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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 4 U 175/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 322
ZPO § 767
Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem dem Verkäufer eine Kaufpreisforderung zugesprochen worden und der Einwand des Käufers, den Kaufvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung und/oder Irrtums angefochten zu haben erfolglos geblieben ist, hindert den Käufer, als Kläger einer Zwangsvollstreckungsgegenklage gegenüber dem Titel aus dem Vorprozess die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung erneut mit dem Argument der Unwirksamkeit des Kaufvertrages wegen Anfechtung aus einem anderen Grund geltend zu machen, wenn dieser Grund während des Vorprozesses bereits objektiv vorlag.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

4 U 175/04

Verkündet am 22. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2. Juli 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Rechtszügen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verkaufte der Beklagten mit Kaufvertrag vom 14. April 2000 (UR-Nr. 99/2000 des Notars S. in B.) ein in der F.Straße in B.W. gelegenes Hausgrundstück. In dem Vorprozess LG Stade 4 O 178/01 hat der Beklagte die Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises in Anspruch genommen. Die Klägerin hat die Kaufpreiszahlung mit der Begründung verweigert, dass der Kaufvertrag wegen einer Schwarzgeldabrede unwirksam sei. Außerdem hat sie die Anfechtung des Kaufvertrages mit der Begründung erklärt, dass verborgene Mängel am Haus vorlägen, vor allem an der Elektrik und der Wasserleitung. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 2. Mai 2002 entsprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 16. Januar 2003 (OLG Celle 4 U 120/02) zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus den vorbezeichneten Urteilen des Landgerichts und Oberlandesgerichts. Sie macht geltend, dass der von ihr beauftragte Dipl.-Ing. W. beim zuständigen Bauordnungsamt nachgeforscht und dabei festgestellt und ihr mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 (Bl. 74 ff. d. A.) auch mitgeteilt habe, dass die Dachgeschoss und Kellerwohnung am verkauften Haus nicht genehmigt und zumindest die Kellergeschosswohnung auch nicht genehmigungsfähig seien. Die Klägerin ließ deshalb mit anwaltlichen Schreiben vom 11. November 2003 erneut die Anfechtung ihrer kaufvertraglichen Erklärungen wegen arglistiger Täuschung und Irrtums aussprechen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts (Seite 2 - 3, Bl. 228 - 229 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung von zwei Zeugen stattgegeben. Nach dem Schreiben des Dipl.-Ing. W. vom 29. Oktober 2003 stehe fest, dass für die Wohnung im Dach und Kellergeschoss keine Genehmigung vorliege und für den Keller wegen der zu geringen Raumhöhen auch nicht zu erlangen sei. Damit sei die von dem Beklagten in § 4 des notariellen Kaufvertrages der Parteien vom 14. April 2000 gegebene Zusicherung, wonach der Beklagte am Kaufobjekt keine baulichen Veränderungen vorgenommen habe, ohne dass dafür die erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorgelegen hätten, unrichtig gewesen. Den Aussagen der vor der Kammer vernommenen Zeugen B. sei auch zu entnehmen, dass in der Zeit, zu der noch Mieter im Gebäude gewesen seien, ein solcher Ausbau des Kellers zu einer Wohnung nicht stattgefunden habe, was nur den Schluss zulasse, dass der Beklagte anschließend die im Keller vorhandene Wohnung selbst installiert habe. Das begründe zwar kein Anfechtungsrecht der Beklagten, wohl aber einen Sachmängelvorwurf, wobei nach der Lebenserfahrung auch anzunehmen sei, dass der Beklagte als Verkäufer es gebilligt habe, dass die Klägerin als Käuferin diesen Mangel nicht kenne und bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätte. Bei dieser Sachlage stehe der Klägerin eine nach § 767 ZPO zulässige Einwendung zu. Denn dadurch, dass der Kläger um die unrichtige Zusicherung in § 4 des Kaufvertrages gewusst, dies aber nicht offenbart habe, habe er die Klägerin in Bezug auf das Fehlen baulicher genehmigungspflichtiger Änderungen in Sicherheit gewogen und auch von entsprechenden Recherchen abgehalten. Damit erhalte das Erwirken und Vorgehen aus den Titeln im Sinne der Vorschrift des § 826 BGB jedoch ein sittenwidriges Gepräge, das vorliegend ausreiche, die Rechtskraft der Titel aus dem Vorprozess zu durchbrechen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die frist- und formgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Beklagten. Der Beklagte ist der im Einzelnen vertiefend begründeten Ansicht, dass die Rechtskraft der im Vorprozess ergangenen Urteile im vorliegenden Fall nicht in Anwendung von § 826 BGB durchbrochen werden dürfe. Das Landgericht habe damit eine unzulässige Ausweitung der nur in engen Grenzen anerkannten Fälle der Rechtskraftdurchbrechung vorgenommen.

Darüber hinaus habe das Landgericht auch § 4 des Kaufvertrages falsch ausgelegt, weil unter baulichen Veränderungen im Sinne des Vertrages nur solche zu verstehen seien, die eine Baugenehmigung wegen Eingriffs beispielsweise in die Gebäudesubstanz erforderten und nicht den hier vorliegenden Fall bloß genehmigungspflichtiger Nutzungsänderungen einzelner Gebäudeteile. Auch begründe das Landgericht nicht seine Annahme, dass für die Klägerin die vorhandene oder zu erlangende Genehmigung der beiden Wohnungen für den Vertragsschluss erheblich gewesen sei und weshalb der Beklagte dies seinerseits habe wissen sollen.

In tatsächlicher Hinsicht habe das Landgericht - ohne insoweit eigene Sachkunde darzutun - auch zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte bauliche Veränderungen im Sinne des Herrichtens einer vermietbaren Wohnung im Keller vorgenommen habe. Tatsächlich habe sich nur der Mieter in einem Kellerraum einen Partykeller eingerichtet und dazu Bodenbeläge eingebracht und den weiteren Raum als Unterstellplatz für sein Moped und Reparaturteile genutzt. Die Dusche in der Waschküche sei auch nur installiert worden, damit sich der Mieter nach Gartenarbeit und Arbeiten an seinem Moped duschen könne, wofür es an räumlichen Möglichkeiten im Erdgeschossbereich gefehlt habe. Das zeige auch, dass die "Kellerwohnung" in Wahrheit nur ein Nebenraum der Erdgeschosswohnung sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 2. Juli 2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Stade die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie ist der ebenfalls im Einzelnen begründeten Auffassung, dass sie mit den im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Einwendungen nicht präkludiert sei, weil es sich bei der fehlenden Genehmigung für die beiden Wohnungen um einen Mangel handele, der im Vorprozess nie zur Sprache gekommen sei und den sie bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens im Vorprozess auch nicht gekannt habe. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. November 2003 (VIII ZR 60/03 = NJW 2004, 1252) stehe dem nicht entgegen, weil es in jener Entscheidung um die Geltendmachung des gleichen Mängelkomplexes "Unfallfreiheit" gegangen sei, während im vorliegenden Fall mit der fehlenden Genehmigung ein qualitativ anderer, neuer Mangel Grund für die erhobene Zwangsvollstreckungsgegenklage sei.

Im Übrigen bestreitet die Klägerin, dass der Mieter im Kellergeschoss praktisch nur einen Partyraum und Abstellraum hergerichtet habe. Vielmehr sei auch eine Heizung installiert worden und außerdem noch in der Besitzzeit des Beklagten wie die Klägerin von der Maklerin erfahren habe - das Haus tatsächlich an insgesamt 4 verschiedene Mieter für 4 einzelne Wohnungen und unter jeweils separater Mietzahlung vermietet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die informationshalber beigezogenen Akten LG Stade 4 U 178/01 ( = OLG Celle 4 U 120/02) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Die Zwangsvollstreckungsgegenklage ist entgegen der Ansicht des Landgerichts unzulässig. Denn ihr fehlt eine Sachurteilsvoraussetzung, weil sie einen Anspruch betrifft, über den im Vorprozess bereits rechtskräftig entschieden ist.

1. "Anspruch" im Sinne der §§ 767 Abs. 1, 322 Abs. 1 ZPO ist der Streitgegenstand. Streitgegenstand ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (zuletzt BGH NJW 2004, 1252, 1253) nicht ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder auch Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der jeweilige Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird. Dabei bezieht sich der Streitgegenstand auf den gesamten historischen Lebensvorgang, auf den sich das Rechtsschutzbegehren auch bezieht, und zwar unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts vorgetragen worden sind oder nicht und auch unabhängig von der Kenntnis der Parteien. Die Präklusion bezieht sich dann auch auf nicht vorgetragene und nicht bekannte Tatsachen, sofern sie nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind. Dabei kommt es für die Anfechtung und allgemein für Gestaltungsrechte auf den Zeitpunkt des Entstehens des Anfechtungsgrundes (hier also die Täuschung) und nicht auf den Zeitpunkt der Anfechtungserklärung an (BGH NJW 1964, 1797, Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 767 Rn. 22 a; wohl a. A. Schulze-Schröder NJW 2004, 1364).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen steht der von der Klägerin erhobenen Zwangsvollstreckungsgegenklage das allgemeine Prozesshindernis anderweitiger Rechtskraft entgegen:

Denn Gegenstand der wechselseitigen Ansprüche des Vorprozesses war (auch) bereits die Frage, ob die Klägerin zur arglistigen Täuschung des Kaufvertrags berechtigt und der Kaufvertrag der Parteien deshalb rückabzuwickeln ist. Die Klägerin hatte auch schon im Jahre 2000 den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Versteht man den Streitgegenstand in diesem Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung und legt man den historischen Lebenssachverhalt zugrunde, dann ging es im Vorprozess im Kern (von dem weiter erhobenen Einwand der Nichtigkeit wegen Schwarzgeldabrede kann hier abgesehen werden auch) um die Frage, ob die Klägerin zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt war. Diese Frage will die Klägerin - wenn auch unterlegt durch einen anderen Anfechtungsgrund - im Wege der von ihr erhobenen Zwangsvollstreckungsgegenklage erneut zur Entscheidung des Gerichts stellen. Diese Frage aber ist (rechtskräftig) entschieden und die Klägerin ist, weil sie nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und ihr folgend auch der Auffassung des Senats auch mit dazu nicht vorgetragenen, aber bereits während des Vorprozesses bestehenden Tatsachen präkludiert ist, auch daran gehindert, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nun wegen des schon im Vorprozess (insoweit unstreitig) vorhandenen Zustands der Wohnungen im Hinblick auf ihre Genehmigungsfähigkeit oder vorliegende Genehmigungen zu stützen.

Für die Richtigkeit eines so verstandenen Begriffs der materiellen Rechtskraft bzw. des Streitgegenstandes sprechen auch gute Gründe. Denn Sinn und Zweck der Rechtskraft ist es u. a., Rechtsfrieden zu schaffen. Auch § 767 Abs. 2 ZPO beabsichtigt, durch die Präklusion von Einwendungen der in einem Prozess unterlegenen Partei durch die Vollstreckungsabwehrklage einen Eingriff in die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils nicht zuzulassen (BGHZ 131, 82, 83; BGH NJW 2004, 1252, 1253 f.). Diese Zielsetzung würde vereitelt, wenn der Anfechtende die Anfechtung zunächst auf einen oder mehrere Gründe stützt und mit diesem Begehren rechtskräftig abgewiesen wird, später aber noch andere, zum Zeitpunkt der ursprünglichen Anfechtung bereits bestehende neue Gründe "nachschieben" könnte. Denn dann könnte der Kläger auf diese Weise sein rechtskräftig bereits abgewiesenes Rechtsschutzbegehren wiederum zur Geltung bringen und dies (theoretisch) nicht nur einmal, sondern beliebig oft. Es liegt auf der Hand, dass dies dem Sinn der Rechtskraft, Rechtsfrieden zu schaffen, zuwiderliefe. Auch die engen Voraussetzungen, unter denen ggf. eine Wiederaufnahme nach den §§ 578 ff. ZPO zulässig ist, könnten bei dieser Sicht unterlaufen, nämlich unbestimmbar ausgeweitet werden.

3. In der Richtigkeit dieser Überlegungen sieht sich der Senat auch in der neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. November 2003 (NJW 2004, 1252) bestätigt. Der Senat hält auch nach Prüfung der insoweit durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetragenen Argumente an der in der Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 8./9. September 2004 dargelegten Auffassung fest.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus dem Sachverhalt der genannten BGHEntscheidung, bei der es konkret um die Unfallfreiheit eines veräußerten Kfz ging, ableiten will, dass sich die Rechtskraftwirkung nur auf den Mangel bzw. die Tatsache "Unfallfreiheit" beziehe, dass also beispielsweise durch die rechtskräftige Abweisung einer auf die Frage der Unfallfreiheit eines Kfz gestützten Klage der Kläger nicht gehindert sei, sich wegen desselben Autokaufs auf Täuschung beispielsweise über die Fahrleistung zu berufen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach Auffassung des Senats entspricht dies nicht dem Sachverhalt und den Entscheidungsgründen der BGH-Entscheidung. Denn zu dem Streitgegenstand ("Kann der Käufer dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises Mängelrechte oder arglistige Täuschung entgegensetzen?") gehören alle Tatsachen, die für dieses prozessuale Ziel relevant sein können.

Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt auch folgende Kontrollüberlegung:

Wären der Klägerin die von ihr behaupteten Tatsachen zur Täuschung über baugenehmigungspflichtige Arbeiten bekannt gewesen, hätte sie diese zweifellos schon im Vorprozess vortragen müssen, weil sie zum einheitlichen Streitgegenstand gehörten. Würde man dagegen sagen, dass der Streitgegenstand einer arglistigen Täuschung sich je nach Anzahl der Positionen oder Punkte differenziert, über die der Verkäufer getäuscht haben soll, dann wäre es möglich, dass der Käufer sogar ganz bewusst von mehreren ihm bekannten Anfechtungsgründen zunächst nur einen vorträgt und nach rechtskräftigem Abweisen des Anfechtungsbegehrens einen neuen Prozess mit einem weiteren Anfechtungsgrund zu führen und je nach Fallsituation auch noch öfter geltend zu machen. Die ursprünglich über den Komplex "arglistige Täuschung" rechtskräftig entschiedene Sache wäre dann gerade nicht rechtskräftig entschieden, sondern das Rechtsinstitut der Rechtskraft und sein Ziel, Rechtsfrieden zu schaffen, wenn auch nicht aufgehoben, so doch erheblich entwertet.

4. Selbst wenn man es aber als zulässig erachten könnte, jeweils nach den einzelnen Punkten zu differenzieren, über die der Käufer getäuscht worden sein soll, ergibt sich für die Klägerin noch die zusätzliche Problematik, dass im Vorprozess auch über die Täuschung in der Renditeerwartung (Mieterträge) entschieden worden ist: Die Klägerin hatte nämlich ausweislich des Tatbestands des Urteils im Vorprozess die Täuschung auf mehrere Punkte gestützt, nämlich außer auf die vorgetragenen Mängel in der Elektroinstallation, der Kellerfeuchtigkeit bzw. Verwendung alter Rohre auch auf die Behauptung, die Maklerin E. habe ihr das Objekt mit einer Rendite durch Mieterträge in Höhe von 2.300 DM vorgestellt. So hat sie sich bei der Anfechtung vom 24. Juli 2000 (BA Bl. 28, 29) in diesem Zusammenhang auch auf den schlechten Zustand der vermieteten Kellerräume bezogen und ausgeführt, sie sei durch das Vorgaukeln erzielbarer Mieteinnahmen von 2.000 DM, ja sogar 2.300 DM zum Kaufvertrag verleitet worden, wo hingegen sich solche Einnahmen wegen des Zustands des Hauses nicht erzielen ließen (BA Bl. 55, 56). Im Vorprozess ist die Rechtsverteidigung der Klägerin auch unter diesem Aspekt geprüft und für nicht durchgreifend erachtet worden. Es ist aber nicht einzusehen, dass es für den Streitgegenstand einen wesentlichen Unterschied machen soll, ob die Renditeerwartung durch den unbewohnbaren Zustand angeblich vermietbarer Räume enttäuscht wird oder ob die Renditeerwartung fehlender Mieteinnahmen aus den Kellerräumen auch durch fehlende Baugenehmigung vereitelt wird. Der Senat meint nicht, dass ein Käufer, der vergeblich einen Prozess wegen arglistiger Täuschung über Baumängel des verkauften Hauses geführt hat, nach rechtskräftigem Prozessverlust einen neuen Prozess mit demselben Klagziel und mit der Begründung durchsetzen kann, die - angeblich - mangelhaften Arbeiten seien außerdem in Abweichung von der Baugenehmigung ausgeführt worden. Auch aus diesem Grunde wäre die Klägerin, wenn nicht schon allgemeine Grundsätze des rechtskräftigen Streitgegenstandes wie oben ausgeführt eingreifen, unter dem Gesichtspunkt der rechtskräftig entschiedenen Sache mit ihrer erneut erhobenen Klage ausgeschlossen.

5. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich die Durchbrechung der Rechtskraft auch nicht mit dem Gedanken sittenwidriger Schädigung im Sinne von § 826 BGB rechtfertigen.

Zwar kann eine Klage nach § 767 ZPO grundsätzlich auch auf den Einwand gestützt werden, der Titel sei in vorsätzlich sittenwidriger Schädigungsabsicht erschlichen worden. Die Rechtsprechung hat diesen ausnahmsweisen Fall der Durchbrechung der Rechtskraft wegen sittenwidriger Erlangung von Titeln zum einen für die Fallgruppe entwickelt, dass Vollstreckungsbescheide, z. B. über sittenwidrige Kreditforderungen durch einen kundigen Kreditunternehmer, erwirkt worden sind. Auch die im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 8. Dezember 2004 zitierte Entscheidung des BGH vom 9. Februar 1999 (VI ZR 9/98) betraf den Fall sittenwidriger Erlangung eines Vollstreckungsbescheides.

Dieser Fall ist mit dem hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Während im Mahnverfahren bzw. Verfahren zur Erlangung eines Vollstreckungsbescheides sich der Antragsgegner - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Sache geäußert hat und für die Erwirkung des Vollstreckungsbescheides bei in der Regel auch nur pauschaler Prüfung allein die Schlüssigkeit des Vorbringens des Antragstellers ausreicht, hat im vorliegenden Fall die Klägerin durch 3 Instanzen Gelegenheit zur Rechtsverteidigung gehabt. Gleiches gilt aus Sicht des Beklagten, der sich in 3 streitig geführten Instanzen gegen das Vorbringen der Klägerin und ihren Einwendungen gegenüber der geltend gemachten Kaufpreisforderung zu verteidigen hatte. Vom Beklagten zu verlangen, dass er dann noch - und darauf liefe das Urteil des Landgerichts mit seiner Begründung hinaus - von sich aus und um dem Vorwurf sittenwidriger Schädigung zu entgehen, weitere Tatsachen vorbringen müsse, die der Klägerin einen weiteren Anfechtungsgrund an die Hand geben könnten, wenn die Klägerin einen entsprechenden - von Amts wegen nicht zu beachtenden Einwand - ihrerseits während des gesamten Rechtsstreits selbst nicht vorgebracht hatte, ist nicht einzusehen.

Hierbei wird nicht übersehen, dass in der Rechtsprechung auch Fälle anerkannt sind, in denen die Vollstreckung eines in einem Erkenntnisverfahren erwirkten Titels als § 826 BGB widersprechend anerkannt worden sind. Dabei handelt es sich jedoch um eng umgrenzte Ausnahmefälle. Allein die vorsätzliche Ausnutzung des als unrichtig erkannten Titels rechtfertigt die Anwendung des § 826 BGB noch nicht. Sittenwidrig im Sinne dieser Vorschrift ist das - hier einmal unterstellt: für sich anstößige - Verhalten vielmehr erst dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, nach denen es in hohem Maße unbillig und geradezu unerträglich wäre, die Ausnutzung des Titels zuzulassen. Nur in einem solchen Fall muss der Grundsatz der Rechtskraft unter dem Aspekt des § 826 BGB zurücktreten (BGH NJW 86, 1751, 1753 m. w. Nachw.).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine Partei wie hier der Beklagte lediglich die von der auch darlegungspflichtigen Gegenpartei (Klägerin) selbst nicht vorgetragene Einwendung seinerseits nicht von sich aus aufgreift. Denn es ist schon zweifelhaft, ob der Beklagte hierzu unter zivilprozessualen Gesichtspunkten verpflichtet war. Keinesfalls handelt es sich dabei aber um ein sittenwidriges, die Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertigendes Verhalten. Auch die im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 8. Dezember 2004 weiter zitierten Entscheidungen des BGH vom 24. Juni 1993 (III ZR 43/92) und vom 11. Juli 2002 (IX 326/99) betrafen andere, nämlich erheblich gravierender gelagerte Fälle (schwere Amtspflichtverletzung, finanziell überforderter Bürge).

Nach alledem musste die Berufung des Beklagten schon deshalb Erfolg haben, weil der Zwangsvollstreckungsgegenklage der Klägerin das allgemeine Prozesshindernis anderweit rechtskräftig entschiedener Sache entgegensteht. Auf die Frage, ob und inwieweit das Klagvorbringen in materiellrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt sein könnte, kam es nicht mehr entscheidungserheblich an.

Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 8. Dezember 2004 gab dem Senat auch im Übrigen keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung oder Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Insbesondere ist die Frage des Umfangs der materiellen Rechtskraft auch für eine Fallkonstellation wie die vorliegende nach dem vorstehend ausgeführten bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.

Ende der Entscheidung

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