Fortführung seines Unternehmens zu ermöglichen, auf den Kopf stellen, wenn der Schuldner weiterhin über sein Vermögen nicht frei verfügen könnte, sondern der Insolvenzverwalter partiell im Amt bliebe, wie es der Beklagte hier für sich in Anspruch nimmt.

Der Gesetzgeber hat insoweit bei der Abfassung des § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO auch keinen Zweifel daran gelassen, dass der Schuldner uneingeschränkt das Recht zurückerhält, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. Der Schuldner hat auch dann einen Anspruch auf Rückübertragung der Verfügungsbefugnis und Herausgabe der Masse, den er notfalls auf dem Klageweg durchsetzen kann, wenn seine Verfügungsbefugnis für die Dauer der Überwachung durch einen Zustimmungsvorbehalt eingeschränkt ist (s. Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 259 Rz. 5). Anordnungen des Gerichts, die bestimmen, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur teilweise zurückerhält, wären unwirksam (s. Kübler/ Prütting/Otte, InsO, § 259 Rz. 4; MünchKommInsO/Huber, § 259 Rz. 12).

Soweit vereinzelt vertreten wird, im Insolvenzplan könne einvernehmlich bestimmt werden, dass der Schuldner das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nur teilweise zurückerhält (so nur Hess, in: Hess/Weis/Wienberg , InsO, 2. Aufl., § 259 Rz. 3), kommt es hierauf zum einen nicht an, weil der vorliegende Insolvenzplan eine solche Klausel nicht enthält. Zum anderen ist diese Auffassung unhaltbar, weil sie mit dem zwingenden Wortlaut des § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht in Einklang zu bringen ist und den grundlegenden Zielsetzungen des Insolvenzplanverfahrens, nämlich dem Schuldner die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurückzuübertragen, widerspricht.

Ebenso unhaltbar ist die in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, die Verfügungsbefugnis des Beklagten müsse schon deshalb weiter bestehen, weil andernfalls die Gefahr gegeben sei, dass die vormalige Schuldnerin die Beträge für sich selbst verbrauche, und nicht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger einsetze. Würde man dieser Auffassung folgen, verpufften die Wirkungen des Insolvenzplans, weil es tatsächlich dabei bliebe, dass ein Fremdverwalter weiterhin die Befriedigung der Gläubiger übernimmt, ohne dass dies im Insolvenzplan auch nur ansatzweise so vorgesehen ist, und das Verfügungsrecht des Schuldners auf unabsehbare Zeit geteilt bliebe. Auch insoweit gibt es aber keine Auffassung, die dafür eintritt, dass nach Bestätigung eines Insolvenzplans die Befriedigung der Insolvenzgläubiger weiterhin durch den vormaligen Verwalter fortgeführt wird. Zwar kann der Insolvenzverwalter gemäß § 259 Abs. 3 InsO einen anhängigen Prozess weiterführen. Im Übrigen gilt aber, dass die Insolvenzgläubiger ihre Ansprüche gegen den Schuldner wieder selbst zu verfolgen und durchzusetzen haben (s. Heidelberger KommentarInsO/Flessner, § 259 Rz. 3; Kübler/Prütting/ Otte, § 259 Rz. 4).

Eine fortbestehende Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Befriedigung der Gläubiger, wie sie sich der Beklagte vorliegend ohne gesetzliche oder verfahrensrechtliche Grundlage anmaßt, gibt es nicht. Die Gläubiger haben ihre nicht befriedigten Ansprüche wieder selbst durchzusetzen. Sie haben insoweit die Möglichkeit, aus dem Insolvenzplan, vorausgesetzt, dieser hat überhaupt einen vollstreckungsfähigen Inhalt, gemäß § 257 InsO die Zwangsvollstreckung zu betreiben.

Zwar mögen vorliegend Bedenken gegen den vollstreckungsfähigen Inhalt des Insolvenzplans bestehen, da die - nach den Ausführungen des Beklagten absichtlich - unbestimmt gehaltenen Formulierungen:

"Die Insolvenzgläubiger sprechen gegenüber der ... (Schuldnerin) einen Verzicht in Höhe des Betrages aus, der notwendig ist, damit der Überschuldungstatbestand beseitigt wird.

Die einzelnen Erlassbeträge werden arithmetisch aus dem Vermögensstatus der Gesellschaft abgeleitet (vgl. Anlage 1 und 2)" möglicherweise dem Bestimmtheitsgrundsatz widersprechen und keinen vollstreckungsfähigen Inhalt enthalten. Ungeachtet dieser Frage ist es aber Sache der Gläubiger, ihre Ansprüche gegen den Schuldner zu verfolgen, soweit ihnen nach diesen unklaren und unbestimmten Formulierungen, die völlig offen lassen, welche Ansprüche der Gläubiger nach Durchführung des Insolvenzplanverfahrens überhaupt noch bestehen, solche zustehen. Schließlich hat das Insolvenzgericht den Insolvenzplan, der jedenfalls nicht nichtig sein dürfte, rechtskräftig bestätigt. Ein fortbestehendes Recht des Verwalters zur Gläubigerbefriedigung gibt es nicht.

Dem steht auch die vom Insolvenzverwalter angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf (NZI 2006, 240) nicht entgegen. In dieser Entscheidung ging es darum, dass im Insolvenzplan der vormalige Insolvenzverwalter ausdrücklich als "Sachwalter" für die Führung von Rechtsstreitigkeiten der früheren Schuldnerin bestellt worden war und als Prozessstandschafter klagte (dazu Smid, NZI 2006, 201 ff.). Mit einem solchen Fall, über dessen Rechtmäßigkeit der Senat nicht entscheiden muss, hat das vorliegende Verfahren nichts zu tun.

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, die auf seinem Insolvenzverwaltersonderkonto vorhandenen Beträge, die unstreitig für die Befriedigung von Masseverbindlichkeiten, die abgerechnet worden sind, nicht mehr gebraucht werden, müssten von ihm an die Insolvenzgläubiger im Rahmen einer Nachtragsverteilung verteilt werden, weil sie für die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin nicht mehr benötigt würden und deshalb von der vorzitierten Verzichtsklausel nicht erfasst werden würden, scheitert dies schon daran, dass es eine Nachtragsverteilung nach § 203 InsO - deren tatbestandliche Voraussetzungen im Übrigen allerdings auch nicht vorliegen würden - im Insolvenzplanverfahren nicht geben kann (s. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rz. 28.51; Uhlenbruck/Lüer, § 259 Rz. 10).

Die Verantwortung für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger trägt nach Aufhebung des Verfahrens ausschließlich der Schuldner (Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 258 Rz. 13 mit Hinweis auf den Ausschluss der Vorschriften über die Nachtragsverteilung im Zusammenhang mit der Berichtigung der Masseverbindlichkeiten). Es ist nicht Aufgabe des früheren Insolvenzverwalters, eigenmächtig Masse zurückzuhalten, um trotz des bestätigten Insolvenzplans und der Rückübertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Schuldner weiterhin Forderungen von Insolvenzgläubigern zu befriedigen, weil der Schuldner möglicherweise Mittel, die für die Befriedigung der Gläubiger eingesetzt werden müssten, für sich verbrauche. Gesetzliche Reaktion auf die Nichterfüllung des Insolvenzplans durch den Schuldner ist vielmehr gemäß § 255 InsO das Wiederaufleben der Forderungen der Gläubiger, es sei denn, der Plan sieht etwas anderes vor. Dies kann allenfalls zur Durchführung eines neuen Insolvenzverfahrens führen. Für eine Nachtragsverteilung ist in diesem System - abgesehen von der fehlenden gesetzlichen Anordnung, die eine entsprechende Anwendung des § 203 InsO bereits ausschließt - kein Raum. Die Nachtragsverteilung setzt ein regulär abgewickeltes Insolvenzverfahren voraus. Sie kann allenfalls noch nach § 211 Abs. 3 InsO im Anschluss an die Abwicklung eines massearmen Verfahrens angeordnet werden. Im übrigen hat der Beklagte einen Beschluss des Insolvenzgerichts, in dem eine Nachtragsverteilung angeordnet ist, aber auch gar nicht vorgelegt.

Unerheblich ist schließlich, dass das Insolvenzgericht das Verfahren nicht endgültig abgeschlossen hat, sondern Vorbehalte hinsichtlich der Schlussrechnung des Verwalters, der Abhaltung des Schlusstermins, der Abrechnung der Vergütung und der nachträglichen Forderungsprüfung gemacht hat. Ob es derartige Vorbehalte im Rahmen der Aufhebung eines Insolvenzplanverfahrens überhaupt geben darf, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Rechte des Verwalters, der nach dem eindeutigen Wortlaut des Beschlusses vom 23. Januar 2003 keine Befugnisse mehr hat, ergeben sich aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts jedenfalls nicht. Der Beklagte maßt sich ohne jede gesetzliche und gerichtlich legitimierte Grundlage an, weiter über Gegenstände des Vermögens der Klägerin zu verfügen.

Die Berufung kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben.

Ende der Entscheidung

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