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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 4 U 41/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 95
Auch an einem zunächst für einen dauerhaften Zweck errichteten Gebäude (hier: Backhaus) kann später, wenn nach Verpachtung des Grundstücks und einem Umbau in ein Wochenendhaus ein berechtigtes Interesse an nunmehr vorübergehenden Nutzung besteht, Sondereigentum als Scheinbestandteil im Sinne von § 95 BGB neu begründet werden (Anschluss an BGH NJW 2006, 990).
4 U 41/07

Beschluss

(gemäß § 522 Abs. 2 ZPO)

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 22. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Januar 2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Verden wird einstimmig durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Gründe:

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint nicht erforderlich. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Dazu hat der Senat im Hinweisbeschluss vom 3. Mai 2007 Folgendes ausgeführt:

"Das Landgericht, dessen in jeder Hinsicht zutreffende Begründung sich der Senat zu eigen macht, hat der Klage mit Recht stattgegeben. Einziger Streitpunkt der Parteien ist, ob das durch privatschriftlichen Vertrag vom 29. September 2005 nebst Inventar verkaufte und auf einem Pachtgrundstück stehende Wochenendhaus ein Scheinbestandteil des Grundstücks im Sinne von § 95 BGB war und deshalb der Kaufvertrag auch ohne notarielle Beurkundung wirksam geschlossen werden konnte. Das Landgericht hat diese Frage unter sorgfältiger und zutreffender Auswertung der dazu ergangenen Rechtsprechung und Literatur bejaht. Mit allen dagegen gerichteten Argumenten der Beklagten hat sich das Landgericht bereits auseinandergesetzt. Die Wiederholung dieser Argumente in der Berufungsbegründung gibt daher neben dem Verweis auf die Gründe des angefochtenen Urteils lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

1. Auf die Frage der Fundierung des Hauses kommt es für die Beurteilung, ob ein Scheinbestandteil im Sinne von § 95 BGB vorliegt, nicht an. Entscheidend ist lediglich die Zweckrichtung, nämlich die Absicht einer vorübergehenden Verbindung. Deshalb ist seit je bei Vorliegen einer solchen Zweckrichtung, die regelmäßig bei Bauten des Mieters oder Pächters im Rahmen eines befristeten Vertrages vermutet wird (BGHZ 8, 1,5; BGHZ 92, 70, 73; BGH NJW 1996, 916 f.; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Bearb. 2004, § 95, Rdnr. 8), ein Scheinbestandteil auch dann angenommen worden, wenn das vom Mieter oder Pächter errichtete Bauwerk oder sonst dem Gebäude zugefügte Einrichtungen nach den Kriterien des § 94 BGB als wesentliche Bestandteile zu bewerten wären. Folgerichtig ist ja auch das Wegnahmerecht des Mieters oder Pächters nach § 539 BGB unabhängig davon, ob die Sache wesentlicher Bestandteil geworden oder als Scheinbestandteil anzusehen ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 539, Rdnr. 9). Dementsprechend sind in der Rechtsprechung als Scheinbestandteile jede Art von Gebäuden, selbst Fabrikgebäude, Anlagen von Tankstellenbetrieben und Betonbunker angesehen worden (vgl. die Nachweise bei MüKoBGB/Holch, 5. Aufl., § 95, Rdnrn. 14 und 15; aus jüngerer Zeit sogar Bestandteile der "Berliner Mauer", vgl. KG NJWRR 2006, 301, wobei im entschiedenen Fall die Frage der Zweckrichtung einer vorübergehenden Verbindung zweifelhaft war). Das Landgericht hat also ohne Rechtsfehler schon zugunsten der Beklagten deren streitige Behauptung, das Wochenendhaus sei durch ein Betonfundament mit dem Erdboden verbunden, seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass dies der Annahme eines Scheinbestandteils entgegen stünde.

2. Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht im Ergebnis offen gelassen, ob wesentliche Teile des Hauses, nämlich das frühere Backhaus, schon 1910 errichtet worden sind. Selbst wenn es so wäre, stünde dies der Annahme eines Scheinbestandteils nicht entgegen. Unstreitig und insbesondere auch in der Berufungsbegründung ausdrücklich eingeräumt haben 1961 Anbauarbeiten stattgefunden. Früher war in der Literatur umstritten, ob ein zunächst zu einem dauernden Zweck errichtetes Gebäude dadurch zu einem Scheinbestandteil werden konnte, dass es später durch eine nachträgliche Änderung der Zweckbestimmung umgewidmet worden ist. Der Bundesgerichtshof hat zwar schon beiläufig früher die Auffassung vertreten, es seien für die Umwidmung eines bisherigen Scheinbestandteiles in einen wesentlichen Bestandteil und umgekehrt die Umwidmung eines wesentlichen und auf Dauer eingebauten Teiles in einen Scheinbestandteil dieselben Grundsätze maßgeblich, nämlich eine nach außen hervortretenden Willensbetätigung (BGHZ 37, 353, 359). Das ist z.T. bestritten worden (Staudinger/Jickeli/Stieper, a.a.O., § 95, Rdnr. 16). Diese Streitfrage ist aber inzwischen in der vom Landgericht zutreffend zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2005 (BGH NJW 2006, 990; zustimmend Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 95, Rdnr. 4 a) geklärt. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil ausdrücklich Folgendes ausgeführt:

"Auf der Grundlage der gesetzlichen Wertung ist es nicht entscheidend, ob der Wille, die Sache nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück zu verbinden, bereits bei deren Einfügung besteht oder erst in einem späteren Zeitpunkt gefasst wird. Ausschlaggebend ist, ob ein berechtigtes Interesse an einer veränderten, nunmehr vorübergehenden Nutzung besteht, das die Neubegründung der Sonderrechtsfähigkeit erfordert." (BGH NJW 2006, 990, 992 linke Spalte)

Entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung handelt es sich nicht etwa um eine auf den entschiedenen Fall der Beurteilung von Versorgungsleitungen beschränkte Sonderregelung, sondern um einen allgemeinen Grundsatz, wonach auch bei entsprechender späterer Zweckänderung ein Scheinbestandteil auch dann angenommen werden kann, wenn bei seiner Einfügung zunächst noch nicht an einen nur vorübergehenden Zweck gedacht war. Für eine differenzierte Beurteilung je nach dem, ob Versorgungsleitungen oder andere Einrichtungen auf Grundstücken nach § 95 BGB zu beurteilen sind, gibt der Gesetzeswortlaut ja auch nichts her. Nachdem also der Bundesgerichtshof bereits grundsätzlich entschieden hat, dass auch ursprünglich auf Dauer eingefügte Bauten aufgrund einer späteren Änderung des Zweckes als Scheinbestandteile angesehen werden können, hat der vorliegende Fall auch keine grundsätzliche Bedeutung, die einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 BGB entgegen stünde.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass selbst dann, wenn entsprechend der streitigen Behauptung der Beklagten das Gebäude in wesentlichen Teilen schon 1910 massiv und damals nicht auf der Grundlage eines Pachtvertrages auf Dauer errichtet worden sein sollte, dennoch mindestens seit 1961 nach den eben zitierten Grundsätzen des Bundesgerichtshof von einem Scheinbestandteil auszugehen ist. Es ist unstreitig, dass das Gebäude 1961 verändert worden ist, es wird auch nicht mehr als Backhaus, sondern als Wochendhaus genutzt, und zwar auf vom Realverband gepachtetem Gelände, wie mehr als 30 andere Wochendhäuser auch. Spätestens durch die Umwidmung zu einem Wochenendhaus auf nunmehr gepachtetem Gelände und der Veräußerung schon früher vor dem hier streitigen Kaufvertrag der Parteien zusammen mit entsprechenden pachtvertraglichen Regelungen liegt das berechtigte Interesse an einer veränderten, nunmehr vorübergehenden Nutzung, das die Neubegründung der Sonderrechtsfähigkeit im Sinne der zitierten BGH-Entscheidung erfordert, vor. Zugleich ist damit der Wille einer vorübergehenden Verbindung des Wochendhauses mit dem Grundstück hinreichend klar nach außen erkennbar. (Dass es auf die Art der Fundierung im Rahmen des § 95 BGB nicht ankommt, ist oben bereits begründet worden.)

Da andere Einwendungen gegen den unstreitig bestehenden Kaufpreisrest nicht geltend gemacht sind, hat das Landgericht die Beklagte mit Recht zur Zahlung des unstreitig offenen Kaufpreisrestes von 30.000 EUR verurteilt. Die Berufung wird daher keinen Erfolg haben können."

Die Beklagte hat von der ihr bis zum 21. Mai 2007 gewährten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesen Ausführungen keinen Gebrauch gemacht. Der Senat verweist deshalb auf die obigen Gründe, an denen er festhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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